Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge des Verstoßes gegen das Recht auf Akteneinsicht und gegen die Sachaufklärungspflicht; Anhörungsrüge
Leitsatz (NV)
1. Ein Verstoß gegen das Recht auf Akteneinsicht liegt nur dann vor, wenn einem Beteiligten die Akteneinsicht ausdrücklich verwehrt wurde, nicht aber, wenn der Antragsteller ein Benachrichtigungsschreiben über Ort und Zeit einer möglichen Akteneinsicht nicht erhalten hat.
2. Die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG und des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Übergehen eines Beweisantrages bedarf insbesondere einer Darlegung der ermittlungsbedürftigen Tatsachen, sowie, inwiefern das Urteil aufgrund der sachlich-rechtlichen Auffassung des FG auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann.
3. Die Anhörungsrüge hemmt nicht die Rechtskraft eines die Nichtzulassungsbeschwerde verwerfenden Beschlusses, soweit die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung nicht ausdrücklich ausgesetzt wird.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 2 S. 2, § 76 Abs. 1, §§ 78, 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 133a
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 17.01.2006; Aktenzeichen 6 K 4832/01) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels setzt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die schlüssige Darlegung des Mangels und weiter voraus, dass der Verfahrensfehler tatsächlich auch vorliegt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 93 f. und § 116 Rz 48 f.).
1. Aus dem Vortrag der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), die beantragte Akteneinsicht sei nicht gewährt worden, da sie das im Urteil des Finanzgerichts (FG) aufgeführte Benachrichtigungsschreiben vom 30. Januar 2002 über den Ort und die Zeit einer möglichen Akteneinsicht nicht erhalten hätten, ergibt sich keine schlüssige Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen Verstoßes gegen § 78 FGO (Recht auf Akteneinsicht). Die Kläger machen damit lediglich geltend, das FG habe nach der Beantragung der Akteneinsicht nicht reagiert. Dies reicht nicht aus, um die Annahme zu rechtfertigen, das FG habe die Akteneinsicht verweigert. Ein Verstoß gegen § 78 Abs. 1 FGO liegt nur dann vor, wenn einem Beteiligten die Akteneinsicht ausdrücklich verwehrt wurde (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Mai 1998 II B 109/97, BFH/NV 1998, 1498; vom 24. Mai 2005 X B 170/04, juris Nr: STRE200550939). § 78 Abs. 1 FGO geht davon aus, dass die Beteiligten jederzeit bei der Geschäftsstelle des Gerichts in die Gerichtsakten und in die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen können (BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 1498).
Im Übrigen besteht kein Anspruch auf Einsicht in Akten, die dem Gericht nicht vorliegen (BFH-Beschluss vom 8. Oktober 2003 VII B 321/02, BFH/NV 2004, 499). Der Anspruch auf rechtliches Gehör begründet lediglich das Recht der Beteiligten, in die Gerichtsakten und die vom Gericht als Grundlage seiner Entscheidung als notwendig erachteten und hierfür vorgelegten oder beigezogenen Akten Einsicht zu nehmen (BFH-Beschluss vom 12. November 2003 VII B 347/02, BFH/NV 2004, 511). Die Beteiligten können nicht verlangen, dass sich das Gericht zum Zwecke der Akteneinsicht vom Finanzamt Akten vorlegen lässt, die es für seine Entscheidungsfindung nicht benötigt, zumal wenn diese Akten --wie im Streitfall-- ein anderes Steuersubjekt betreffen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 511).
2. Die Revision ist auch nicht wegen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO und des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Übergehen eines Beweisantrages zuzulassen. Hierzu hätten die Kläger insbesondere die ermittlungsbedürftigen Tatsachen darlegen sowie ausführen müssen, inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann.
Die Kläger tragen hierzu lediglich vor, der am 13. Januar 2006 gestellte Beweisantrag hätte bezeugen können, "dass in den Jahren 1996 und 1997 die Vertragsverhältnisse, auch wie sie tagtäglich gelebt worden sind, nicht identisch waren mit dem, was die Betriebsprüfung festgestellt haben will und was Grundlage der angefochtenen Steuerbescheide ist". Daraus ist weder zu entnehmen, welche konkreten Tatsachen bezeugt werden sollten, noch dass das FG aufgrund dessen zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können; das FG hat sich nämlich maßgeblich auf die Einlassungen des ehemaligen Prozessvertreters der Kläger gestützt und darauf, dass eine Lohnsteuer nicht anzurechnen sei, weil jedenfalls keine Lohnsteuer einbehalten worden sei.
3. Unzutreffend ist ferner, dass das den ehemaligen Bevollmächtigten der Kläger betreffende Zurückweisungsverfahren zum Zeitpunkt der Klageentscheidung noch nicht formell rechtskräftig abgeschlossen gewesen sei. Der BFH hatte die von dem Bevollmächtigten eingelegte Beschwerde gegen seine Zurückweisung gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO mit Beschluss vom 10. Oktober 2005 XI B 27/05 als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Anhörungsrüge hemmt die Rechtskraft des Beschlusses (§ 155 FGO i.V.m. § 705 der Zivilprozessordnung) nicht, soweit nicht die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung gemäß § 133a Abs. 6, § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO ausdrücklich ausgesetzt wird (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 133a Rz 2, 19).
Fundstellen
Haufe-Index 1692580 |
BFH/NV 2007, 737 |