Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz und grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
1. Eine Abweichung i.S. des §115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist nur dann gegeben, wenn dieselbe Rechtsfrage für zumindest vergleichbare Sachverhalte anders entschieden worden ist.
2. Allein der Vortrag, es sei durch BFH- Rechtsprechung klärungsbedürftig, ob ein Steuerpflichtiger, der sich in eine psychotherapeutische Langzeitbehandlung begibt, nach der Einstellung der Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse den Nachweis über die Notwendigkeit der Fortsetzung der Behandlung allein durch Vorlage einer fachärztlichen Bescheinigung führen kann, genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; denn er entbehrt jeglicher Stellungnahme darüber, daß und warum die Rechtsfrage durch bislang vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht geklärt sei.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 3; EStG §33 Abs. 2
Gründe
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
1. Divergenz i.S. des §115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist nicht gegeben. Eine solche Abweichung setzt voraus: Es muß dieselbe Rechtsfrage für zumindest vergleichbare Sachverhalte anders entschieden worden sein (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm. 17 und 21ff.; Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 11. Dezember 1992 III B 28/91, BFH/NV 1993, 610, und vom 1. Juli 1996 VIII B 113/95, BFH/NV 1997, 26, jeweils m.w.N.). Das trifft, bezogen auf das angefochtene Urteil, im Verhältnis zu den in der Beschwerdebegründung aufgeführten BFH-Urteilen vom 13. Februar 1987 III R 208/81 (BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427) und vom 23. Oktober 1987 III R 64/85 (BFH/NV 1988, 149) nicht zu, und zwar schon deshalb nicht, weil die in Frage stehenden höchstrichterlichen Rechtssätze in ihrem entscheidungserheblichen Inhalt die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen für nicht eindeutig der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienende Maßnahmen betreffen, während hier ein Fall zu beurteilen war, in dem es um eine gezielte, medizinisch indizierte Behandlung zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit durch eine gesetzlich zur Ausübung der Heilkunde zugelassene Person, nämlich einen von der gesetzlichen Krankenkasse anerkannten Psychotherapeuten, ging (vgl. hierzu z.B. die BFH-Urteile vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596; vom 14. August 1997 III R 67/96, BFHE 183, 561, BStBl II 1997, 732).
2. Die vom Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt -- FA --) in der Beschwerdeschrift behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht schlüssig dargelegt.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschluß des BFH vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muß in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Der Beschwerdeführer muß dabei konkret auf die Rechtsfrage und auf ihre Klärungsbedürftigkeit sowie auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479 und vom 31. März 1995 XI B 151/94, BFH/NV 1995, 1071).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Das FA hat mit der Frage, ob ein Steuerpflichtiger, der sich in eine psychotherapeutische Langzeitbehandlung begibt, den Nachweis über die Notwendigkeit der Fortsetzung der Behandlung allein durch Vorlage einer fachärztlichen Bescheinigung führen könne, nachdem die gesetzliche Krankenkasse die Übernahme der Kosten eingestellt hat, zwar eine konkrete Rechtsfrage herausgestellt. Das FA hat aber die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage nicht ausreichend dargetan; denn die herausgestellte Rechtsfrage ist bereits geklärt und die erneute Klärungsbedürftigkeit wurde in der Beschwerdeschrift nicht dargelegt. Nach der Rechtsprechung des BFH werden alle Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne daß es im Einzelfall nach §33 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes gebotenen Prüfung dem Grunde und der Höhe nach bedarf (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 26. Juni 1992 III R 8/91, BFHE 169, 37, BStBl II 1993, 278; vom 10. Oktober 1996 III R 118/95, BFH/NV 1997, 337). Der Begriff der Heilbehandlung umfaßt dabei nach der Rechtsprechung des BFH alle Eingriffe und andere Behandlungen, die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern (BFH-Urteil in BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596, und vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805).
Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß auch eine durch die Rechtsprechung des BFH geklärte Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn neue gewichtige Gesichtspunkte und Stimmen auftauchen, die diese Rechtsprechung in Frage stellen und eine erneute Überprüfung in einem Revisionsverfahren als veranlaßt erscheinen lassen. Solche gewichtige Zweifel hat das FA indes nicht dargetan. Das FA hat zwar vorgetragen, sowohl R 189 Abs. 1 der (im Streitjahr noch nicht geltenden) Einkommensteuer- Richtlinien (EStR) 1996 als auch das Niedersächsische Finanzgericht in seiner von ihm, dem FA, beigebrachten Entscheidung vom 22. Mai 1991 X III 315/89 verlangten zum Nachweis für die Notwendigkeit einer psychotherapeutischen Behandlung die Vorlage eines vor der Behandlung ausgestellten amts- oder vertrauensärztlichen Zeugnisses. Damit hat das FA jedoch die (erneute) Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht schlüssig dargelegt. Es hat sich insbesondere nicht substantiiert mit dem von ihm zitierten Urteil des Niedersächsischen FG befaßt, das -- entgegen der Behauptung in der Beschwerdeschrift -- die Klage deshalb abgewiesen hat, weil für das Streitjahr überhaupt kein Nachweis über die Notwendigkeit der Behandlung geführt worden war. Ebensowenig hat sich das FA in genügender Weise mit der vorgenannten Rechtsprechung des BFH auseinandergesetzt, nach der regelmäßig eine ärztliche Verordnung als Nachweis ausreicht.
Darauf, ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein könnte, wenn der Hinweis des FA auf die Änderung der EStR bereits das Streitjahr beträfe, braucht der Senat unter den gegebenen Umständen nicht einzugehen.
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810) ohne Angabe weiterer Gründe.
Fundstellen
Haufe-Index 302814 |
BFH/NV 1999, 65 |