Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Bestellung wegen Vermögensverfalls
Leitsatz (NV)
- Die mit dem nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG möglichen sog. Entlastungsbeweis im Zusammenhang stehenden Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Senats geklärt.
- Der dem Steuerberater obliegende Nachweis, dass durch seinen Vermögensverfall Auftraggeberinteressen nicht gefährdet sind, bezieht sich auf die nach den Besonderheiten des Einzelfalls zu beurteilende konkrete Gefährdungssituation für die Mandanten. Die Beantwortung der Frage, ob dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine dem Tatrichter vorbehaltene zusammenfassende Beurteilung der komplexen Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigten ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können.
- Der Entlastungsbeweis verlangt eine aus der Gesamtwürdigung der Verhältnisse folgende hinreichende Gewissheit des Tatrichters, dass die Gefährdung von Auftraggeberinteressen im konkreten Fall ausgeschlossen werden kann, nicht aber den Ausschluss jeder theoretisch denkbaren Möglichkeit der Interessengefährdung.
- Da der Entlastungsbeweis den Vermögensverfall des Steuerberaters voraussetzt, muss im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung, ob dieser Beweis gelungen ist, nicht festgestellt werden, dass der Steuerberater seine Vermögenslage beherrscht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4
Verfahrensgang
FG Berlin (Urteil vom 25.08.2005; Aktenzeichen 4 K 2348/04) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist seit 1974 Steuerberater und ist, nachdem er zuvor selbständig tätig gewesen war, seit Januar 2004 bei der X-Steuerberatungsgesellschaft mbH (X-GmbH) als angestellter Steuerberater tätig. Seine Bestellung als Steuerberater wurde mit Bescheid der Beklagten und Beschwerdeführerin (Steuerberaterkammer) vom 13. Juli 2004 wegen Vermögensverfalls gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) widerrufen. Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage statt und hob den Widerrufsbescheid auf. Das FG urteilte, dass sich der Kläger zwar in Anbetracht seiner Eintragung in das Schuldnerverzeichnis und der von ihm nicht bestrittenen Überschuldung von ca. 2,6 Mio. € in Vermögensverfall befinde, dass er aber nachgewiesen habe, dass die Interessen der Auftraggeber seines Arbeitgebers, der X-GmbH, gleichwohl nicht gefährdet seien. Dies ergebe sich aus der Gesamtwürdigung der Person des Klägers, der Umstände, die zur Überschuldung geführt hätten, sowie der weitgehenden arbeitsvertraglichen Beschränkungen, denen der Kläger sich unterworfen habe. Der Kläger habe seine Tätigkeit als Steuerberater jahrelang ohne Beanstandung ausgeübt. Seine Schulden stammten fast ausschließlich aus Immobiliengeschäften; erhebliche Steuerschulden bestünden nicht. Die Nichtabführung von Lohn- oder Umsatzsteuer oder Sozialversicherungsbeiträgen werde ihm nicht vorgeworfen. Allein die Tätigkeit als Steuerberater im Angestelltenverhältnis schließe zwar die Gefährdung von Mandanteninteressen nicht aus, jedoch ließen die weitgehenden arbeitsvertraglichen Beschränkungen des Klägers und die schriftlichen Erklärungen der Gesellschafter der X-GmbH, der Steuerberaterkammer jede Änderung des Arbeitsvertrages mitzuteilen, ausnahmsweise den Schluss zu, dass Mandanteninteressen durch den Vermögensverfall des Klägers nicht gefährdet seien. Der Kläger sei weisungsgebunden tätig und dürfe keine geschäftsführenden Tätigkeiten ausüben; die Angestellten der X-GmbH seien verpflichtet worden, vom Kläger keine Anweisungen mit geschäftsführendem Charakter entgegenzunehmen. Für die Bankkonten der X-GmbH habe der Kläger keine Vollmacht und auf Mandanten- oder sonstige Fremdgelder habe er keinen Zugriff, was er für alle Zeiten als verbindlich anerkannt habe. Es sei nicht ersichtlich, dass diese Verpflichtungen tatsächlich nicht beachtet würden. Eine andere Würdigung sei auch nicht durch den Umstand angezeigt, dass der Kläger zu verstehen gegeben habe, sich in Anbetracht seines Alters und der Höhe seiner Schulden nicht mehr bemühen zu wollen, die Schulden abzutragen. Diese Haltung möge verwerflich und ein Verstoß gegen die Berufspflichten des Steuerberaters sein, was aber unabhängig vom Widerruf der Bestellung berufsrechtlich zu ahnden und nicht Gegenstand des Streitfalls sei.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Steuerberaterkammer, welche sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil die mit dem nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG möglichen sog. Entlastungsbeweis im Zusammenhang stehenden Rechtsfragen als durch die Rechtsprechung des Senats geklärt anzusehen sind und auch der Streitfall insoweit keine Rechtsfragen aufwirft, die durch eine Revisionsentscheidung geklärt werden könnten.
Bei einem Vermögensverfall des Steuerberaters ―der nach den Feststellungen des FG im Streitfall vorliegt― sieht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG den Widerruf der Bestellung zwingend vor, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Das Gesetz geht damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind, und gestattet nur in Ausnahmefällen ("es sei denn") ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung; aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt zugleich, dass die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand dem betroffenen Steuerberater obliegt (Senatsurteil vom 22. September 1992 VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203; Senatsbeschluss vom 8. Februar 2000 VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992).
Der Nachweis der Nichtgefährdung der Auftraggeberinteressen bezieht sich auf die nach den Besonderheiten des Einzelfalls zu beurteilende konkrete Gefährdungssituation für die Mandanten des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters, da ansonsten ―beim Abstellen auf jede denkbare potentielle Gefährdung von Mandanten― der Entlastungsbeweis nicht geführt werden könnte (Senatsurteil in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203). Erforderlich ist ein substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird (Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 2000, 741; Senatsbeschluss vom 4. März 2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). Die Beantwortung der Frage, ob dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine dem Tatrichter vorbehaltene zusammenfassende Beurteilung der komplexen Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können; diese Tatsachenwürdigung kann revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden, ob das FG von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, seine Entscheidung insoweit nachvollziehbar begründet und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203, und in HFR 2000, 741; Senatsbeschlüsse vom 28. August 2003 VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90, und in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016).
In einem Revisionsverfahren kann zwar geprüft werden, ob das FG bei der ihm obliegenden Tatsachenfeststellung und -würdigung den Ausnahmetatbestand "Nichtgefährdung von Auftraggeberinteressen" zutreffend ausgelegt und die insoweit nach der Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigenden Gesichtspunkte in seine Würdigung einbezogen hat (vgl. Senatsurteil in HFR 2000, 741). Im Streitfall lässt sich allerdings weder eine fehlerhafte Auslegung des Ausnahmetatbestands durch das FG feststellen noch gibt der Fall Anlass, die rechtlichen Anforderungen an den sog. Entlastungsbeweis neu zu beschreiben oder einzugrenzen.
Nach der Rechtsprechung des Senats reicht zwar allein der Umstand, dass der in Vermögensverfall geratene Steuerberater nur noch als Angestellter tätig sein will, für den Entlastungsbeweis nicht aus, da § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG auch für nicht selbständig tätige Steuerberater gilt (Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 992). Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, dass zu der Ausübung der steuerberatenden Tätigkeit im Angestelltenverhältnis andere Umstände hinzutreten, welche es im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung ermöglichen, den Entlastungsbeweis als erbracht anzusehen. So hat der Senat mit dem genannten Beschluss in BFH/NV 2000, 992 ausgeführt, dass es entscheidend auf die nach den tatsächlichen Gegebenheiten bestehenden Zugriffs- und Gestaltungsrechte des angestellten Steuerberaters auf die Gesellschaft, bei der er tätig ist, ankommt, und hat mit Urteil in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203 einen vom FG festgestellten Ausschluss jeglicher Treuhänder- oder Verwaltungsbefugnisse des Steuerberaters über Gelder oder sonstige Vermögenswerte seiner Mandanten für den Entlastungsbeweis ausreichen lassen.
Andererseits hat der Senat wiederholt darauf hingewiesen, dass eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht verneint werden kann, wenn festgestellt worden ist, dass der Steuerberater in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich an gesetzliche Vorgaben nicht hält, denn in diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerberater unter dem Druck seiner Vermögenslosigkeit auch Mandanteninteressen unter Missachtung vertraglicher Vereinbarungen verletzt, so groß, dass von einer konkreten Gefährdung von Auftraggeberinteressen auszugehen ist (vgl. Senatsurteile in HFR 2000, 741, und vom 4. Juli 2000 VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69; Senatsbeschluss in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). So ist bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung zu Ungunsten des Steuerberaters zu berücksichtigen, wenn er in der Vergangenheit die den Mandanten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer oder die von seinen Mitarbeitern einbehaltenen Lohnsteuern oder Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt hat (Senatsurteile in HFR 2000, 741, und in BFH/NV 2001, 69). Auch ist bei erheblichen eigenen Steuerschulden des Steuerberaters zu berücksichtigen, dass diese seinen Handlungsrahmen, den er gegenüber der Finanzverwaltung braucht, einschränken und somit Auswirkungen auf seine Unabhängigkeit bei der Ausübung seines Berufes haben können, zu der er nach § 57 Abs. 1 StBerG verpflichtet ist (Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2000, 992, und in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016).
a) Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das FG im Streitfall ausgegangen und hat angenommen, dass die Tätigkeit des Klägers als angestellter Steuerberater bei der X-GmbH und die arbeitsvertraglichen Beschränkungen, denen er bei dieser Tätigkeit unterliegt, hinreichende Gewissheit bieten, dass eine konkrete Gefährdungssituation für die Mandanten seines Arbeitgebers durch den Vermögensverfall des Klägers nicht besteht. Diese Würdigung der festgestellten Tatsachen ist möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze. Ob auch ein anderes Ergebnis der Tatsachenwürdigung vertretbar wäre, ist nicht von Bedeutung. Wenn die Beschwerde es insoweit für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, unter welcher Voraussetzung und in welchen Grenzen ein in Vermögensverfall geratener ausschließlich angestellter Steuerberater arbeitsvertragliche Vereinbarungen einzugehen hat, die eine Gefährdung der Auftraggeberinteressen ausschließen, und ob insoweit Absichtserklärungen des Arbeitgebers, vertragliche Änderungen oder eine selbständige Tätigkeit des Steuerberaters anzuzeigen, ausreichend sind, so wendet sie sich in Wahrheit ―lediglich gekleidet in eine allgemein formulierte Frage― gegen die Tatsachenwürdigung des FG im Einzelfall, zeigt aber keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Dies gilt auch für die von der Beschwerde vertretene Ansicht, es müsse sichergestellt sein, dass es in Zukunft bei einer ausschließlichen Angestelltentätigkeit bleibe, und dass der Arbeitsvertrag bei einem entsprechenden Pflichtenverstoß die sofortige Kündigung ohne vorherige Abmahnung vorsehen müsse. Der Entlastungsbeweis verlangt lediglich eine aus der Gesamtwürdigung der Verhältnisse folgende hinreichende Gewissheit, dass die Gefährdung von Auftraggeberinteressen im konkreten Fall ausgeschlossen werden kann (Senatsbeschluss in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016), wovon das FG im Streitfall ausgegangen ist. Den Ausschluss jeder theoretisch denkbaren Möglichkeit der Interessengefährdung zu verlangen, liefe darauf hinaus, dass der Entlastungsbeweis nicht geführt werden könnte.
Auch wenn es für den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache unerheblich ist, ist darauf hinzuweisen, dass das FG aus dem Umstand, dass der Kläger seine bisherige Tätigkeit ohne Beanstandung ausgeübt hat, nicht auf eine fehlende Gefährdung von Mandanteninteressen geschlossen hat und dass es auch nicht darauf abgestellt hat, ob er den Vermögensverfall verschuldet hat. Das FG hat lediglich die bisher beanstandungsfreie Berufsausübung als einen Hinweis angesehen, dass gegen die persönliche Zuverlässigkeit des Klägers nichts spricht, und hat mit dem Umstand, dass die Schulden des Klägers fast ausschließlich aus Immobiliengeschäften herrühren, dargelegt, dass nicht etwa erhebliche Steuerschulden des Klägers ―die möglicherweise seine berufliche Unabhängigkeit tangieren könnten― bestehen.
b) Ein Vermögensverfall des Steuerberaters liegt vor, wenn er sich in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen befindet, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. Senatsurteil vom 3. November 1992 VII R 95/91, BFH/NV 1993, 624). Die Frage, ob dem betroffenen Steuerberater der sog. Entlastungsbeweis gelungen ist, stellt sich nur, wenn der Eintritt des Vermögensverfalls bejaht worden und damit angenommen worden ist, dass der Steuerberater seine finanziellen Verhältnisse nicht "im Griff" hat. Im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung, ob die durch den Vermögensverfall eintretende Gefährdung von Auftraggeberinteressen im konkreten Fall mit hinreichender Gewissheit ausgeschlossen werden kann, muss mithin nicht festgestellt werden, dass der Steuerberater seine Vermögenslage beherrscht, denn dies könnte unter Umständen wiederum dazu führen, dass der Entlastungsbeweis von vornherein nicht erbracht werden kann. Das bedeutet allerdings nicht, dass im Rahmen des Entlastungsbeweises derartige Erwägungen zur finanziellen Lage nicht doch eine Rolle spielen können, wenn z.B. sich die ohnehin schlechten Vermögensverhältnisse ständig weiter verschlechtern. Auch insoweit gilt aber, dass die Frage, ob der Entlastungsbeweis gelungen ist, eine zusammenfassende Beurteilung der Verhältnisse des Einzelfalls erfordert, bei der mehrere ―je nach Einzelfall auch unterschiedliche― Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die auch jeweils unterschiedlich gewichtet werden können. Soweit es der Senat in dem Urteil vom 4. April 1995 VII R 74/94 (BFH/NV 1995, 1019) offen lassen konnte, ob die mangelnde Beherrschung der desolaten Vermögenssituation in dem dort zu entscheidenden Fall für eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber sprach, folgt daraus ―anders als die Beschwerde meint― nicht, dass es sich hierbei um eine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage handelt. Die Beschwerde bemängelt letztlich, dass das FG die mangelnde Bereitschaft des Klägers, seine Schulden abzutragen, nicht zu seinen Ungunsten im Rahmen des Entlastungsbeweises berücksichtigt habe, und wendet sich damit gegen die Tatsachenwürdigung im Einzelfall sowie gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird.
2. Da die Rechtssache keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwirft, ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht gegeben.
3. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfasst zunächst die Fälle der sog. Divergenzrevision und erfordert darüber hinaus auch dann eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), wenn die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage nur durch eine Entscheidung des BFH gesichert werden kann. Diese Zulassungsvoraussetzung ist im Streitfall allerdings nicht schon deshalb gegeben, weil das FG Münster mit Urteil vom 16. Januar 2002 7 K 7966/00 StB (Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 716) die Ansicht vertreten hat, dass der Entlastungsbeweis nicht erbracht sei, weil der Steuerberater jenes Falles wegen der von ihm nicht beherrschten desolaten Vermögenslage weiterhin dem unverminderten Druck seiner Gläubiger ausgesetzt sei und weil er bei seiner Tätigkeit als angestellter Steuerberater nicht ausreichend von seinem Arbeitgeber überwacht werden könne. Ebenso wenig kann sich die Beschwerde mit Erfolg auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 30. November 2000 2 K 2886/00 StB (nicht veröffentlicht ―n.v.―) berufen, in welchem das FG von der Dauerhaftigkeit der Geschäftsgestaltung jenes angestellten Steuerberaters nicht überzeugt war und die Überwachungsmöglichkeiten seines Arbeitgebers als nicht ausreichend ansah. Beide Urteile halten sich mit ihrer Tatsachenwürdigung bezüglich des dem Steuerberater möglichen Entlastungsbeweises in dem durch das Gesetz und die Rechtsprechung des Senats aufgezeigten Rahmen. Gleiches gilt aber für die vom FG im Streitfall vorgenommene Tatsachenwürdigung. Das FG weicht nicht von Rechtsansichten der FG Münster oder Düsseldorf ab, wenn es unter den von ihm festgestellten Gegebenheiten nicht zu erkennen vermochte, dass der Kläger wegen seiner Verschuldung einem unverminderten Druck seiner Gläubiger ausgesetzt war, der ihn in die Versuchung bringen könnte, seine Berufspflichten zu verletzen, und wenn es in Anbetracht der Gestaltung seines Angestelltenverhältnisses mit der X-GmbH die hinreichende Gewissheit erlangen konnte, dass der Kläger nicht auf Fremdgelder Zugriff haben und sich nicht außerhalb des Angestelltenverhältnisses mit der X-GmbH betätigen werde, zumal er ―im Gegensatz zu dem vom FG Düsseldorf entschiedenen Fall― nach den Feststellungen des FG nach außen hin nicht wie ein selbständig tätiger Steuerberater auftritt.
Wenn ―wie ausgeführt― die Beurteilung, ob der Entlastungsbeweis erbracht ist, eine dem Tatrichter vorbehaltene zusammenfassende Würdigung der komplexen Verhältnisse des Einzelfalls erfordert, bei der verschiedene Kriterien zu berücksichtigen sind, die auch je nach dem Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, so kann es ggf. auch bei ähnlich gelagerten Sachverhalten zu differierenden Tatsachenwürdigungen der FG (oder entsprechender Tatsachengerichte in anderen berufsrechtlichen Bereichen wie in dem von der Beschwerde vorgelegten Beschluss des Anwaltsgerichtshofs Hamm 1 ZU 9/05) im jeweiligen Einzelfall kommen, die jedoch gleichwohl keine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfordern, weil es nicht um die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage geht (Senatsbeschluss vom 11. Juni 2004 VII B 166/03, n.v.).
Das Gleiche gilt, soweit die Beschwerde eine Abweichung der FG-Entscheidung von dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. Oktober 2004 AnwZ (B) 43/03 (Neue Juristische Wochenschrift 2005, 511) geltend macht. Der BGH hat in jenem Fall eines in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts seine Entscheidung, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall ausnahmsweise nicht gegeben sei, ausdrücklich auf eine Gesamtwürdigung der Person jenes Rechtsanwalts, der Umstände des eröffneten Insolvenzverfahrens sowie der weitgehenden beruflichen Beschränkungen, denen der Rechtsanwalt sich arbeitsvertraglich unterworfen hatte, gestützt. Anders als die Beschwerde meint, lassen sich diesem BGH-Beschluss daher keine allgemeinen Rechtssätze entnehmen, von denen das FG im Streitfall abgewichen sein könnte. Vielmehr weisen die vom BGH in jenem Fall und vom FG im Streitfall vorgenommenen Gesamtwürdigungen hinsichtlich der insoweit berücksichtigten Gesichtspunkte weitgehende Ähnlichkeiten auf.
Fundstellen
Haufe-Index 1523537 |
BFH/NV 2006, 1520 |