Entscheidungsstichwort (Thema)
Einwand der Zahlungsverjährung
Leitsatz (NV)
1. Bestehen zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob eine Zahlungsverpflichtung aus einem Haftungsbescheid erloschen ist, so ist diese Frage durch Abrechnungsbescheid zu klären. Eine dahingehende Feststellungsklage ist wegen dieser vorrangigen Rechtsschutzmöglichkeit unzulässig.
2. Eine von der Finanzbehörde durch VA unter Widerrufsvorbehalt bewilligte Ratenzahlung ist jedenfalls dann als Maßnahme des Vollstreckungsaufschubs i. S. d. §258 AO 1977 anzusehen, wenn sie aus Rücksichtnahme für eine längere Zeitspanne auf die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Vollstreckungsschuldners zur Vermeidung sofortiger Vollstreckungsmaßnahmen erfolgt. Sie unterbricht die Zahlungsverjährung. Die Unterbrechung dauert solange fort, bis der Zahlungsaufschub abgelaufen ist, wenn also etwa die Finanzbehörde von dem Widerrufsvorbehalt Gebrauch gemacht hat.
Normenkette
AO 1977 § 218 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § § 228 ff., § 231 Abs. 1-2, §§ 232, 258; FGO §§ 41, 142 Abs. 1
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) schuldet dem Beklagten (Hauptzollamt -- HZA --) aufgrund Steuerhaftungsbescheids vom 3. Januar 1975 verkürzte Mineralölsteuer nebst Zinsen und Säumniszuschlägen.
Am 7. Februar 1975 gewährte das HZA dem zahlungsunfähigen Antragsteller unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs Ratenzahlung von 100 DM monatlich zur Sicherung des Schuldbetrags und zur Abwendung einer Lohnpfändung. Nach zwischenzeitlichen Zahlungsschwierigkeiten des Antragstellers wiederholte das HZA mit Verfügung vom 26. Juni 1984 die Bewilligung der Ratenzahlung. Die letzte Rate zahlte er am 3. September 1991. Das HZA wurde in dieser Sache danach erst wieder am 17. August 1995 mit einer Anfrage beim Einwohnermeldeamt tätig. Diese ergab, daß der Antragsteller noch unter gleicher Anschrift wohnhaft war. Am 9. Januar 1997 erteilte das HZA einen neuen Vollstreckungsauftrag über ... DM. Nach erfolglosem Vollstreckungsversuch durch den Vollziehungsbeamten des HZA am 13. Januar 1997 wurden dem Antragsteller weitere Vollstreckungsmaßnahmen für den 21. Januar 1997 angekündigt.
Am 20. Januar 1997 erhob der Antragsteller beim Finanzgericht (FG) Klage, mit der er die Feststellung begehrte, daß die Forderung des HZA aus dem Steuerhaftungsbescheid vom 3. Januar 1975 betreffend Mineralölsteuer und Nebenkosten erloschen sei. Zugleich beantragte er, ihm für das Klageverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Zur Begründung seiner Klage macht er Zahlungsverjährung geltend. Er bringt vor, er habe seit über fünf Jahren nichts mehr vom HZA gehört. Die Zahlungsverjährung sei weder durch die Ratenzahlungsvereinbarung, da diese nicht in §231 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) aufgeführt sei, noch durch die Anfrage beim Einwohnermeldeamt unterbrochen worden, da es für diese Anfrage keinen Anlaß gegeben habe.
Das HZA trägt demgegenüber vor, dem Kläger sei seit 1975 Vollstreckungsaufschub gewährt worden, so daß der Anspruch nicht verjährt sein könne.
Den PKH-Antrag hat das FG mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg der Klage abgelehnt. Zahlungsverjährung sei nicht eingetreten, denn die (erneute) Gewährung der Ratenzahlung unter Widerrufsvorbehalt am 26. Juni 1984 zur Abwehr einschneidenderer Maßnahmen sei entgegen der Auffassung des Antragstellers als klassische Form des Vollstreckungsaufschubs i. S. der §231 Abs. 1 Satz 1, §258 AO 1977 anzusehen. Da die Gewährung der Ratenzahlung nicht widerrufen worden sei, gelte sie noch, so daß auch die Unterbrechung der Verjährung noch andauere (§231 Abs. 2 Satz 1 AO 1977).
Mit der vorliegenden Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung der PKH durch das FG verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er ist der Ansicht, die Ratenzahlungsvereinbarungen aus den Jahren 1975 und 1984 hätten, selbst wenn sie als Vollstreckungsaufschub anzusehen seien, die Zahlungsverjährung nicht unterbrochen, da sie durch Nichteinhaltung der vereinbarten Zahlungen von selbst, spätestens schon ab 1988, hinfällig geworden seien und jedenfalls keine Dauerwirkung auf unbegrenzte Zeit haben könnten. Die letzten regelmäßigen Zahlungen lägen 10 Jahre zurück; die Zahlung einer Rate in Höhe von 100 DM am 3. September 1991 sei lediglich als unschädliche Einmalzahlung anzusehen. Ein Widerruf der Ratenzahlungsbewilligung zur Beendigung des Vollstreckungsaufschubs sei auch deshalb nicht erforderlich gewesen, weil nach dem Inhalt der Vereinbarung der gesamte geschuldete Betrag fällig werde, sobald der Antragsteller mit zwei Monatsraten in Verzug geraten sei.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Dem Antragsteller kann, wie von der Vorinstanz jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden, PKH nicht gewährt werden, weil es an dem Bewilligungserfordernis der hinreichenden Erfolgsaussicht für das Klageverfahren fehlt (§142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. §114 der Zivilprozeßordnung).
Das FG hat nicht geprüft, ob die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die vom Antragsteller, der von einem kundigen Prozeßbevollmächtigten vertreten ist, erhobene Feststellungsklage (§41 FGO) erfüllt sind und damit die Klage überhaupt zulässig ist. Es hat weder geprüft, ob der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung (Erlöschen der Haftungsschuld und der dazugehörigen Zinsschuld) hat (§41 Abs. 1 FGO), noch hat es untersucht, ob dieser die begehrte Feststellung nicht vorrangig im Wege einer Gestaltungsklage hätte erreichen können (§41 Abs. 2 Satz 1 FGO). Der Senat ist der Auffassung, daß die erhobene Feststellungsklage, für die PKH begehrt wird, wegen Subsidiarität unzulässig ist und schon deshalb keine Aussicht auf Erfolg hat.
Der Antragsteller stützt seine Klage ausschließlich darauf, daß hinsichtlich des Mineralölsteuerhaftungsbescheids und des Zinsbescheids Zahlungsverjährung (§228 AO 1977) eingetreten sei und daher die Ansprüche des HZA aus dem Steuerschuldverhältnis (§37 Abs. 1 AO 1977) erloschen seien (§232, §47 AO 1977). Bestehen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde -- wie im Streitfall -- Meinungsverschiedenheiten darüber, ob eine Zahlungsverpflichtung, auch aus Haftungsbescheiden und Zinsbescheiden (§218 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), erloschen ist, so ist diese Frage durch Verwaltungsakt (Abrechnungsbescheid) zu klären (§218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977), der entweder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder ggf. von Amts wegen zu erlassen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. März 1968 VII 306/64, BFHE 92, 160, BStBl II 1968, 501; vom 21. Januar 1977 III R 125/73, BFHE 121, 284, BStBl II 1977, 396; vom 14. Januar 1997 VII R 66/96, BFHE 182, 262). Gegen den Abrechnungsbescheid stehen dem Steuerpflichtigen Einspruch (§347 AO 1977) und Anfechtungsklage (§40 Abs. 1 FGO), mithin eine vorrangige Rechtsschutzmöglichkeit, zu. Für die Frage, ob eine Steuer-, Haftungs- oder Zinsschuld noch besteht oder schon erloschen ist, ist daher die Zulässigkeit einer dahingehenden Feststellungsklage ausgeschlossen (BFHE 121, 284, BStBl II 1977, 396; Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §218 AO 1977 Rz. 131; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §218 AO 1977 Rz. 10).
Eine Umdeutung des Klagebegehrens in eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage (s. dazu Senatsurteil vom 13. Oktober 1983 VII R 146/82, BFHE 139, 491, BStBl II 1984, 183) kommt im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil vor Klageerhebung ein Abrechnungsbescheid weder vom Antragsteller beantragt noch vom HZA erlassen worden ist und es daher an der Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens fehlen würde.
Soweit der Antragsteller mit seiner Feststellungsklage ein über die bloße Feststellung des Erlöschens seiner Steuerschulden hinausgehendes Ziel, etwa im Bereich des Vollstreckungsschutzes, verfolgen sollte, was allerdings aus seinem Beschwerdevorbringen nicht deutlich wird, und hierfür ggf. ein Feststellungsinteresse bestehen würde, wäre der Klage bei summarischer Betrachtung jedenfalls mit der vom FG gegebenen Begründung der Erfolg zu versagen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine vereinbarte oder durch die Finanzbehörde durch Verwaltungsakt bewilligte Ratenzahlung jedenfalls dann als Maßnahme des Vollstreckungsaufschubs i. S. des §258 AO 1977 anzusehen, wenn die Gewährung der Ratenzahlung aus Rücksichtnahme für eine längere Zeitspanne auf die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Vollstreckungsschuldners zur Vermeidung sofortiger Vollstreckungsmaßnahmen erfolgt (BFH-Urteile vom 23. Mai 1985 V R 124/79, BFHE 143, 512, BStBl II 1985, 489; vom 26. April 1988 VII R 127/85, BFH/NV 1989, 71; vom Oktober 1989 V R 106/84, BFHE 158, 306, BStBl II 1990, 179; vom 22. Juni 1990 III R 150/85, BFHE 161, 4, BStBl II 1991, 864). Dies trifft nach den Feststellungen des FG im Streitfall zu.
Da die Gewährung von Ratenzahlungen auch durch Bescheid erfolgt ist, der dem Vollstreckungsschuldner mitgeteilt worden ist (vgl. Senatsurteil vom 23. April 1991 VII R 37/90, BFHE 164, 392, BStBl II 1991, 742), hat der Vollstreckungsaufschub eine die Zahlungsverjährung unterbrechende Wirkung (§231 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Die Unterbrechung dauert solange fort, bis der Vollstreckungsaufschub abgelaufen ist (§231 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Bei unbefristet gewährter Ratenzahlung unter Widerrufsvorbehalt wird von einem "Ablauf" des Vollstreckungsaufschubs erst dann die Rede sein können, wenn die zuständige Finanzbehörde von dem Widerrufsvorbehalt Gebrauch gemacht oder den rechtmäßig begünstigenden Verwaltungsakt aus anderen Gründen widerrufen hat (§131 Abs. 2 bis 4 AO 1977). Die bloße Nichterfüllung der Ratenzahlungsverpflichtung durch den begünstigten Steuerschuldner führt nicht automatisch zum Ablauf des Vollstreckungsaufschubs, wie der Antragsteller meint.
Nach alledem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 67126 |
BFH/NV 1998, 686 |