Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Grundsätzliche Bedeutung, behinderungsbedingter Mehrbedarf
Leitsatz (NV)
- Die Rechtsfrage, ob bei behinderten Kindern, die im Haushalt der Eltern wohnen, tagsüber jedoch in einer Werksatt für Behinderte betreut werden, neben dem einzeln zu beziffernden Aufwand für die Werkstatt ein weiterer behinderungsbedingter Mehrbedarf aufgrund von Mehraufwendungen der Eltern pauschal berücksichtigt werden kann, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits entschieden worden ist.
- Der maßgebliche Behindertenpauschbetrag (§ 33b Abs. 1 bis 3 EStG) kann als Anhalt für den behinderungsbedingten Mehrbedarf dienen, sofern seitens des Steuerpflichtigen kein Einzelnachweis erfolgt.
- Bei vollstationärer Unterbringung des behinderten Kindes kann daneben ein pauschaler behinderungsbedingter Mehrbedarf in Höhe der Behindertenpauschbeträge nicht zusätzlich angesetzt werden, weil der Ansatz der Heimkosten einem Einzelnachweis entspricht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG § 32 Abs. 4 S. 3 Nr. 1, § 33b
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Der Beklagte und Beschwerdeführer (Beklagter) hat eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt.
Die vom Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage, ob bei behinderten Kindern, die im Haushalt der Eltern wohnen, tagsüber jedoch in einer Werkstatt für Behinderte betreut werden, neben dem einzeln zu beziffernden Aufwand für die Werkstatt ein weiterer behinderungsbedingter Mehrbedarf aufgrund von Mehraufwendungen der Eltern pauschal berücksichtigt werden kann, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits entschieden worden ist. Auch steht die Entscheidung des Finanzgerichts (FG), die von der Stadt X getragenen Kosten für den Besuch des Sohnes des Klägers und Beschwerdegegners (Kläger) in einer Behindertenwerkstatt als behinderungsbedingte Bezüge außer Ansatz zu lassen und die Einkünfte/Bezüge des Sohnes um einen am Behindertenpauschbetrag gemäß § 33b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) orientierten Betrag von 7 200 DM zu kürzen, im Einklang mit diesen vom Bundesfinanzhof (BFH) zu § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG aufgestellten Grundsätzen. Nach den Grundsatzurteilen vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97 (BFHE 189, 942, BStBl II 2000, 72), VI R 40/98 (BFHE 189, 449, BStBl II 2000, 75) und VI R 182/98 (BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79) sowie vom 24. Mai 2000 VI R 23/99 (juris) ist ein Kind außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn seine Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind, den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht übersteigen. Den Auswirkungen der Behinderung des Kindes ist dadurch Rechnung zu tragen, dass behinderungsbedingte Bezüge außer Betracht bleiben und ein etwa verbleibender behinderungsbedingter Mehraufwand darüber hinaus bei den Einkünften und Bezügen berücksichtigt wird. Für als Hilfe in besonderen Lebenslagen gezahlte Eingliederungshilfen für Behinderte (§§ 39 ff. des Bundessozialhilfegesetzes ―BSHG―) hat der BFH deutlich gemacht, dass es sich insoweit um behinderungsbedingte Bezüge handelt, die bei Berechnung der Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes außer Betracht zu bleiben haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 189, 449, BStBl II 2000, 75). Zudem hat der BFH hervorgehoben, dass der maßgebliche Behindertenpauschbetrag (§ 33b Abs. 1 bis 3 EStG) als Anhalt für den betreffenden Mehrbedarf dienen kann, sofern ―wie im Streitfall― seitens des Steuerpflichtigen kein Einzelnachweis erfolgt. Lediglich bei vollstationärer Unterbringung des behinderten Kindes kann daneben ein pauschaler behinderungsbedingter Mehraufwand in Höhe der Behindertenpauschbeträge nicht zusätzlich angesetzt werden, weil der Ansatz der Heimkosten einem Einzelnachweis entspricht, sodass daneben für einen Pauschbetrag kein Raum bleibt (BFH-Urteil in BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79). Umstände, die eine erneute Entscheidung des BFH zu diesem Problemkreis erforderlich erscheinen lassen könnten, hat der Beklagte nicht aufgezeigt.
Soweit sich der Beklagte auf 63.3.6.3.2 der Überarbeitung der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) vom 15. März 2002 (BStBl I 2002, 366, 399, 400) bzw. auf die Rechenbeispiele in H 180d Amtliches Einkommensteuer-Handbuch 2001 bzw. 2002 bezieht, verkennt er, dass die Beispiele in H 180d Einkommensteuer-Handbuch 2001 bzw. 2002 die Berücksichtigung behinderungsbedingten Mehraufwandes in Anlehnung an den Behindertenpauschbetrag nicht ausdrücklich ausschließen. Gleiches gilt für 63.3.6.3.2 Abs. 2 und 5 DA-FamEStG. Danach ist bei behinderten Kindern, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen betreut werden, jedoch täglich in den elterlichen Haushalt zurückkehren, davon auszugehen, dass diese außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, sofern sie außer Taschengeld und Arbeitsentgelt kein weiteres verfügbares Einkommen beziehen. Nur wenn solches zusätzlich zum Taschengeld bzw. zum Arbeitsentgelt vorhanden ist, verlangt die DA-FamEStG eine Prüfung, ob der Jahresgrenzbetrag i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten ist. Dass die vom BFH aufgestellten Grundsätze über die Nichtanrechnung behinderungsbedingter Bezüge (BFH-Urteile in BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79; BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72; BFHE 189, 449, BStBl II 2000, 75) nicht gelten, folgt daraus nicht.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen
Haufe-Index 982820 |
BFH/NV 2003, 1408 |