Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Transaktionswert
Leitsatz (NV)
Der BFH hat dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. a) Kann als Transaktionswert i. S. des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1224/80 auch der Preis aus einem Kaufvertrag zwischen in der Gemeinschaft ansässigen Personen angesehen werden?
b) Bei Bejahung der Frage a): Kann der Beteiligte, falls daneben noch Preise aus anderen Kaufverträgen den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1224/80 genügen, den Preis bestimmen, der der Zollwertermittlung zugrunde gelegt werden soll? Ist der Beteiligte an die einmal ausgeübte Wahl gebunden?
c) Bei Bejahung der Frage a): Umfaßt dieser Preis auch eine sog. Kaufkommission?
2. Sind sog. Demurrage-Kosten (Schiffsliegegebühren bei Verzögerung der Beladung) Beförderungskosten i. S. des Art. 8 Abs. 1 Buchst. e VO Nr. 1224/80?
3. Ist Transaktionswert i. S. des Art. 3 VO Nr. 1224/80 der volle gezahlte oder zu zahlende Preis, wenn vor dem maßgebenden Zeitpunkt Mindermengen im Vergleich zu den gekauften Mengen festgestellt werden, die sich innerhalb einer vereinbarten Gewichtsfranchise halten und nicht zu einer Minderung des Kaufpreises führen?
Normenkette
EWGV 1224/80 (ZWVO 1980) Art. 3, 8 Abs. 1 Buchst. e
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die deutsche Tochtergesellschaft der X-Gruppe in einem anderen Mitgliedstaat. Innerhalb des Konzerns ist es Aufgabe der Firma F in einem anderen Mitgliedstaat, Düngemittel in Drittländern - insbesondere in Rumänien - zentral für die Tochtergesellschaften einzukaufen. Die Düngemittel, die Gegenstand der streitbefangenen Steuerbescheide sind, kaufte die Firma F in Drittländern ein und verkaufte sie unter gleichzeitiger Berechnung der Differenz zwischen fob- und cif-Preis und einer sog. Kaufkommission an die Klägerin weiter. Diese Kaufkommission betrug 6 % des jeweiligen Rechnungsbetrages für die einzelne Sendung und ist in den Rechnungen der Firma F an die Klägerin ausgewiesen. Sie dient zur Abgeltung der Kosten, die der Muttergesellschaft für erbrachte Leistungen für alle Tochtergesellschaften entstehen.
Die streitbefangenen Einfuhren (ab 1983) führte die Klägerin durch. In den Zollwertanmeldungen gab sie als Verkäufer die Firma F an. Die Angaben zum Zollwert belegte sie mit Rechnungen der Firma F an sie. Die ihr entstandenen sog. Demurrage-Kosten (Schiffsliegegebühren) meldete sie nicht an. Regelmäßig errechnete sie aus dem beim Entladen festgestellten Löschgewicht und dem vereinbarten Preis je Tonne einen (fiktiven) Warenpreis, der unabhängig von dem tatsächlich zu zahlenden Betrag war, und meldete diesen an. Die zu zahlenden Eingangsabgaben berechnete die Klägerin selbst und gab entsprechende Steueranmeldungen ab. Nach Durchführung einer Außenprüfung erhob der Beklagte und Revionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA -) Eingangsabgaben in einer Gesamthöhe von 172 099,60 DM durch die Änderungsbescheide vom 3. Februar 1986 (in der Fassung des Bescheides vom 24. Juli 1986), vom 7. Februar 1986 und vom 25. Juli 1986 nach.
Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin, die genannten Änderungsbescheide insoweit aufzuheben, als in den Zollwert die sog. Kaufkommissionen und die Demurrage-Kosten einbezogen und die Löschgewichte bei der Zollwertfestsetzung nicht berücksichtigt worden sind. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Ihre Revision begründet die Klägerin u. a. wie folgt:
Die Auffassung des FG, der Verkauf durch die Firma F an sie sei ein Verkauf i. S. des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 (VO Nr. 1224/80) des Rates über den Zollwert der Waren vom 28. Mai 1980 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 134/1), sei unrichtig. Das FG habe damit praktisch auf die Einfuhr abgestellt und nicht auf die Ausfuhr, wie es Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1224/80 verlange. Der Zollwert könne sich nur auf Preise und Kosten beziehen, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft entstanden seien. Die Demurrage-Kosten seien Gelder, die anfielen, wenn bereitgestellte Schiffe nicht sofort beladen werden könnten. Es handle sich dabei um Strafgelder an den Reeder. Im Gegensatz zur Auffassung des FG seien sie keine Beförderungskosten i. S. des Art. 8 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i VO Nr. 1224/80. Sie, die Klägerin, habe denjenigen Warenpreis errechnet und angemeldet, der sich nach Maßgabe des festgestellten Löschgewichtes beim Entladen und des vertraglich vereinbarten Preises je Tonne ergeben habe. Das entspreche dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 12. Juni 1986 Rs. 183/85 (EuGHE 1986, 1873).
Entscheidungsgründe
Im vorliegenden Verfahren stellen sich Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Der Senat ist daher nach Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet.
1. Transaktionswert i. S. des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1224/80 ist der für die zu bewertenden Waren ,,bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft" gezahlte Preis. Das HZA und das FG sind der Auffassung, daß der Kaufpreis aus dem Vertrag zwischen der Klägerin und der Firma F auf einem solchen Verkauf beruhe und infolgedessen dieser Preis (einschließlich der sog. ,,Kaufkommission") wegen der entsprechenden Anmeldung der Klägerin zugrunde zu legen sei. Der vorlegende Senat teilt diese Auffassung.
a) Die Firma F hat die eingeführten Waren an die Klägerin nicht im wörtlichen Sinne zur Ausfuhr aus einem Drittland - von wo sie die Firma F gekauft hatte - in die Gemeinschaft verkauft. Das schließt aber nicht aus, den zwischen der Klägerin und der Firma F vereinbarten Preis als einen solchen i. S. des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1224/80 anzusehen. Die VO Nr. 1224/80 beruht auf dem Übereinkommen zur Durchführung des Art. VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von Genf - GATT - (GATT- Zollwert-Codex), dem die EWG 1980 zugestimmt hat (ABlEG L 71/1 und 107). Nach Art. 1 Abs. 1 GATT-Zollwert-Codex ist der ,,Transaktionswert . . . der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Einfuhrland tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis". Dadurch soll sichergestellt werden, daß nur ein Preis für den Markt des Einfuhrlandes der Zollwertbemessung zugrunde gelegt werden kann. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird bestätigt durch Art. 2 Abs. 4 Buchst. a, c und e VO Nr. 1224/80 (= Art. 7 Abs. 2 Buchst. a, c und e GATT- Zollwert-Codex). Daraus ergibt sich, daß rein national ausgerichtete Preise sowie Preise für Verkäufe in Drittländer als Grundlage ausscheiden sollen. Im übrigen aber reicht es aus, daß der Preis auf Geschäften beruht, die tatsächlich eine internationale Warenbewegung zum Ziel habe. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn, wie hier, der Zweitverkauf zwischen in der Gemeinschaft ansässigen Kaufvertragsparteien auf einem Erstverkauf zur Einfuhr in die Gemeinschaft beruhte und der Zweitverkauf vor dem für die Bewertung maßgebenden Zeitpunkt abgeschlossen wurde.
Für eine engere Auslegung des Begriffes ,,Verkauf zur Ausfuhr in das Einfuhrland" gibt es keine plausiblen Gründe. Kein Einführer ist gehindert, anstatt des Preises des Zweitkaufvertrages jenen - meist niedrigeren - des Erstkaufvertrages anzumelden. Er hat also nur Vorteile von der ihm gewährten zusätzlichen Möglichkeit, die Zollwertbemessung auf der Grundlage des Zweiterwerbs zu fordern. Er kann dadurch sich z. B. in jenen Fällen noch die Bewertung nach dem Transaktionswert sichern, in denen ihm die Anmeldung des Preises aufgrund des Erstvertrages mangels entsprechender Kenntnis unmöglich ist und die Bewertung nach den Methoden der Art. 4 bis 7 VO Nr. 1224/80 zu ungünstigeren Ergebnissen führen würde. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird auch durch Art. 6 VO Nr. 1495/80 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1580/81 (VO Nr. 1580/81) der Kommission vom 12. Juni 1981 (ABlEG L 154/36) bestätigt.
b) Den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1224/80 genügen also nach Auffassung des Senats sowohl der Preis aus dem Vertrag zwischen der Firma F und ihrer Verkäuferin als auch der Preis aus dem Vertrag zwischen der Klägerin und der Firma F. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, daß der Beteiligte, hier die Klägerin, ein entsprechendes Wahlrecht hat. Dieses hat die Klägerin ausgeübt, indem sie in ihrer Zollwertanmeldung den Preis aufgrund des letztgenannten Kaufvertrages als Grundlage für die Zollwertbemessung anmeldete. Fraglich ist, ob sie diese Wahl nachträglich wieder rückgängig machen kann. Das Gemeinschaftsrecht enthielt im maßgebenden Zeitpunkt keine Vorschriften zu dieser Frage. Der Senat neigt daher der Auffassung zu, daß insoweit das nationale Zollrecht anwendbar ist. Nach § 11 Abs. 1 des Zollgesetzes (ZG) gehören zum Zollantrag auch alle anderen Anträge, die sich auf die beantragte Zollbehandlung beziehen. Dazu ist auch die Ausübung eines zollwertrechtlichen Wahlrechtes zu zählen. Eine einmal ausgeübte Wahl kann daher nur unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 ZG wieder rückgängig gemacht werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im vorliegenden Falle nicht vor.
c) Der Transaktionswert i. S. des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1224/80 ist nach den vorstehenden Ausführungen der von der Klägerin an die Firma F aufgrund des mit dieser abgeschlossenen Kaufvertrages gezahlte Preis. Dieser schließt alle Zahlungen ein, die die Klägerin an die Firma F als Bedingung für das Kaufgeschäft über die eingeführten Waren tatsächlich entrichtet hat (Art. 3 Abs. 3 Buchst. a VO Nr. 1224/80). Die von der Klägerin an die Firma F gezahlte ,,Kaufkommission" (6 % des jeweiligen Rechnungsbetrages für die einzelne Sendung, in den Rechnungen jeweils getrennt ausgewiesen) ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG eine Zahlung, die nach dem Kaufgeschäft für die Erlangung des Eigentums an den eingeführten Waren tatsächlich entrichtet worden ist. Die ,,Kaufkommission" war somit Teil des Kaufpreises. Sie zählt daher nicht zu den ,,Kosten" des Kaufgeschäfts, wie die Klägerin meint. Überdies teilt der Senat nicht die Auffassung der Klägerin, daß innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft entstandene Kosten unter keinen Umständen vom Zollwert erfaßt werden dürfen. Das zeigt z. B. Art. 15 Abs. 1 VO Nr. 1224/80, wonach innergemeinschaftliche Beförderungskosten nur dann nicht zum Zollwert gehören, wenn sie getrennt ausgewiesen sind.
2. Bei der Ermittlung des Zollwerts nach dem Transaktionswert sind dem für die Waren gezahlten Preis Beförderungskosten für die eingeführten Waren hinzuzurechnen (Art. 8 Abs. 1 Buchst. e Ziffer i VO Nr. 1224/80). Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß die sog. Demurrage-Kosten (demurrage = englisch Überliegezeit, Wartezeit, Liegegeld, Wagenstandsgeld) als Beförderungskosten im Sinne der genannten Vorschriften anzusehen sind.
Beförderungskosten im Sinne der genannten Vorschrift sind, wie bereits die Wortauslegung ergibt, alle Kosten, die unmittelbar durch die Bewegung der Waren vom Absendeort bis zum Ort des Verbringens in das Zollgebiet der Gemeinschaft entstehen. Dazu gehören auch Kosten, die nicht wie z. B. die Frachten die Beförderung selbst betreffen, sondern durch diese veranlaßt sind. Veranlaßt in diesem Sinne können auch solche Kosten sein, die mit der Bereitstellung der erforderlichen Beförderungsmittel zusammenhängen, auch wenn diese Kosten vor Beginn der eigentlichen Beförderung anfallen und nicht an den Transportunternehmer selbst zu zahlen sind; denn ohne eine solche Bereitstellung kommt die Beförderung nicht zustande. Die Demurrage-Kosten sind, wie sich aus den Feststellungen des FG ergibt, Beträge, die zu zahlen sind, wenn bereitgestellte Schiffe nicht sofort beladen werden können. Sie hängen also unmittelbar mit der Schiffsbeförderung der eingeführten Waren zusammen. Sie sind daher - ebenso wie beispielsweise die von den Eisenbahnverwaltungen unter bestimmten Voraussetzungen erhobenen Wagenstandsgelder - Beförderungskosten im genannten Sinn.
3. Nach den Feststellungen des FG hat das HZA entsprechend der Selbstberechnung der Klägerin den ursprünglichen, durch die angefochtenen Bescheide geänderten Steuerbescheiden einen ,,fiktiven" Warenpreis zugrunde gelegt. Dieser errechnete sich aus den beim Entladen der Schiffe durch die Klägerin festgestellten (geringeren als vertraglich vorgesehenen) Löschgewichten, multipliziert mit den zwischen der Klägerin und der Firma F vereinbarten Preisen pro Tonne. Die Klägerin bezahlte aber jeweils die vollen Rechnungspreise; neue Preise wurden nicht vereinbart bzw. von der Klägerin nicht belegt. Die vereinbarte Gewichtsfranchise bezog sich auf den jeweiligen Gesamtvertrag und nicht auf die einzelnen Sendungen. Die festgestellten Mindermengen hielten sich im Rahmen der insgesamt vereinbarten zulässigen Mengenabweichungen. Die Vertragserfüllung war jeweils ordnungsgemäß.
Der vorlegende Senat ist der Auffassung, daß der volle von der Klägerin gezahlte Preis als Transaktionswert i. S. des Art. 3 Abs. 1 und 3 VO Nr. 1224/80 anzusehen und ein Abzug entsprechend den festgestellten Mindermengen nicht zulässig ist. Diesen (nicht reduzierten) Preis hat die Klägerin für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlt (vgl. Art. 3 Abs. 3 Buchst. a VO Nr. 1224/80). Zwar ergibt sich rechnerisch wegen der festgestellten Mindermengen ein etwas höherer Preis je Tonne, wenn das jeweils festgestellte Löschgewicht im Bezug zum jeweils gezahlten Preis gesetzt wird. Der als Transaktionswert anzusehende Preis ist aber nicht der jeweils vereinbarte Preis je Tonne, sondern sind alle Zahlungen für die eingeführten Waren (Art. 3 Abs. 3 Buchst. a VO Nr. 1224/80).
Fundstellen
Haufe-Index 416154 |
BFH/NV 1989, 407 |