Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassene Beiladung als Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO
Leitsatz (NV)
1. Nicht jede rechtsirrige Beurteilung einer verfahrensrechtlichen Frage stellt einen Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, sondern nur diejenigen Fehler, die dem FG bei der Handhabung seines Verfahrens unterlaufen und die zur Folge haben, daß es an einer ordnungsgemäßen Grundlage für die Urteilsfällung fehlt; ein Verfahrensmangel kann auch erst bei der Urteilsfällung eintreten.
2. Ein Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht vor, wenn das FG im angefochtenen Urteil u. a. entschieden hat, eine beantragte Beiladung nicht vorzunehmen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Wie in dem Beschluß des erkennenden Senats vom heutigen Tage V B 20/85 (BFH / NV 1988, 448) ausgeführt ist - insoweit wird Bezug genommen -, setzte das FA gegen die aus dem Kl. sowie der Gesellschafterin A bestehende GbR auf dem Schätzungswege die Umsatzsteuer 1979 zunächst auf . . . DM fest. Zugleich erlegte das FA der GbR mit Verfügung vom 5. Februar 1981 einen Verspätungszuschlag von 100 DM auf, an dem das FA auch nach Herabsetzung der Umsatzsteuer auf . . . DM festhielt.
Die von der GbR eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.
Die vom Kl. hierauf eingelegte Klage wurde vom FG mit der Begründung abgewiesen, die Festsetzung des Verspätungszuschlages sei rechtmäßig. Das FA sei für die Festsetzung des Verspätungszuschlages zuständig gewesen. Die die Unterzeichnung des Berechnungsbogens betreffenden Einwendungen gingen ins Leere, da der Sachgebietsleiter mit voller Unterschrift unterzeichnet habe. Es werde ferner für erwiesen gehalten, daß die Festsetzung des Verspätungszuschlages durch das FA und nicht durch eine andere Finanzbehörde versandt worden sei. Die beantragte Beiladung der Mitgesellschafterin gemäß § 60 Abs. 3 FGO werde nicht für geboten gehalten, weil sich der Bescheid nicht gegen die einzelnen Gesellschafter, sondern gegen die GbR richte. Das Urteil enthält keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der vom FG nicht abgeholfen worden ist, beantragt der Kl., die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen Verfahrensmängeln zuzulassen. Er macht geltend, dem FA habe die sachliche und örtliche Zuständigkeit gefehlt. Fehlerhaft sei auch die Unterzeichnung des Berechnungsbogens; zwar sei der den Änderungsbescheid betreffende Berechnungsbogen vom Sachgebietsleiter unterschrieben worden, nicht aber der den ursprünglichen Bescheid betreffende Berechnungsbogen. Die Adressierung des Bescheides sei unzureichend, weil dem Familiennamen der Gesellschafter nicht mindestens ein ausgeschriebener Vorname beigefügt gewesen sei. Die Annahme des FG, daß das FA den Bescheid versandt habe, treffe nicht zu. Das FG habe bei der Unterlassung der Beiladung übersehen, daß die GbR schon vor der Bekanntgabe der Beschwerdeentscheidung und vor der Klageerhebung aufgelöst worden sei.
Nach Ablauf der Beschwerdefrist hat der Kl. weitere Ausführungen gemacht, in denen insbesondere auf das Vorhandensein grundsätzlicher Bedeutung eingegangen wird.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet; sie war zurückzuweisen.
1. Soweit sich der Kl. auf grundsätzliche Bedeutung sowie auf andere Verfahrensmängel als den der unterlassenen Beiladung als Zulassungsgründe beruft, erfüllen die Ausführungen des Kl. nicht die formellen Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, wonach innerhalb der Beschwerdefrist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt bzw. der Verfahrensmangel bezeichnet werden muß (§ 15 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO). Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im bereits zitierten Beschluß V B 20/85 (BFH / NV 1988, 448) verwiesen.
2. Soweit der Kl. als Zulassungsgrund geltend macht, das FG habe zu Unrecht die Beiladung der Mitgesellschafterin abgelehnt, sind zwar die formellen Anforderungen erfüllt. Entgegen der Annahme des Kl. ist insoweit jedoch ein Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht gegeben.
Ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht bei jeder rechtsirrigen Beurteilung einer verfahrensrechtlichen Frage vor. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Irrtum, der das Verfahren des Gerichts bei der Urteilsfindung beeinflußt hat (error in procedendo), und der von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht erfaßten rechtlich falschen Beurteilung von Verfahrensvorschriften, die den Inhalt der angefochtenen Entscheidung selbst bildet (error in iudicando). Einer Zulassungsrüge sind nur zugänglich diejenigen Fehler, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, daß es an einer ordnungsgemäßen Grundlage für die Urteilsfällung fehlt, mithin infolge falscher formaler Behandlung der materielle Inhalt der Entscheidung beeinflußt sein kann. Dabei ist anerkannt, daß ein Verfahrensmangel auch erst mit der Urteilsfällung eintreten kann (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 27. Februar 1986 IV B 6/85, BFHE 146, 204, BStBl II 1986, 492; s. auch: Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 183 ff.; Klein / Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Nichtzulassungsbeschwerde, Revision, Rdnr. 81 ff.).
Der Kl. hat nicht geltend gemacht, daß das FG - etwa versehentlich - die beantragte Beiladung unterlassen habe. Er rügt vielmehr, daß das in der Vorentscheidung ausgesprochene und begründete Abstandnehmen von der Beiladung durch das FG nicht gerechtfertigt sei. Damit will er nicht einen das Verfahren betreffenden möglichen Irrtum des FG, sondern ein tragendes Element der Vorentscheidung in Gestalt des Ausspruches zu einer Verfahrensfrage zur Grundlage der Revisionszulassung machen. Hierfür ist die Regelung in § 115 Abs. 1 Nr. 3 FGO jedoch nicht vorgesehen.
Fundstellen