Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers; Verletzung des Gehörsanspruches
Leitsatz (NV)
- Besteht keine Vereinbarung zwischen der GmbH und deren Steuerberater, eine Prüfung von dem Geschäftsführer selbst erstellter Umsatzsteuervoranmeldungen sofort vorzunehmen, muss der Geschäftsführer sich ggf. über die umsatzsteuerrechtlichen Folgen eines Forderungsverzichts von sich aus informieren statt abzuwarten, bis der Steuerberater seine steuerliche Behandlung desselben korrigiert.
- Es bedarf substantiierter Darlegungen dazu, was auf Hinweise des FG zu einem bestimmten Streitpunkt oder einem rechtlichen Gesichtspunkt noch hätte ergänzend vorgetragen werden wollen, wenn geltend gemacht werden soll, das FG habe durch Unterlassen solcher Hinweise den Anspruch auf rechtliches Gehör im Hinblick auf einen bestimmten Streitpunkt oder einen rechtlichen Gesichtspunkt verletzt.
- Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet ein Gericht nicht dazu, die Beteiligten vor Ergehen der Entscheidung davon zu unterrichten, wie es den von ihm mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörterten Sachverhalt im Ergebnis zu würdigen beabsichtigt.
- Ein Urteil ist nicht deshalb "nicht mit Gründen versehen", weil es auf eine von ihm berücksichtigte Rechtsvorschrift nicht näher eingeht und sich nicht mit der zu ihr vom Kläger vorgetragenen Auffassung auseinander setzt.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; AO 1977 § 34 Abs. 1; FGO §§ 96, 105 Abs. 2 Nr. 5, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 6
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wird vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) für Umsatzsteuer in Anspruch genommen, welche die 1988 in Konkurs geratene X-GmbH dem FA schuldig geblieben ist. Die GmbH hatte für 1986 ausschließlich steuerfreie Umsätze sowie Vorsteuerabzugsbeträge angemeldet. In diesem Jahr hatte einer der Hauptlieferanten der GmbH auf eine Teilforderung in Höhe von rd. … DM verzichtet. Daraus sich nach § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ergebende Folgen für den Vorsteuerabzug der GmbH wurden zunächst nicht gezogen. Die GmbH berichtigte den Vorsteuerabzug hinsichtlich des Forderungsverzichts erst, als sie im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gegen den für 1986 ergangenen Schätzungsbescheid im Oktober 1988 eine Steuererklärung einreichte. Gegen den Haftungsbescheid des FA, welches den Kläger wegen der unbefriedigt gebliebenen Umsatzsteuerforderung gegen die GmbH nebst Säumniszuschlägen in Anspruch genommen hatte, hat der Kläger Klage erhoben und eine Herabsetzung des Haftungsbetrages unter Berücksichtigung der bei rechtzeitiger Anmeldung der nach dem vorgenannten Forderungsverzicht vorzunehmenden Vorsteuerberichtigung für das FA möglichen Verrechnung mit Umsatzsteuervergütungsansprüchen der GmbH sowie eine Aufhebung des Haftungsbescheides hinsichtlich der Inanspruchnahme wegen Säumniszuschlägen erreicht. Im Übrigen hat das Finanzgericht (FG) die Klage abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, es stelle eine Pflichtverletzung dar, dass der Kläger sich nicht über die umsatzsteuerlichen Auswirkungen des Forderungsverzichts informiert habe. Der Kläger habe es folglich schuldhaft versäumt, die auf den Verzichtsbetrag entfallende Steuer in der Umsatzsteuervoranmeldung 11/1986 anzumelden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht und Verfahrensfehler gerügt werden.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorliegt und die Darlegungen der Beschwerde im Übrigen nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügen.
1. Als grundsätzlich bedeutsam (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sieht die Beschwerde die Rechtsfrage an, "ob der Geschäftsführer … sich grundsätzlich darauf verlassen darf, dass der … Steuerberater von sich aus auf die steuerliche Bedeutung … der ihm unterbreiteten Sachverhalte hinweist". Die Beschwerde gibt jedoch schon nicht an, inwieweit die richtige Antwort auf diese Frage zweifelhaft oder strittig ist, insbesondere dass etwa dazu in der Rechtsprechung oder im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, und inwiefern jene Rechtsfrage durch die von der Beschwerde selbst angeführte Entscheidung des erkennenden Senats vom 30. August 1994 VII R 101/02 (BFHE 175, 509, BStBl II 1995, 278) noch nicht ausreichend beantwortet worden ist. Selbst wenn die Beschwerde nicht schon daran scheitern sollte, dass die angebliche grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ausreichend dargelegt ist (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), muss sie ohne Erfolg bleiben, weil die Beschwerde den Sachverhalt ungenau wiedergibt und dadurch zu einer Fragestellung gelangt, die sich in dem angestrebten Revisionsverfahren so nicht ergeben würde. Das FG, dessen Feststellungen in dem Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO verbindlich wären, hat nämlich den Kläger im Tatbestand seines Urteils mit seinem Vorbringen zitiert, er habe wegen fehlender Arbeitskapazität seines Steuerberaters die Umsatzsteuervoranmeldungen selbst erstellt und dann mit sämtlichen erforderlichen Unterlagen dem Berater zur Prüfung vorgelegt; Korrekturen daran habe der Berater jedoch erst im Oktober 1988 bei der Erstellung der (verspäteten) Jahressteuererklärung vorgenommen. Das FG hat sodann bei der rechtlichen Würdigung der Streitsache ersichtlich dieses Vorbringen als richtig zugrunde gelegt und ist erkennbar nicht davon ausgegangen, es habe eine Vereinbarung zwischen der GmbH und deren Berater dahin bestanden, die vorgenannte "fachliche Prüfung" sofort vorzunehmen, so dass die Berichtigung der Umsatzsteueranmeldung 11/1986 erst im Oktober 1988 dem widersprochen hätte. Nur vor dem Hintergrund des so sinngemäß festgestellten Sachverhaltes wird verständlich, dass das FG von dem Kläger verlangt hat, sich ―nämlich bei der Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen― beim steuerlichen Berater der GmbH über die Rechtsfolgen des Forderungsverzichts von sich aus zu informieren und nicht abzuwarten, bis dieser bei einer unter Umständen erst Jahre später erfolgenden Kontrolle die steuerliche Behandlung desselben seitens des Klägers korrigiert. Dass diese rechtliche Beurteilung zutreffend ist, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.
2. Die Entscheidung des FG beruht nicht auf dem Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers, weil sie eine Überraschungsentscheidung darstellte. Die Frage, in welchem Umfang sich der Kläger auf die Beratung und Kontrolle durch den steuerlichen Berater der GmbH verlassen konnte, war nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerde Gegenstand des Haftungsverfahrens. Aus den von der Beschwerde angeführten Zitaten aus in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen des FG konnte der Kläger nicht folgern, das FG habe sich hinsichtlich der Beantwortung dieser Frage für den Streitfall bereits dahin festgelegt, den Kläger treffe kein eigenes Verschulden an der unterbliebenen Anmeldung der Vorsteuerberichtigung wegen des vorgenannten Forderungsverzichts. Überdies hat der Kläger in dem Verfahren eingehend dargelegt, weshalb er seiner Meinung nach die Pflichten eines Geschäftsführers nicht schuldhaft verletzt hat; der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, was er insofern noch hätte ergänzend vortragen wollen, wenn er vom FG ausdrücklich auf diesen Punkt angesprochen worden wäre. Diesbezüglicher substantiierter Darlegungen bedarf es jedoch, wenn geltend gemacht werden soll, das FG habe den Anspruch auf rechtliches Gehör im Hinblick auf einen bestimmten Streitpunkt oder einen rechtlichen Gesichtspunkt verletzt.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang eine Überraschungsentscheidung darin sieht, dass das FG eine Verpflichtung "konstruiert" habe, den Steuerberater der GmbH nach seiner Beurteilung der für eine Umsatzsteuererklärung zu berücksichtigenden Sachverhalte zu befragen, wendet sich die Beschwerde in Wahrheit nicht gegen die Verfahrensweise des FG, sondern gegen die Richtigkeit seiner materiell-rechtlichen Würdigung. Jedenfalls verpflichtet der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör ein Gericht nicht dazu, die Beteiligten vor Ergehen der Entscheidung davon zu unterrichten, wie es den von ihm mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörterten Sachverhalt im Ergebnis zu würdigen beabsichtigt.
3. Zumindest unbegründet ist schließlich auch die Rüge der Beschwerde, das Urteil des FG sei nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 FGO), was die Beschwerde offenbar daraus herleiten will, dass sich das FG ihrer Ansicht nach nicht ausreichend mit § 17 UStG auseinander gesetzt hat. Aus dem Urteil des FG ergibt sich indes eindeutig, dass das FG diese Vorschrift berücksichtigt und ihre Voraussetzungen bejaht hat. Dass es dabei auf die Vorschrift nicht näher eingegangen ist und sich insbesondere nicht mit der Auffassung der Beschwerde auseinander gesetzt hat, § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG sei nur anzuwenden, wenn andere Umsatzbeteiligte ihrerseits ihre Umsatzsteuererklärung ändern, stellt, selbst wenn eine Auseinandersetzung mit derartig fern liegenden Rechtsansichten wünschenswert sein sollte, keinen Verstoß gegen § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO oder gar, wie die Beschwerde meint, gegen § 119 Nr. 6 FGO dar.
Fundstellen
Haufe-Index 892738 |
BFH/NV 2003, 445 |