Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH auf Beschwerde für Klageverfahren nach PKHGewährung für das Beschwerdeverfahren; Aufhebung früherer Veräußerungsgeschäfte der Gesellschaft nach grunderwerbsteuerrechtlicher Anteilsübertragung
Leitsatz (NV)
1. Einem Kl., dessen Antrag auf PKH für das Klageverfahren vom FG abgelehnt worden ist, ist wegen Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn er infolge seiner Mittellosigkeit unverschuldet außerstande war, die Beschwerdefrist zu wahren. Unverschuldet ist die Fristversäumnis, wenn der Kl. innerhalb der Beschwerdefrist einen den Anforderungen entsprechenden Antrag auf PKH-Gewährung für die Beschwerdeeinlegung verbunden mit dem Antrag gestellt hat, ihm einen postulationsfähigen Vertreter beizuordnen.
2. Zur Gewährung von Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist aus § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO unter solchen Umständen (Leitsatz 1).
3. Ein Grundstück ,,gehört" i. S. des § 1 Abs. 3 GrEStG Bay zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es ihr auf Grund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG Bay fallenden Erwerbsvorganges grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Dementsprechend gehört ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch im Eigentum der Gesellschaft steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zugerechnet wird, es aber vor Entstehung der Steuerschuld (§ 1 Abs. 3 GrEStG Bay) Gegenstand eines Veräußerungsvorganges ist.
4. Es ist zweifelhaft, ob bei einer Aufhebung des Veräußerungsvorganges (vgl. Leitsatz 3) rückwirkend angenommen werden kann, die Zugehörigkeit zum Vermögen der Gesellschaft sei nicht beendet worden.
Normenkette
FGO §§ 56, 142; GrEStG Bay § 1 Abs. 1; GrEStG Bay § 1 Abs. 2; GrEStG Bay § 1 Abs. 3; GrEStG Bay § 17; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1-3, § 16; ZPO § 114
Verfahrensgang
Tatbestand
Hinsichtlich des Anfechtungsgegenstandes und des mit der Klage vor dem FG verfolgten Begehrens wird auf den Senatsbeschluß vom 17. Juli 1985 II S 5/85 (BFH/NV 1986, 115) Bezug genommen. Den für die Durchführung dieses Klageverfahrens gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hat das FG mit Beschluß vom 19. April 1985 deshalb abgelehnt, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.
Dem innerhalb der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen diesen Beschluß gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung eines Prozeßvertreters hat der Senat mit dem o. a. Beschluß entsprochen. Dieser Beschluß ist dem Kl. am 7. August 1985 zugestellt worden. Dem Antrag des Kl. vom 8. August 1985, ihm einen anderen Prozeßvertreter beizuordnen, hat der Senat mit Beschluß vom 14. August 1985 entsprochen. Dieser Beschluß ist dem Kl. mit Einschreiben - zur Post gegeben am 14. August 1985 - zugestellt worden. Da der Versuch, den Beschluß dem nunmehr beigeordneten Prozeßvertreter förmlich (mit Postzustellungsurkunde) zuzustellen, fehlschlug, wurde er ihm mit einfachem Brief, zur Post gegeben am 16. August 1985, bekanntgegeben.
Der nunmehr beigeordnete Prozeßvertreter hat mit Schriftsatz vom 23. August 1985 - beim BFH eingegangen am 27. August 1985 - Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Kl. ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses des FG sowie zur Bewilligung der Prozeßkostenhilfe für das Klageverfahren unter Beiordnung von Steuerberater X als Prozeßvertreter.
1. Dem Kl. ist wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er infolge seiner Mittellosigkeit außerstande war, die Frist zu wahren. Denn der Kl. hat innerhalb der Rechtsmittelfrist einen den Anforderungen entsprechenden Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die Einlegung der Beschwerde, verbunden mit dem Antrag, ihm einen nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG postulationsfähigen Vertreter beizuordnen, eingereicht (ständige Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, vgl. aus jüngster Zeit Beschluß des BGH vom 20. November 1984 V ZB 7/84, VersR 1985, 287). Da der Kl. innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist den Antrag auf Abänderung des Beschlusses gestellt hatte, war er bis zur Entscheidung über diesen Abänderungsantrag unverschuldet an der Fristwahrung gehindert, denn es war ihm nicht zuzumuten, vor Entscheidung über diesen Antrag Maßnahmen zur Beschwerdeeinlegung zu ergreifen, so daß ihm auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist des § 56 Abs. 2 FGO zu gewähren ist.
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
a) Der Kl. ist mittellos.
b) Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. von § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO biete.
Nach § 1 Abs. 3 GrEStG unterliegt der Steuer u. a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung aller Anteile an einer Kapitalgesellschaft begründet, wenn zum Vermögen dieser Gesellschaft Grundstücke gehören. Die Vorschrift stellt damit die Anteilsvereinigung bzw. den Übergang aller Anteile den Grundstückserwerben als fingierte Grundstückserwerbe gleich (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 1972 II 81/65, BFHE 107, 53, BStBl II 1972, 913). Daraus folgt, daß die Beantwortung der Frage, ob ein Grundstück i. S. von § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft ,,gehört", nur aus dem Grunderwerbsteuerrecht selbst beantwortet werden kann. Danach gehört ein Grundstück schon dann nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, wenn im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer aufgrund der Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 3 GrEStG hinsichtlich des Grundstücks ein Erwerbsvorgang nach § 1 GrEStG verwirklicht wurde, an dem die Gesellschaft als Veräußerin beteiligt war. Aus dem Gesichtspunkt grunderwerbsteuerrechtlicher Grundstückszuordnung hat das FG den Schluß gezogen, die Aufhebung des Veräußerungsvertrages habe Einfluß auf den Umfang des der Gesellschaft gehörenden Grundbesitzes. Diese Folgerung ist jedoch nicht zwingend. Zwar wird bei Rückgängigmachung eines Veräußerungsgeschäfts durch Vertragsaufhebung grunderwerbsteuerrechtlich die Folge gezogen, daß die aufgrund des Veräußerungsgeschäfts entstandene Steuer nicht erhoben bzw. erstattet wird (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Da der Vertragsaufhebung aber nicht rückwirkende Kraft zukommt, erscheint es fraglich, ob ihr in dem vom FG angenommenen Ausmaß Rückwirkung auf den Stichtag der Entstehung der Steuer aus der Anteilsvereinigung zukommt.
3. Die Beiordnung des Steuerberaters X beruht auf § 142 Abs. 2 FGO. Bei der Kompliziertheit der Materie erscheint die Vertretung durch einen Steuerberater erforderlich.
Fundstellen
Haufe-Index 414180 |
BFH/NV 1987, 60 |