Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Abfärbewirkung bei geringfügiger Gewerbetätigkeit
Leitsatz (NV)
Im summarischen Verfahren ist ernstlich zweifelhaft, dass die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auch auf eine Personengesellschaft mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft anzuwenden ist, die eine originär gewerbliche Tätigkeit in geringem Umfang (hier 2,81 v.H. des Gesamtumsatzes) entfaltet.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
FG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 15.09.2003; Aktenzeichen 1 V 839/03) |
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine BGB-Gesellschaft mit drei Gesellschaftern, die im Juli 1993 die Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebs der "V-GbR" mit ca. 337 ha Ackerlandes übernahm. Die Bewirtschaftung dieser Flächen wurde dann mit Vertrag vom 1. Juli 1996 der neu gegründeten beteiligungsidentischen "W-GbR" (W) übertragen, die allerdings nicht über einen ausreichenden Maschinenpark und genügend Arbeitskräfte verfügte. Deshalb überließ ihr die Antragstellerin Maschinen und Personal gegen (als Aufwendungsersatz bezeichnetes) Entgelt zu folgenden Beträgen:
Wirtschaftsjahr 1996/97 |
72 650 DM |
Wirtschaftsjahr 1997/98 |
71 600 DM |
Wirtschaftsjahr 1998/99 |
67 250 DM |
Wirtschaftsjahr 1999/00 |
73 786 DM |
Dabei wurden für die Überlassung eines Ackerschleppers 25 DM/Stunde und für die Überlassung einer Arbeitskraft 20 DM/Stunde berechnet.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin sah der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt ―FA―) in der Überlassung der Maschinen und Arbeitskräfte an die W eine gewerbliche Tätigkeit, die die gesamte Tätigkeit der Antragstellerin "infiziere". Auf dieser Grundlage ergingen die angefochtenen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1996 bis 2000 sowie die gleichermaßen angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 1997 bis 1999 und Gewerbesteuermessbescheide 1997 bis 2000. Dagegen erhob die Antragstellerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage, über die noch nicht entschieden ist.
Zugleich beantragte die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Bescheide, nachdem diese vom FA abgelehnt worden war. Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag statt und setzte die Vollziehung der angefochtenen Bescheide mit der Begründung aus, bei einem Umsatzanteil der originär gewerblichen Tätigkeit von maximal 2,81 v.H. der gesamten Umsätze sei es zweifelhaft, von einer Abfärbewirkung auszugehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe im Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98 (BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229) entschieden, dass § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Fällen geringfügiger gewerblicher Betätigung nicht anzuwenden sei. Ob neben dieser relativen noch eine absolute Umsatzgrenze zu beachten sei, könne im Eilverfahren ebenso wenig entschieden werden wie die Frage, ob die Überlassung von Maschinen und Arbeitskräften gegen Aufwendungsersatz überhaupt eine gewerbliche Tätigkeit sei.
Mit der ―vom FG zugelassenen― Beschwerde macht das FA im Wesentlichen geltend, die Überlassung der Maschinen und Arbeitskräfte habe gerade nicht die Anforderungen erfüllt, die der BFH für das sog. Ausgliederungsmodell verlangt habe. Die Antragstellerin sei auch deshalb gewerblich tätig geworden, weil sie mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt habe. Denn entgegen dem Vortrag der Antragstellerin seien sowohl die Löhne als auch die Maschinenstunden auf der Grundlage von Entgelten kalkuliert worden, die man auch fremden Dritten in Rechnung gestellt hätte. Schließlich könnten die durch die gewerbliche Betätigung erzielten Umsätze auch nicht als geringfügig betrachtet werden. Anders als in dem vom XI. Senat des BFH entschiedenen Fall (in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229), in dem es sich nur um unbedeutende Hilfsgeschäfte gehandelt habe, seien die schädlichen Umsätze im Streitfall in Anbetracht ihrer absoluten Höhe durchaus geeignet, der Antragstellerin ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Denn immerhin habe der BFH (in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229) mit seiner Formulierung "jedenfalls bei einem Anteil von 1,25 % … " bewusst auf eine weitere Ausfüllung des von ihm verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffs eines "äußerst geringen Anteils" verzichtet. Im Streitfall aber sei diese Grenze um mehr als das Doppelte überschritten.
Das FA beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag auf AdV zurückzuweisen.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen, zugleich aber ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen auch nach Auffassung des beschließenden Senats ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
1. Dabei kann dahinstehen, ob die Antragstellerin tatsächlich nur Aufwendungsersatz für die Überlassung der Maschinen und Arbeitskräfte gefordert und erhalten hat. War dies der Fall, so führen die Einnahmen nach Auffassung der Finanzverwaltung schon mangels Gewinnerzielungsabsicht nicht zu Einkünften aus Gewerbebetrieb und schließen damit eine Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG aus (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 14. Mai 1997 IV B 4 - S 2246 - 23/97, BStBl I 1997, 566, Nr. 5). Die Antragstellerin hat dies substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, das FA hat dies in seiner Beschwerdebegründung im Einzelnen bestritten. Insoweit bedarf es eingehender Tatsachenfeststellungen, die im summarischen Verfahren nicht getroffen werden können und die daher dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen.
2. Aber auch eine vorläufige Entscheidung des Senats zur Gewinnerzielungsabsicht ist entbehrlich; denn selbst wenn man ―dem FA folgend― davon ausgehen wollte, dass die Überlassung von Maschinen und Personal mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt sein sollte, ist der darauf entfallende, vom FA für die Streitjahre ermittelte Umsatz von höchstens 2,81 v.H. des Gesamtumsatzes der Antragstellerin derart geringfügig, dass er bei summarischer Prüfung der Rechtslage nicht zu einer Umqualifizierung der land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte der Antragstellerin führen kann. Der beschließende Senat folgt insoweit den Ausführungen des XI. Senats des BFH in seinem Urteil in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 und wendet den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Streitfall an.
a) Allerdings ist das Eilverfahren nicht geeignet, endgültige Aussagen über die Höhe einer die Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG beschränkenden Geringfügigkeitsgrenze zu treffen. Ob daher die sonst übliche 10 v.H.-Grenze anzuwenden wäre (s. nur Senatsurteil vom 2. Oktober 2003 IV R 13/03, BFHE 203, 373, m.w.N., unter 1. b der Entscheidungsgründe) oder im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 10. August 1994 I R 133/93 (BFHE 175, 357, BStBl II 1995, 171) ein geringerer Anteil maßgebend sein könnte, ist allenfalls im Hauptsacheverfahren zu klären. Im Urteil in BFHE 175, 357, BStBl II 1995, 171 jedenfalls hat der damals noch für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit zuständige I. Senat des BFH die gewerbliche Treuhandtätigkeit eines Steuerberaters mit einem Anteil von 6,27 v.H. am Gesamtgewinn der Sozietät als schädlich angesehen und sich im Übrigen gegen eine Anwendung des Geringfügigkeitsgedankens überhaupt ausgesprochen. Im Streitfall geht der Senat im summarischen Verfahren jedenfalls davon aus, dass bei einem gewerblichen Umsatzanteil in den Streitjahren von bis zu 2,81 v.H. des Gesamtumsatzes aus land- und forstwirtschaftlichem Betrieb die Rechtsfolge des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht eintritt.
b) Ernstliche Zweifel bestehen aber auch insoweit nicht, als die originär gewerblichen Erlöse der Antragstellerin eine etwaige absolute Geringfügigkeitsgrenze übersteigen könnten. Ob eine solche Grenze, wie im Schrifttum angeregt (s. etwa Kempermann, Deutsches Steuerrecht 2002, 664, m.w.N.), erforderlich sein könnte, wird ebenfalls im Hauptsacheverfahren zu entscheiden sein. Schon aus Gründen des Sachzusammenhangs bietet sich hierfür die Freibetragsgrenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes an, die im Streitfall aber kaum überschritten sein dürfte. Die Erträge aus der Überlassung von Maschinen und Personal werden in den Streitjahren selbst dann weit geringer ausgefallen sein als die festgestellten Umsätze, wenn man mit dem FA davon ausgeht, dass die Antragstellerin mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt und tatsächlich auch Gewinne erzielt hat.
3. Die ernstlichen Zweifel des Senats an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide erfassen auch die Gewerbesteuermessbescheide, die voraussetzen, dass die Antragstellerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat. Auch die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide beruhen auf dieser Annahme, weil die Versteuerung nach Durchschnittsätzen gemäß § 24 des Umsatzsteuergesetzes nur für land- und forstwirtschaftliche Betriebe in Betracht kommt.
Fundstellen
Haufe-Index 1143931 |
BFH/NV 2004, 954 |