Entscheidungsstichwort (Thema)
AdV während des NZB-Verfahrens; Zufallsauswahl bei Außenprüfungen
Leitsatz (NV)
1. Wird die Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsakts begehrt, bezüglich dessen beim BFH eine Nichtzulassungsbeschwerde anhängig ist, können die Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung nur unter dem Gesichtspunkt geprüft werden, ob ernstlich mit der Zulassung der Revision zu rechnen ist.
2. Zum Verfahren der sog. Zufallsauswahl bei vorzunehmenden Außenprüfungen.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, 2, § 115 Abs. 2; AO 1977 § 193
Tatbestand
Der Antragsteller ist als Dozent nichtselbständig tätig. Daneben erzielt er Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.
Der Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) hatte für die Jahre 1988 bis 1992 Einkommensteuerbescheide erlassen, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen. Am 24. Januar 1994 änderte das FA diese Bescheide im Hinblick auf Kinder- und Ausbildungsfreibeträge für eines der Stiefkinder des Antragstellers und hob jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Mit Verfügung vom 20. April 1994 ordnete das FA beim Antragsteller gemäß § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Außenprüfung an, die sich auf die Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Vermögensteuer jeweils für die Jahre 1990 bis 1992 erstrecken sollte. Dagegen erhob der Antragsteller Beschwerde. Während des Beschwerdeverfahrens wurde ihm auf Anfrage mitgeteilt, daß er im Wege der Zufallsauswahl in den Prüfungsgeschäftsplan aufgenommen worden sei. Die Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion (OFD) mit Entscheidung vom 13. Februar 1995 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es führt im wesentlichen aus, die angefochtene Prüfungsanordnung sei ermessensfehlerfrei ergangen. Der Antragsteller sei nach Zufallsgesichtspunkten zur Prüfung ausgewählt worden. In der Ausgestaltung des Auswahlverfahrens nach Zufallsgesichtspunkten sei die Finanzbehörde grundsätzlich frei, so daß es einer näheren Darlegung der im Einzelfall angewendeten Methode nicht bedürfe, über deren Zweckmäßigkeit das Gericht auch nicht zu befinden hätte (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4). Die Ausführungen des Antragstellers zur Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung von Kinderfreibeträgen / Ausbildungsfreibeträgen vermöchten nicht zu belegen, daß die Auswahl nicht nach Zufallsgesichtspunkten erfolgt sei. Einer weiteren Sachaufklärung durch das Gericht habe es deshalb nicht bedurft. Die angefochtene Prüfungsanordnung verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auch nicht gegen das Willkür- und Schikaneverbot. Der Gesetzgeber halte bei Steuerpflichtigen, die -- wie der Antragsteller -- auch freiberuflich tätig seien, gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 typisierend die Außenprüfung für das geeignete Mittel der Sachverhaltsermittlung (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1991 X R 89/89, BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220).
Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil, mit der der Antragsteller grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel geltend macht, ist beim Senat anhängig.
Das FA hatte die Prüfungsanordnung bis einen Monat nach Bekanntgabe über den Rechtsbehelf ausgesetzt. Den erneuten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung hat es mit Schreiben vom 29. November 1996 abgelehnt. Über den dagegen eingelegten Einspruch hat das FA noch nicht entschieden. Es hat die für den 4. Dezember 1996 angeordnete Prüfung beim Antragsteller um eine Woche auf den 11. Dezember 1996 verschoben.
Zur Begründung seines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung trägt der Antragsteller im wesentlichen vor, die von ihm eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hemme die Rechtskraft des Urteils. Durch die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung werde der Entscheidung des BFH über die Nichtzulassungsbeschwerde vorgegriffen. In der Ablehnung liege eine unbillige Härte.
Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung der Prüfungsanordnung bis zur Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde auszusetzen. Wegen des kurzfristigen Prüfungstermins werde um eine baldige Entscheidung gebeten.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist unbegründet.
1. Ob ernstliche Zweifel (§ 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) vorliegen, ist bei einem schon in der Revisionsinstanz schwebenden Rechtsstreit nach revisionsrechtlichen Grund sätzen zu beurteilen. Ernstliche Zweifel können nur dann vorliegen, wenn unter Beachtung der eingeschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts ernstlich mit der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts zu rechnen ist (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 69 Anm. 87). Da beim BFH eine Nichtzulassungsbeschwerde anhängig ist, können die Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung nur nach dem Gesichtspunkt geprüft werden, ob ernstlich mit der Zulassung der Revision zu rechnen ist. Das ist bei summarischer Prüfung zu verneinen.
a) Die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muß in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt dafür nicht. Es muß vielmehr konkret auf die Rechtsfrage und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingegangen werden (vgl. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).
Der Antragsteller hat in der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht, aus Gründen der Rechtssicherheit und der einheitlichen Handhabung des Rechts bestehe ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an der Klärung der Frage, ob durch die Berichtigung von Steuerbescheiden nach § 164 Abs. 2 AO 1977 und der gleichzeitigen Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung (in diesem Fall bei einem Kleinstbetrieb) zu erkennen gegeben werde, daß an Amtsstelle eine abschließende Prüfung vorgenommen worden sei, diese Prüfung Außenwirkung habe und damit eine Außenprüfung nicht mehr zulässig sei. Entscheidungen des BFH lägen zu der entscheidungserheblichen Frage nicht vor. Mit dieser Behauptung wird die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage nicht dargetan. Hierzu hätte es einer Auseinandersetzung mit der bisherigen zu diesem Problemkreis vorliegenden Rechtsprechung des BFH und den zu der Frage vertretenen Meinungen in der Literatur bedurft (vgl. BFH-Beschluß vom 10. August 1994 II B 54/94, BFH/NV 1995, 140).
b) Die Nichtzulassungsbeschwerde kann auch insoweit keinen Erfolg haben, als der Antragsteller einen Verfahrensmangel rügt. Er macht geltend, er habe in der mündlichen Verhandlung angeregt, nochmals zu prüfen, wie sein Fall auf den Prüfungsplan gekommen sei. Die durch Schreiben des FA vom 27. April 1995 vorgetragene Ergänzung, für die durch die Zufallsauswahl betroffenen Steuerfälle würde eine gesonderte Liste vom Rechner der Finanzverwaltung erstellt, und er sei am 29. März 1994 in diese Liste aufgenommen worden, widerlege nicht die Annahme, daß die Liste des Rechners der Finanzverwaltung zusätzlich ergänzt worden sei. Der Prüfungsplan sei vom FA in der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt worden. Er sei auch nicht in der Steuerakte des FA vorhanden gewesen, so daß eine Überprüfung durch das FG nicht erfolgt sein könne.
Die vom Antragsteller erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung erfordert die Darlegung,
a) welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist,
b) welche Beweismittel das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat,
c) warum ein entsprechender Beweisantrag nicht gestellt worden ist,
d) warum die Beweiserhebung sich dem FG -- ggf. auch ohne besonderen Antrag -- hätte aufdrängen müsen,
e) inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können (vgl. BFH-Beschluß vom 11. April 1994 I B 195/93, BFH/NV 1995, 188).
Den Ausführungen des Antragstellers, der vor dem FG keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, läßt sich nicht entnehmen, warum sich die Beweiserhebung dem FG hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Anforderung des Prüfungsplans zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Nach der hierfür maßgebenden Rechtsauffassung des FG (vgl. BFH-Beschluß vom 13. Oktober 1994 I B 109/94, BFH/NV 1995, 788) ist die Finanzbehörde in der Ausgestaltung des Auswahlverfahrens nach Zufallsgesichtspunkten grundsätzlich frei. Das FG war im übrigen davon überzeugt, daß die Auswahl nach Zufallsgesichtspunkten erfolgt war. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung war die Vorlage des Prüfungsplans für die Entscheidung nicht erheblich.
2. Die Aussetzung der Vollziehung hat keine unbillige Härte (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO) zur Folge. Sollte das Hauptsacheverfahren Erfolg haben, könnte die Verwaltung die durch die Außenprüfung gewonnenen Erkenntnisse nicht verwerten (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß vom 4. Oktober 1991 VIII B 93/90, BFHE 165, 339, BStBl II 1992, 59). Die mit der sofortigen Vollziehung verbundenen sonstigen Belastungen sind dem Antragsteller zumutbar (vgl. BFH-Beschluß vom 17. September 1974 VII B 122/73, BFHE 113, 411, BStBl II 1975, 197).
Fundstellen
Haufe-Index 421983 |
BFH/NV 1997, 276 |