Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der Vollziehung eines Haftungsbescheides, Ablauf der Festsetzungsfrist, Beseitigung von Säumnisfolgen
Leitsatz (NV)
- Mit der vollständigen Rücknahme des angefochtenen Haftungsbescheides nach § 130 Abs. 1 AO 1977 im gerichtlichen Verfahren verliert dieser seine Wirksamkeit und damit seine Eignung als verjährungshemmende Maßnahme i.S. des § 171 Abs. 3a Satz 1 AO 1977.
- Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die im Falle der gerichtlichen Aufhebung eines rechtswidrigen Haftungsbescheides bis zum Erlass eines neuen Haftungsbescheides einsetzende weitere Ablaufhemmung entgegen dem Wortlaut des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO 1977 auch im Falle der Rücknahme des angefochtenen Haftungsbescheides und der zeitgleich erfolgten Ersetzung durch einen ‐ bis auf die Erwägungen zum Auswahlermessen gleichlautenden ‐ neuen Haftungsbescheid während des gerichtlichen Verfahrens durch die Finanzbehörde selbst eingreift.
- Die Säumnisfolgen können für die Vergangenheit nur durch die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides ab dem Zeitpunkt, an dem ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit erkennbar geworden sind, beseitigt werden.
Normenkette
AO 1977 §§ 69, 171 Abs. 3a Sätze 1, 3, § 240; FGO § 69 Abs. 3
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) war gemeinsam mit S Geschäftsführer der A-GmbH, die ihren Geschäftsbetrieb mit Vertrag vom 28. Dezember 1991 mit Wirkung vom 1. Januar 1992 an die ebenfalls von dem Antragsteller als Geschäftsführer vertretene B-GmbH veräußert hat. Der Kaufpreis sollte sich nach den Bilanzwerten der übernommenen Vermögensgegenstände zum 31. Dezember 1991 abzüglich der übernommenen Verbindlichkeiten richten. Die A-GmbH, deren Geschäftsbetrieb nach dem Vertragsschluss geruht hatte, wurde im Jahre 1997 im Handelsregister gelöscht.
Die nicht zustimmungsbedürftige Umsatzsteuerjahreserklärung der A-GmbH für 1992 mit einer ausgewiesenen Umsatzsteuerzahllast von … DM ging am 21. April 1995 bei dem Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt ―FA―) ein. Voranmeldungen waren für das Jahr 1992 nicht eingereicht, Zahlungen auf die Mehrwertsteuer nicht geleistet worden.
Mit Bescheid vom 29. Mai 1998 nahm das FA den Antragsteller wegen der rückständigen Umsatzsteuer der A-GmbH für 1992 nebst im Jahre 1995 festgesetzter Zinsen und zwischenzeitlich verwirkter Säumniszuschläge in Haftung. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat der Antragsteller Klage erhoben und zugleich die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Haftungsbescheides durch das Gericht begehrt. Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag mit der Begründung, das FA habe sein Auswahlermessen nicht hinreichend dokumentiert, statt.
Im Schreiben vom 20. September 2000 erklärte das FA gegenüber den Prozessvertretern des Antragstellers, es übersende in gleicher Verfügung nachfolgende Bescheide:
"1. Der Haftungsbescheid vom 29. Mai 1998 und 7. Dezember 1999 in der Gestalt, wie er nach Maßgabe seiner inhaltlichen Beschränkungen durch Teilrücknahmen vom 14. Dezember 1999 und 12. April 2000 noch Bestand hat, wird hiermit in vollem Umfange nach §§ 132, 130 Abs. 1 der Abgabenordnung zurückgenommen.
2. Zugleich ersetze ich entsprechend der nach BFH-Rechtsprechung als zulässig anerkannten Handhabung (…) obigen Haftungsbescheid durch nachfolgenden, in seiner Begründung ergänzten Haftungsbescheid …"
Diesen Bescheid hat der Antragsteller mit Einspruch angefochten. Durch Urteil vom 16. November 2000 stellte das FG die Erledigung des Klageverfahrens gegen den ursprünglichen Haftungsbescheid fest.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat der Antragsteller gegen den Haftungsbescheid vom 20. September 2000 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist. Gleichzeitig begehrte er die Aussetzung und Aufhebung des Haftungsbescheides hinsichtlich der verwirkten Säumniszuschläge, nachdem das FA einen entsprechenden Antrag abschlägig beschieden hatte. Zur Begründung führte der Antragsteller aus, der Anspruch sei nach § 191 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) verjährt, da ein Steuerbescheid bezüglich der Umsatzsteuer der GmbH für 1992 nicht ergangen sei. Auch seien die Geschäftsführer der A-GmbH aufgrund einer Auskunft des damaligen Steuerberaters davon ausgegangen, dass die Übertragung der Vermögenswerte von der A-GmbH auf die B-GmbH nicht umsatzsteuerpflichtig sei. Dieser Irrtum sei erst anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung aufgedeckt worden und habe zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung für 1992 im Jahre 1995 geführt. Zu diesem Zeitpunkt sei die A-GmbH jedoch bereits vermögenslos gewesen, so dass die Umsatzsteuer ohnehin nicht hätte bezahlt werden können und Säumniszuschläge nicht mehr hätten festgesetzt werden dürfen. Zudem sei die alleinige Inanspruchnahme des Antragstellers ermessensfehlerhaft. Das FA hätte zu keinem Zeitpunkt die A-GmbH in Anspruch genommen und sich auch nicht ernsthaft damit auseinander gesetzt, dass Herr S neben dem Antragsteller gleichberechtigter Geschäftsführer gewesen sei.
Das FA hielt den Antrag für unbegründet. Verjährung sei nicht eingetreten, die Unkenntnis bezüglich der Umsatzsteuerpflicht infolge einer Falschberatung durch den Steuerberater sei ebenso wenig glaubhaft gemacht worden wie der Vortrag, die B-GmbH, über deren Vermögen bereits 1994 der Konkurs eröffnet worden sei, habe den Vorsteuerüberschuss an die A-GmbH abgetreten.
Das FG gab dem Antrag insbesondere deshalb statt, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Haftungsbescheid vom 20. September 2000 wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr hätte ergehen dürfen. Da der Antragsteller auch die Beseitigung der in der Vergangenheit entstandenen Säumniszuschläge beantragt habe, sei die Aufhebung der Vollziehung ab Fälligkeit des Haftungsanspruchs anzuordnen, denn die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20. September 2000 hätten bereits seit dessen Erlass bestanden.
Die ―vom FG zugelassene― Beschwerde begründet das FA im Wesentlichen mit Einwendungen gegen die Annahme des Verjährungseintritts. Der Bescheid vom 20. September 2000, der zeitgleich mit der Rücknahme des ursprünglichen Haftungsbescheides ergangen sei, beinhalte lediglich eine ergänzende, wiederholende Regelung des innerhalb der Festsetzungsfrist ergangenen Haftungsbescheides. Der ursprüngliche Haftungsbescheid sei durch die Ergänzungen zum Auswahlermessen lediglich i.S. des § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ersetzt worden. Die zeitgleiche Handhabung von Rücknahme und Neuerlass des Haftungsbescheides während eines Klageverfahrens schaffe im Gegensatz zu den von der Vorinstanz in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH), bei denen jeweils die Rücknahme des ursprünglichen Haftungsbescheides und der Erlass des erneuten Haftungsbescheides zeitlich auseinandergefallen seien, keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand für den in Anspruch genommenen Haftungsschuldner. Dieser sei vielmehr durch die zeitgleichen Maßnahmen in unveränderter Höhe in der Haftung verblieben. Das FG habe die Neufestsetzung vom 20. September 2000 unzutreffend als erstmaligen Erlass eines Haftungsbescheides verstanden und sich über die notwendige Differenzierung, ob die Maßnahmen in gleichen oder aber getrennten Verfügungen ergangen seien, hinweggesetzt. Die Ausführungen zur Freistellung des zweiten Geschäftsführers von der Haftung rechtfertigten auch nicht die Annahme eines Ermessensfehlgebrauchs.
Der Antragsteller begehrt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er schließt sich in seiner Begründung im Wesentlichen der Auffassung und den Ausführungen des FG an.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde des FA ist unbegründet. Das FG hat die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 20. September 2000 zu Recht aufgehoben.
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides vom 20. September 2000, mit dem das FA den Antragsteller nach der Rücknahme des vorangegangenen Haftungsbescheides erneut in Anspruch genommen hat, weil dieser sehr wahrscheinlich nach Ablauf der Festsetzungsfrist des § 191 Abs. 3 AO 1977 ergangen ist.
Zutreffend geht das FG davon aus, dass der Lauf der Festsetzungsfrist für den angefochtenen Haftungsbescheid nach § 191 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 spätestens mit Ablauf des Kalenderjahres 1995 als dem Jahr, in dem wegen der Nichtzahlung der durch die Erklärungsabgabe vom 21. April 1995 fällig gewordenen Umsatzsteuer der A-GmbH für 1992 der Haftungstatbestand verwirklicht worden ist, begonnen, und ―da der Antragsteller nicht wegen Steuerverkürzung nach § 71 AO 1977 oder Steuerhinterziehung nach § 70 AO 1977, sondern als Haftender nach den §§ 34 i.V.m. 69 AO 1977 in Anspruch genommen worden ist― gemäß § 191 Abs. 3 Satz 3 AO 1977 nach Ablauf von 4 Jahren, mithin mit Ablauf des Kalenderjahres 1999 geendet hat.
Zutreffend hat das FG unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 24. Januar 1995 VII B 142/94 (BFHE 176, 224, BStBl II 1995, 227), die inzwischen durch eine weitere Senatsentscheidung vom 21. November 2001 VII B 108/01 (BFH/NV 2002, 315) bestätigt worden ist, auch dargelegt, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist auch nicht durch die gemäß § 191 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 entsprechend auf den Erlass von Haftungsbescheiden anwendbare Regelung in § 171 Abs. 3a AO 1977 gehemmt ist. Nach § 171 Abs. 3a AO 1977 läuft die Festsetzungsfrist eines angefochtenen Haftungsbescheides für alle am 31. Dezember 1999 noch nicht verjährten Ansprüche erst ab, wenn über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist.
Zwar ist durch die Anfechtung des noch innerhalb der Festsetzungsfrist ergangenen erstmaligen Haftungsbescheides vom 29. Mai 1998 in der Gestalt, die dieser durch die mehrfach erfolgten Teilrücknahmen erfahren hat, der Ablauf der Festsetzungsfrist zunächst gehemmt worden. Diese Ablaufhemmung ist aber mit der während des Klageverfahrens erfolgten Rücknahme dieses (bereits eingeschränkten) Haftungsbescheides vom 29. Mai 1998 in vollem Umfang gemäß § 132, § 130 Abs. 1 AO 1977 beendet worden. Zu Recht geht das FG im Streitfall davon aus, dass in dem Schreiben des FA vom 20. September 2000 zwei selbständige Verfügungen getroffen worden sind; nämlich zu 1. die Rücknahme des Haftungsbescheides vom 29. Mai 1998 in Gestalt des zuletzt ergangenen Teilrücknahmebescheides vom 12. April 2000 in vollem Umfang und zu 2. der Neuerlass des Haftungsbescheides vom 20. September 2000.
Mit der vollständigen Rücknahme des ursprünglichen Haftungsbescheides im Klageverfahren ist dieser unanfechtbar i.S. des § 171 Abs. 3a Satz 1 AO 1977 geworden. Denn durch die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides tritt dessen Unanfechtbarkeit unabhängig von den Gründen ein, die Anlass für die Aufhebung des Bescheides gewesen sind (vgl. BFH-Urteile vom 16. Mai 1990 X R 147/87, BFHE 161, 398, BStBl II 1990, 942; vom 6. Mai 1994 VI R 47/93, BFHE 174, 363, BStBl II 1994, 715, und Senatsbeschlüsse in BFHE 176, 224, BStBl II 1995, 227, sowie in BFH/NV 2002, 315). Dem steht jedenfalls bei der gebotenen summarischen Betrachtung nicht entgegen, dass das FA den Haftungsbescheid zeitgleich mit dem Erlass eines neuen Haftungsbescheides zurückgenommen und von einer Ersetzung dieses Bescheides gesprochen hat. Anders als das FA meint, wurde der urprüngliche Haftungsbescheid in Gestalt der Teilrücknahmebescheide nicht lediglich durch Ergänzungen zum Auswahlermessen i.S. des § 68 FGO ersetzt, sondern ausdrücklich in vollem Umfang zurückgenommen. Mit der Rücknahme in vollem Umfang hat dieser Haftungsbescheid seine Wirksamkeit und damit auch seine Eignung als verjährungshemmende Maßnahme i.S. des § 171 Abs. 3a AO 1977 verloren.
Die Regelung in § 171 Abs. 3a AO 1977 setzt, was auch aus der Regelung des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO 1977 deutlich wird, voraus, dass der fristwahrende, durch Anfechtung den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmende Verwaltungsakt und der Bescheid, mit dem der abgabenrechtliche Anspruch geltend gemacht wird, identisch sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 161, 398, BStBl II 1990, 942). An dieser Identität fehlt es, wenn wie vorliegend, ein Haftungsbescheid wegen nicht erfolgter Ermessensausübung aufgehoben wird und in dem nachfolgenden Haftungsbescheid erstmals das Auswahlermessen ausgeübt bzw. dargelegt wird (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 315).
Diesen Erwägungen steht das vom FA herangezogene Urteil des BFH vom 26. November 1986 I R 256/83 (BFH/NV 1988, 82) nicht entgegen. Denn dort wird ausdrücklich unterschieden zwischen der Änderung bzw. Ergänzung und der Aufhebung und Ersetzung eines Haftungsbescheides, wobei im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln sei, welcher Weg gewählt worden ist. Die genannte Entscheidung führt dann weiter aus, das FA habe durch ausdrücklich auf § 130 Abs. 1 AO 1977 gestützte Rücknahme des ursprünglichen Bescheides klargestellt, dass es von der Aufhebung und Ersetzung durch einen neuen Bescheid Gebrauch gemacht habe. Ebenso liegt der Streitfall, wie sich aus Ziff. 1 des Schreibens des FA vom 20. September 2000 eindeutig ergibt. Mit dieser Rücknahme nach § 130 Abs. 1 AO 1977 in vollem Umfang war der ursprüngliche Haftungsbescheid und dessen Anfechtung als verjährungshemmende Maßnahme i.S. des § 171 Abs. 3a Satz 1 AO 1977 beseitigt. Zu Recht hat das FG daher die Erledigung des Klageverfahrens gegen diesen ursprünglichen Haftungsbescheid durch Urteil festgestellt.
Der Einwand des FA, wegen der zeitgleichen Zurücknahme des ursprünglichen und Erlass des neuen Haftungsbescheides im Schreiben vom 20. September 2000 sei für den Antragsteller kein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründet worden, zu der inhaltlich unveränderten Haftung für die Umsatzsteuer 1992 der A-GmbH nicht mehr herangezogen zu werden, hat auf den Umstand, dass mit dem Wegfall des Haftungsbescheides vom 29. Mai 1998 auch dessen durch die Anfechtung begründete verjährungshemmende Wirkung entfallen ist, keine Auswirkung.
Die Ansicht des FA, wonach die zeitgleiche Ersetzung des zurückgenommenen Haftungsbescheides durch einen inhaltlich ―bis auf die Erwägungen zum Auswahlermessen― gleichlautenden Haftungsbescheid, mit dessen Erlass der Antragsteller habe rechnen müssen, den Ablauf der Festsetzungsfrist für den Haftungsanspruch nicht bewirken könne, findet auch keine Stütze in der Formulierung des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO 1977. Zwar läuft dann, wenn das FG einen Haftungsbescheid wegen fehlender Ermessensausübung aufgehoben hat, die Festsetzungsfrist für den Haftungsanspruch nicht ab, bevor der neue Haftungsbescheid, mit dem das FA nach Ergehen der gerichtlichen Entscheidung seine Ermessensausübung nachgeholt hat, unanfechtbar geworden ist. § 171 Abs. 3a Satz 3 AO 1977 verlängert die Ablaufhemmung aber ausdrücklich nur für den Fall der gerichtlichen Kassation gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO; nicht aber für den Fall, dass das FA seinen Bescheid aufgrund eigener besserer Erkenntnis selbst aufhebt (vgl. Senatsentscheidungen in BFHE 176, 224, BStBl II 1995, 227, und in BFH/NV 2002, 315). Nach der in den bisherigen Beschlüssen zur AdV von Haftungsbescheiden vom erkennenden Senat vertretenen Auffassung lässt sich diese Regelung in § 171 Abs. 3a Satz 3 AO 1977 wegen ihres eindeutigen Wortlauts nicht auf die im Streitfall erfolgte Rücknahme des Haftungsbescheides durch das FA ausdehnen. Gerade bei Fristenregelungen ist es erforderlich, dass diese an gesetzlich möglichst eindeutig geregelte Tatbestände anknüpfen, die einer erweiternden Auslegung grundsätzlich nicht zugänglich sind (Senatsbeschluss in BFHE 176, 224, BStBl II 1995, 227, 229).
Der Senat verkennt indessen nicht, dass im Streitfall dem Antragsteller durch die zeitgleiche Rücknahme des ursprünglichen Haftungsbescheides und den Erlass des neuen Haftungsbescheides in ähnlicher Weise wie im Falle der gerichtlichen Aufhebung eines wegen fehlender Ermessenserwägungen rechtswidrigen Verwaltungsaktes erkennbar geworden ist, dass die Sache mit der Aufhebung des angegriffenen Haftungsbescheides nicht erledigt sein sollte, sondern dass die Verwaltung an der Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftungsschuldner festhalten will. Dies rechtfertigt jedoch in einem Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtschutzes wegen der durch den Wortlaut des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO 1977 begründeten ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist erlassenen Haftungsbescheides keine abschließende Entscheidung des Senats dazu, ob die Vorschrift möglicherweise im Wege der historischen und/oder teleologischen Auslegung über ihren Wortlaut hinaus auch für den Fall der behördlichen Kassation eines rechtswidrigen Haftungsbescheides anzuwenden ist (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 315).
Bedenken bestehen auch nicht insoweit, als das FG wegen der Verwirkung der Säumniszuschläge die Vollziehung des Haftungsbescheides ab Fälligkeit nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO aufgehoben hat.
Da die AdV nur ex nunc, d.h. in die Zukunft wirkt, kann dadurch der Anfall der Säumniszuschläge nach § 240 AO 1977 für die Vergangenheit nicht verhindert werden. Diese Säumnisfolgen können für die Vergangenheit nur durch die Aufhebung der Vollziehung des Haftungsbescheides beseitigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1993 VII R 37/92, BFH/NV 1994, 4, m.w.N.). Maßgebend für die Bestimmung des Zeitpunkts, ab welchem die Wirkung der Vollziehung eines Haftungsbescheides aufzuheben ist, ist im Wesentlichen, ab wann ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides erkennbar vorliegen (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Mai 1988 IX B 110/86, BFH/NV 1989, 176). Zutreffend hat das FG hierbei auf den Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides vom 20. September 2000 abgestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 771597 |
BFH/NV 2002, 1125 |
DStRE 2002, 1278 |