Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Nacherhebung von Einfuhrabgaben wegen unzutreffend angemeldeter Zollwerte
Leitsatz (NV)
Zur schlüssigen Darlegung der Gründe für die Zulassung der Revision, insbesondere der Divergenz, der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie des Verfahrensmangels eines überwiegend übergangenen Beweisantrags.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 29.06.2005; Aktenzeichen 4 K 2065/02 Z) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) führte in dem hier streitigen Zeitraum April 1997 bis Oktober 1999 Motorradkleidung aus P ein, welche sie von der dort ansässigen Fa. A bezog. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) erhob hinsichtlich 195 Zollbescheiden aus diesem Zeitraum Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) mit der Begründung nach, dass Feststellungen im Rahmen einer Außenprüfung ergeben hätten, dass die Klägerin an die Fa. A gelieferte Beistellungen nicht in den angemeldeten Zollwert einbezogen habe und dass für bestimmte Einfuhrwaren die vorgelegten Ursprungszeugnisse zu Unrecht ausgestellt worden seien, weil die Fa. A erhebliche Mengen an verwendetem Material aus K bezogen habe. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Auf die hiergegen erhobene Klage hob das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Bescheid teilweise auf, weil es einen Teil der festgesetzten Einfuhrabgaben für verjährt hielt, wies aber im Übrigen die Klage ab. Das FG urteilte, dass die angemeldeten Transaktionswerte der Zollwertermittlung nicht zugrunde gelegt werden könnten, weil der Wert der der Fa. A unentgeltlich zur Verfügung gestellten Beistellungen nicht feststehe. Nach den von den Prüfern getroffenen Feststellungen, die sich anhand der Akten ohne weiteres nachvollziehen ließen, sei davon auszugehen, dass die Klägerin der Fa. A in erheblichem Umfang Material unentgeltlich überlassen habe und dass der Wert dieser Beistellungen nicht angemeldet bzw. in den vorgelegten sog. support invoices zu niedrig angegeben worden sei. Darüber hinaus könnten die angemeldeten Transaktionswerte wegen festgestellter Preisvariationen nicht anerkannt werden. Die mit den Zollanmeldungen vorgelegten Rechnungen seien so variiert worden, dass Waren, für die ein hoher Zollsatz gegolten habe, mit einem geringeren Preis ausgewiesen worden seien, was dann bei anderen Waren, für die ein niedrigerer Zollsatz gegolten habe, entsprechend ausgeglichen worden sei. Da auch eine Ermittlung der Zollwerte gemäß Art. 30 Abs. 2 des Zollkodex (ZK) mangels der hierfür erforderlichen Informationen ausscheide, habe das HZA die Zollwerte gemäß Art. 31 ZK auf der Grundlage der in den Geschäftsräumen der Klägerin vorgefundenen Einkaufspreislisten ermitteln dürfen. Es sei davon auszugehen, dass die Angaben in diesen Preislisten im Wesentlichen den tatsächlichen Einkaufspreisen entsprächen. Auch habe das HZA zu Recht den Regelzollsatz der Abgabenberechnung zugrunde gelegt. Die Klägerin könne eine Zollpräferenz nicht beanspruchen, weil die vorgelegten Ursprungszeugnisse nach Formblatt A unrichtig gewesen seien, denn die Fa. A habe für die Herstellung der von der Klägerin eingeführten Waren in erheblichem Umfang verschiedene Gewebearten, Zutaten und Zubehör aus K bezogen. Selbst wenn man von einem Irrtum der Behörden in P bei der Auslegung der Ursprungsbestimmungen ausgehen wollte, könnten die Einfuhrabgaben nacherhoben werden, weil dieser Irrtum von der Klägerin hätte erkannt werden können.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
1. Soweit die Beschwerde rügt, dass das FG den in mehreren Aktenordnern vorgelegten Abgabenberechnungen der Klägerin nicht gefolgt sei und ihren diesbezüglichen Beweisantrag, zur Richtigkeit dieser Berechnungen ein Sachverständigengutachten einzuholen, übergangen habe, wird ein Verfahrensmangel nicht dargelegt.
Zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels eines vom FG übergangenen Beweisantrags gehört nach ständiger Rechtsprechung (u.a.) auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und BFH-Beschluss vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge (Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).
An entsprechenden Darlegungen der Beschwerde fehlt es im Streitfall; auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG ergibt sich kein Hinweis, dass die Klägerin Beweisanträge gestellt oder das Übergehen zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisanträge gerügt hat. Vielmehr haben die Klägervertreter nach der Vernehmung der erschienenen Zeugen durch das FG rügelos zur Sache verhandelt und den Klageantrag gestellt. Auf die Rüge ist damit wirksam verzichtet worden, so dass die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben kann. Weshalb die Klägerin --wie sie mit der Beschwerde vorträgt-- nach dem Gang der mündlichen Verhandlung davon habe ausgehen dürfen, dass das FG ihre Abgabenberechnungen berücksichtigen würde, so dass eine Rüge nicht nötig erschienen und die Entscheidung des FG, ihre Abgabenberechnungen nicht zugrunde zu legen, eine Überraschungsentscheidung sei, erschließt sich nicht. Ob die mit den Zollanmeldungen vorgelegten Rechnungen und sog. support invoices Grundlage für die Ermittlung des Transaktionswertes der Waren sein konnten, war von Anfang an das entscheidende Problem des Falles. Die Klägerin hatte keinen Anlass anzunehmen, dass das FG nunmehr ihren eigenen Berechnungen folgen würde. Auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ergibt sich nichts, was zu einer solchen Annahme hätte führen können; die Abgabenberechnungen der Klägerin werden dort nicht erwähnt.
Das Gleiche gilt, soweit die Beschwerde die vom FG unterlassene Beweisaufnahme zu den Ursachen der Preisnachlässe als Verfahrensmangel geltend macht: Dass die Klägerin das Übergehen dieses schriftsätzlich gestellten Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung gerügt hat, ist weder dargelegt noch ersichtlich.
2. Dass das FG --wie die Beschwerde behauptet-- von unterschiedlichen, in sich widersprüchlichen Behauptungen ausgegangen ist, stellt keinen Verfahrensmangel dar (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 81). Im Übrigen trifft diese Behauptung nicht zu. Zum einen gibt das FG an der von der Beschwerde angesprochenen Stelle auf S. 5 des Urteils nur den Vermerk der Prüfer wieder. Zum anderen bezieht sich die Angabe, die Fa. A habe seit Anfang 1998 die Materialien bezahlt, auf die aus K bezogenen Materialien; der Schluss, dass ab diesem Zeitpunkt keine unentgeltlichen Beistellungen seitens der Klägerin mehr erfolgt seien, ist daher nicht gerechtfertigt. Darüber hinaus hat das FG seine Entscheidung, dass die Zollwertermittlung anhand des Transaktionswertes ausscheide, auch auf die festgestellten Preisvariationen in den Rechnungen gestützt.
3. Mit ihrer Behauptung, dass die Verbundenheit zwischen der Klägerin und der Fa. A den Preis nicht beeinflusst habe, legt die Beschwerde keinen Verfahrensmangel dar. Im Übrigen hat das FG die Zollwertermittlung anhand des Transaktionswertes nicht wegen der Verbundenheit von Käufer und Verkäufer verneint. Auch mit ihrer Ansicht, dass der Zollwert jedenfalls nach der Methode des Art. 30 Abs. 2 Buchst. d ZK hätte ermittelt werden müssen, wendet sich die Beschwerde lediglich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, womit jedoch kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird. Das Gleiche gilt, soweit die Beschwerde es für unzutreffend hält, dass bei der Ermittlung der Zollwerte gemäß Art. 31 ZK die Einstandspreislisten der Klägerin zugrunde gelegt worden sind. Die Behauptung der Beschwerde, dass das FG sich mit den diesbezüglichen Einwendungen der Klägerin hinsichtlich der in den Einstandspreislisten nicht berücksichtigten Risikofaktoren und Unwägbarkeiten nicht auseinandergesetzt habe, trifft --wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt-- nicht zu. Das FG ist diesen Einwendungen allerdings nicht gefolgt, was jedoch --anders als die Beschwerde offenbar meint-- kein Verfahrensmangel ist.
4. Seine Ansicht, dass die vorgelegten Ursprungszeugnisse unrichtig gewesen seien, hat das FG auf die Feststellung gestützt, dass die Fa. A für die Herstellung der von der Klägerin eingeführten Waren in erheblichem Umfang verschiedene Gewebearten, Zutaten und Zubehör aus K bezogen habe. Welche weiteren konkreten Tatsachen zu ermitteln das FG insoweit unterlassen hat, zeigt die Beschwerde nicht auf. Anders als die Beschwerde offenbar meint, hat auch dieser Punkt mit der Frage der unentgeltlichen Beistellungen nichts zu tun.
5. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfasst zunächst die Fälle der sog. Divergenzrevision. Die ordnungsgemäße Erhebung einer Divergenzrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. Juli 2002 II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482, und vom 11. September 2003 X B 103/02, BFH/NV 2004, 180). Darüber hinaus erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH, wenn die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage nur durch eine Entscheidung des BFH gesichert werden kann. Hierzu ist der schlüssige Vortrag erforderlich, dass die angestrebte BFH-Entscheidung geeignet und notwendig ist, künftige unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen über die betreffende Rechtsfrage zu verhindern (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juli 2002 XI B 136/01, BFH/NV 2002, 1479, m.w.N.). Zur Darlegung dieser Voraussetzungen ist es mindestens erforderlich, dass das Urteil, von dem die Vorinstanz abgewichen ist, und der Rechtssatz den sie falsch angewandt oder ausgelegt hat, bezeichnet werden (BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).
Es ist zweifelhaft, ob die Beschwerde diesen Darlegungsvoraussetzungen genügt, denn sie stellt der vom FG vertretenen Ansicht, dass die Nichtanerkennung der Ursprungszeugnisse im Streitfall nicht die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens voraussetze, im Wesentlichen lediglich ihre eigene Ansicht entgegen, wonach ein Präferenznachweis grundsätzlich nicht ohne vorherige Nachprüfung zurückgewiesen werden dürfe, und verweist zudem darauf, dass für die im Streitfall vorgelegten Ursprungszeugnisse teilweise Nachprüfungsverfahren mit für die Klägerin positivem Ergebnis durchgeführt worden seien.
Jedenfalls trifft das Vorbringen der Beschwerde nicht zu, dass die angefochtene FG-Entscheidung von dem Beschluss des beschließenden Senats vom 10. Juni 1997 VII B 198/96 (BFH/NV 1998, 363) abweiche. Ein Rechtssatz, wonach die Nichtanerkennung von Ursprungsnachweisen die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens nur dann nicht erfordert, wenn ein Fehlverhalten oder eine mangelnde Zusammenarbeit der Behörden des Ausfuhrstaates vorliegt, lässt sich jener Senatsentscheidung nicht entnehmen. Auch der Senatsbeschluss vom 11. November 1997 VII B 265/96 (BFH/NV 1998, 753), in dem es heißt, dass die Präferenz auch ohne Nachprüfungsverfahren versagt werden kann, wenn sich die Unrichtigkeit der in den Ursprungsnachweisen gemachten Angaben aus anderen Quellen zur Überzeugung der Behörde des Einfuhrstaates erschließt, steht der vom FG im Streitfall getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Die weiteren Entscheidungen des beschließenden Senats sowie des III. und VIII. Senats des BFH sind für die Frage der Anerkennung von Ursprungsnachweisen nicht einschlägig. Im Übrigen lässt die Beschwerde mit ihrem Vorbringen, dass die hinreichend fundierte Überzeugung von der Fehlerhaftigkeit der Präferenzgewährung vorliegen müsse, außer Acht, dass das FG im Streitfall eine solche Überzeugung gewonnen hat.
6. Mit dem Vorbringen der Beschwerde, dass das FG mit seiner Entscheidung, dass die Klägerin den Irrtum der Behörden in P --sollte er vorliegen-- hätte erkennen können, die Anforderungen an den Abgabenschuldner überspanne, wird ein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht dargelegt.
Fundstellen