Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde; Zulassungsgründe
Leitsatz (NV)
- Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensfehler schlüssig dargetan ist, ist stets vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz auszugehen. Der Vortrag, das FG habe seine Verpflichtung zur Sachaufklärung verletzt, weil es ein vom Kläger bezeichnetes Sachverständigengutachten nicht herangezogen habe, ist nicht schlüssig, wenn das FG den Inhalt des Gutachtens nicht für entscheidungserheblich gehalten hat.
- Für die Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Fall FGO (Erfordernis einer BFH-Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) ist unerheblich, welches Gericht die Entscheidung getroffen hat, von der die Vorinstanz abgewichen ist. Insoweit ist der Zulassungsgrund weiter gefasst als die in § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO i.d.F. bis zum 31. Dezember 2000 geregelte Divergenzrevision.
- Mit dem Vorbringen der unzutreffenden Rechtsanwendung wird ein Zulassungsgrund jedenfalls dann nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt, wenn der Beschwerdeführer keinen schwerwiegenden Rechtsfehler dartut.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3
Nachgehend
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
Der Vortrag, das Finanzgericht (FG) habe seine Verpflichtung zur Sachaufklärung verletzt (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), weil es das Sachverständigengutachten vom 5. November 1986 nicht herangezogen habe, ist nicht schlüssig. Denn im Rahmen der Prüfung, ob ein Verfahrensfehler schlüssig dargetan ist, ist stets vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz auszugehen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 13. April 1976 VI B 12/76, BFHE 118, 546, BStBl II 1976, 503, und vom 7. Februar 1995 V B 62/94, BFH/NV 1995, 861). Nach der Rechtsauffassung des FG kam es jedoch auf den Wert des enteigneten Grundstücks, dessen Höhe nach Aussage des Klägers mit Hilfe des Gutachtens hätte bewiesen werden können, nicht an. Vielmehr war es der Ansicht, ein Sachverständigengutachten, welches die Rechtsauffassung desjenigen, der einen Prozess anstrenge, bestätige, könne diesem zwar nahe legen, sich auf einen Rechtsstreit einzulassen; eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung bestehe insoweit jedoch nicht.
Aus demselben Grund geht auch das Vorbringen des Klägers fehl, durch Beiziehung der Zivilprozessakten und eine entsprechende Sachverhaltsergänzung bzw. die Ermittlung der Höhe der tatsächlich an andere Eigentümer geleisteten Zahlungen hätte seine, des Klägers, Ungleichbehandlung festgestellt werden können. Insbesondere aus der Aussage in der Vorentscheidung, auf einen Zivilprozess lasse sich jemand auch bei einer Verletzung seiner Grundrechte nicht zwangsläufig ein, ergibt sich, dass das FG auch eine wertmäßige Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber anderen Eigentümern nicht als entscheidungserheblich angesehen hat.
Der Einwand des Klägers, das FG wäre auch auf der Grundlage seines materiell-rechtlichen Standpunkts bei hinreichender Sachverhaltsermittlung zu einer anderen Entscheidung gekommen, greift nicht durch. Sinngemäß legt der Kläger in diesem Zusammenhang dar, das FG hätte bei Kenntnis weiterer Umstände die Zwangsläufigkeit bejaht. Ein solcher Schluss lässt sich aber aus dem angefochtenen Urteil nicht ziehen. Denn das FG hat nicht angegeben, unter welchen besonderen Gegebenheiten oder Umständen ―über die Fälle familienrechtlicher Gestaltungsurteile bzw. existenzieller Gefährdung hinaus― ausnahmsweise das Führen eines Entschädigungs- oder Steuerprozesses als zwangsläufig anzusehen ist.
Auch soweit der Kläger anführt, das FG hätte ihn über die Folgen der seiner Meinung nach zu geringen Höhe der Entschädigung für seine Altersversorgung befragen müssen, fehlt es an einem schlüssigen Vortrag. Für seine Behauptung, die Entscheidung des FG wäre anders ausgefallen, wenn die Bedeutung der Höhe der Entschädigungssumme für die Altersvorsorge weiter aufgeklärt worden wäre, findet sich im FG-Urteil keinerlei Anhaltspunkt. Zwar ist die Ausnahme der zwangsläufigen Entstehung von Prozesskosten im Falle einer drohenden Existenzgefährdung dort angesprochen; das FG dehnt den Bereich der Existenzgefährdung jedoch nicht auf eine ggf. später einmal eintretende Gefährdung aus.
2. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO (Erfordernis einer BFH-Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) legt der Kläger ebenfalls nicht ausreichend dar.
Dieser Zulassungsgrund ist weiter als die in § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO i.d.F. bis 31. Dezember 2000 geregelte Divergenz. Denn es kommt nicht mehr darauf an, welches Gericht die Entscheidung getroffen hat, von der die Vorinstanz abgewichen ist. Unabhängig davon, ob darüber hinaus auch schwerwiegende Fehler der Vorinstanz bei der Auslegung revisiblen Rechts von diesem Zulassungsgrund erfasst werden, ist es zumindest erforderlich, dass die Urteile, von denen das FG abgewichen ist, und die Rechtssätze, die es falsch ausgelegt oder angewendet hat, bezeichnet werden (BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BFH/NV 2002, 119, m.w.N.).
Der Kläger hat zwar eine Abweichung von den Urteilen des BFH vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78 (BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116) und vom 3. Juni 1982 VI R 41/79 (BFHE 136, 370, BStBl II 1982, 749) behauptet, aber nicht erläutert, inwieweit die Vorentscheidung Rechtssätzen dieser Urteile widerspricht. Denn er führt lediglich aus, dass der BFH unter Billigkeitsgesichtspunkten die Anforderungen an die Zwangsläufigkeit i.S. des § 33 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Bereich des Schadensersatzrechts im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen gelockert habe und dass das FG diesen Rechtsgedanken nicht berücksichtigt habe. Eine Abweichung der Vorentscheidung von den zitierten BFH-Urteilen oder ein schwerwiegender Rechtsfehler wird dadurch nicht dargetan.
3. Die Ausführungen des Klägers rechtfertigen auch keine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung oder nach § 115 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Fortbildung des Rechts.
Durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass Rechtsverfolgungskosten regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können, es sei denn, die Führung des Prozesses ist aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles zwangsläufig (Senatsbeschluss vom 27. März 2000 III B 67/99, BFH/NV 2000, 1091, m.w.N.). Eine solche Ausnahme hat das FG verneint. Der Kläger trägt dagegen vor, Rechtsverfolgungskosten seien auch dann als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn sich der Steuerpflichtige gegenüber staatlichen und industriellen Interessen in einer Zwangslage befinde und erhebliche Vermögenseinbußen zu gewärtigen habe. In einem solchen Fall seien unter Billigkeitsgesichtspunkten die Anforderungen an die Zwangsläufigkeit zu lockern. Dieses Vorbringen betrifft jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, deren Klärung für die Allgemeinheit von Bedeutung oder für die Fortbildung des Rechts erforderlich ist. Es werden lediglich "besondere Umstände" geltend gemacht, die nach Auffassung des Klägers in seinem Fall die Zwangsläufigkeit der Rechtsverfolgungskosten ausnahmsweise begründen.
Im Grunde rügt der Kläger eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall, die ―sofern es sich nicht um einen schwerwiegenden Rechtsfehler handelt (vgl. die Ausführungen unter 2.)― auch nach neuem Recht eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigt (BFH-Beschlüsse vom 18. Juli 2001 X B 46/01, BFH/NV 2001, 1596, und in BFHE 196, 30, BFH/NV 2002, 119).
4. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen