Entscheidungsstichwort (Thema)
Personelle Verflechtung bei Betriebsaufspaltung: Einstimmigkeitserfordernis; grundsätzliche Bedeutung; Divergenz
Leitsatz (NV)
1. Ob die Voraussetzungen der personellen Verflechtung einer Betriebsaufspaltung vorliegen, ist anhand der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall festzustellen. Dies gilt auch für das in diesem Zusammenhang in der Rechtsprechung erörterte Einstimmigkeitserfordernis bei Beschlüssen der Betriebs-GmbH. Der Beantwortung dieser Rechtsfragen kommt daher keine grundsätzliche Bedeutung zu.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz umfasst das Abweichen des FG-Urteils nicht nur von der Rechtsprechung des BFH, sondern von der Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte. Eine Divergenz liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit den tragenden Rechtsausführungen einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht übereinstimmt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 20.09.2006; Aktenzeichen 9 K 3029/04) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer schlüssig und substantiiert vortragen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. August 2003 VII B 260/02, BFH/NV 2004, 69, und vom 13. Juni 2005 I B 239/04, BFH/NV 2005, 1840, beide jeweils m.w.N.).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) trägt vor, dass es zu der Rechtsfrage, in welchem Umfang stimmrechtsbeschränkende schuldrechtliche Nebenabreden neben der Satzung einer GmbH zivilrechtlich bestehen könnten, keine Rechtsprechung gebe, die sich zugleich mit der steuerrechtlichen Frage befasse, wie weit solche schuldrechtlichen Nebenabreden auch steuerlich berücksichtigt werden könnten.
Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, da sich ihre Antwort entgegen der Rechtsauffassung des Klägers bereits aus dem Gesetz und der vorhandenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und des BFH entnehmen lässt.
a) Nach § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sind die ordentlichen Gerichte u.a. für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig. Der BGH ist gemäß § 133 GVG die Revisionsinstanz in Zivilsachen. Demgegenüber sind die Finanzgerichte (FG) und der BFH nach §§ 35, 36 i.V.m. § 33 FGO in erster Linie für abgabenrechtliche Streitigkeiten zuständig. Diese gesetzliche Zuständigkeitsregelung hat zur Folge, dass die ordentlichen Gerichte über die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage der grundsätzlichen zivilrechtlichen Zulässigkeit von schuldrechtlichen Nebenabreden neben der Satzung einer GmbH zu entscheiden haben (vgl. z.B. BGH-Urteil vom 7. Juni 1993 II ZR 81/92, BGHZ 123, 15), während die Rechtsfrage der steuerrechtlichen Anerkennung derartiger Nebenabreden durch die FG und in letzter Instanz durch den BFH zu beantworten ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. August 1996 X R 25/93, BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44). Dieser gesetzlich festgelegten Zuständigkeit entspricht der vom Kläger beanstandete Umstand, dass es keine höchstrichterliche Entscheidung gibt, die zugleich einerseits die zivilrechtliche Zulässigkeit derartiger Abreden und andererseits auch deren steuerrechtliche Anerkennung abschließend klärt.
b) Der BFH hat schon mehrfach entschieden, dass anhand der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall festzustellen ist, ob die Voraussetzungen der personellen Verflechtung einer Betriebsaufspaltung vorliegen (z.B. Urteil in BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44; Beschluss des Großen Senats vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, und Beschluss vom 12. Februar 1998 VIII B 22/97, BFH/NV 1998, 852). In diesem Zusammenhang hat sich der BFH auch mit der Frage des Einstimmigkeitserfordernisses bei Beschlüssen der Betriebs-GmbH befasst (Urteile in BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44, und vom 21. Januar 1999 IV R 96/96, BFHE 187, 570, BStBl II 2002, 771, jeweils m.w.N.). Da die Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage hiernach von der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall abhängt, kann ihr keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2007 VII B 304/06, BFH/NV 2007, 2060, m.w.N.).
2. Auch der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist nicht gegeben.
a) Dem Kläger ist zwar darin zu folgen, dass dieser Zulassungsgrund die Divergenz des FG-Urteils nicht nur zur Rechtsprechung des BFH, sondern auch zu der Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte --mithin auch des BGH-- umfasst (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 49). Eine Divergenz liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit den tragenden Rechtsausführungen einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht übereinstimmt (BFH-Beschluss vom 28. Januar 2002 VII B 41/01, BFH/NV 2002, 932).
Das FG ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht von den tragenden Rechtsausführungen des BGH in seinem Urteil in BGHZ 123, 15 abgewichen.
Der Kläger hat selbst darauf hingewiesen, dass die genannte Entscheidung des BGH sich mit der Frage befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen eine außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses getroffene Abrede zur Amtszeit von Aufsichtsratsmitgliedern zivilrechtlich wirksam ist. Eine derartige Abrede ist nach Auffassung des BGH ohne Einhaltung der für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften unwirksam. Demgegenüber geht es im Streitfall um die zivilrechtliche Wirksamkeit einer außerhalb der GmbH-Satzung getroffenen schuldrechtlichen Vereinbarung der Gesellschafter, nur einstimmige Beschlüsse zu fassen. In diesem Zusammenhang hat der BGH in seinem Urteil in BGHZ 123, 15 lediglich ausgeführt, auf die Abstimmungen in der Gesellschafterversammlung bezogene Verhaltens- oder Unterlassungspflichten könnten unter Umständen in eine zulässige schuldrechtliche Nebenabrede umgedeutet werden. Diesen allgemein gehaltenen Ausführungen des BGH lässt sich nicht entnehmen, dass die im Streitfall getroffene Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau zur einstimmigen Beschlussfassung bei der Betriebs-GmbH zwingend als eine zivilrechtlich zulässige schuldrechtliche Nebenabrede hätte beurteilt werden müssen.
b) Mit seinen Ausführungen wendet sich der Kläger im Kern gegen die materielle Rechtmäßigkeit des FG-Urteils, wobei er seine Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen des FG setzt. Dies vermag die Zulassung der Revision aber nicht zu rechtfertigen. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich auch kein offensichtlicher Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung (z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2003 III B 125/02, BFH/NV 2003, 1445, m.w.N.), der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO führt.
Fundstellen
Haufe-Index 1891430 |
BFH/NV 2008, 384 |