Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Beschwerde in Kostensachen
Leitsatz (NV)
1. Der Ausschluß der Beschwerdemöglichkeit gemäß Art. 1 Nr. 4 BFHEntlG gilt auch für isolierte Kostenentscheidungen.
2. Zur Statthaftigkeit einer im Gesetz nicht vorgesehenen Beschwerde wegen ,,greifbarer Gesetzeswidrigkeit".
Normenkette
FGO § 145 Abs. 2; BFHEntlG Art. 1 Nr. 4
Tatbestand
Die Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) erhoben mit am 22. Februar 1985 beim Finanzgericht (FG) eingegangenem Schriftsatz gegen den Beklagten, Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) Klage mit dem Antrag, das FA anzuweisen, auf der Lohnsteuerkarte für 1985 des Klägers einen Steuerfreibetrag von 22 497 DM und auf der Lohnsteuerkarte für 1985 der Klägerin einen Freibetrag von 2 906 DM einzutragen. Mit einem weiteren, am gleichen Tage beim FG eingegangenen Schriftsatz beantragten die Kläger ferner den Erlaß einer entsprechenden einstweiligen Anordnung.
Mit Schreiben vom 25. Juli 1986 empfahl der Berichterstatter beim FG den Klägern, die Klage und den Anordnungsantrag zurückzunehmen, ,,da durch den eingetretenen Zeitablauf die Eintragung des Freibetrags für 1985 gegenstandslos geworden und damit auch kein Rechtsschutzinteresse mehr erkennbar" sei.
Die Kläger antworteten, daß eine Rücknahme der Klage und des Antrags aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht komme. Die Beteiligten erklärten jedoch beide Verfahren in der Hauptsache für erledigt und stellten widerstreitende Kostenanträge.Das FG erließ in beiden Verfahren (isolierte) Kostenentscheidungen, mit denen es die Kosten des Verfahrens gemäß § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeneinander aufhob. Zur Begründung führte es aus, es sei nicht abzusehen, wie die Entscheidung des Senats bei dem vorliegenden Sach- und Streitstand ausgefallen wäre.
Gegen die Kostenentscheidungen haben die Kläger mit zwei inhaltsgleichen Schreiben Beschwerden eingelegt und diese wie folgt begründet:
Die Beschwerden seien gemäß § 145 Abs. 2 FGO zulässig. Falls sie gemäß Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) formal unzulässig sein sollten, müsse berücksichtigt werden, daß das FG seiner gesetzlichen Verpflichtung zu einer Entscheidung innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht nachgekommen sei, so daß eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes vorliege.
Die Beschwerden seien auch begründet. Denn das FG habe es sich bei seiner Kostenentscheidung zu einfach gemacht, da bereits nach ihrem, der Kläger, unbestrittenen Vortrag mit einem vollständigen, zumindest aber ganz überwiegenden Obsiegen zu rechnen gewesen sei. Den wesentlichen Streitpunkt zwischen den Beteiligten hätten die Fahrtkosten des Klägers dargestellt. Dieser Punkt sei durch das FA bereits ab 1983 im Wege einer vergleichsweisen Einigung anerkannt worden. Für das Streitjahr 1985 sei vom gleichen Sachverhalt auszugehen gewesen. Es könne unmöglich angehen, ihnen, den Klägern, nicht nur einen wirksamen Rechtsschutz zu versagen, sondern trotz mutmaßlichen Obsiegens auch noch die Kosten zu wesentlichen Teilen aufzubürden.
Das FA beantragt, die Beschwerden als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die Verfahren VI B 78/87 und VI B 79/87 werden in sinngemäßer Anwendung von § 73 FGO zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Beschwerden sind unzulässig.
Gemäß Art. 1 Nr. 4 BFHEntlG ist die Beschwerde gegen Entscheidungen der FG in Kostenstreitigkeiten nicht gegeben. Dies gilt auch für sog. isolierte Kostenentscheidungen, wie sie hier vom FG getroffen worden sind (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Dezember 1979 VII B 48/76, BFHE 129, 304, BStBl II 1980, 199).
Zu Unrecht meinen die Kläger demgegenüber, die Beschwerden müßten unbeschadet der Suspendierung des § 145 Abs. 2 FGO durch Art. 1 Nr. 4 BFHEntlG zulässig sein, weil das FG nicht rechtzeitig Rechtsschutz gewährt habe. Zwar ist anerkannt, daß auch gegen gesetzlich unanfechtbare Entscheidungen wegen ,,greifbarer Gesetzeswidrigkeit" die Beschwerde gegeben ist. Dies wird jedoch nur dann angenommen, wenn der Entscheidung jegliche gesetzliche Grundlage fehlt, insbesondere, wenn eine Entscheidung dieser Art oder diesen Inhalts oder dieser Stelle oder aufgrund eines derartigen Verfahrens im Gesetz überhaupt nicht vorgesehen ist (BFH-Beschluß vom 26. Mai 1977 V B 7/77, BFHE 122, 256, BStBl II 1977, 628). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Denn die Beteiligten hatten die Hauptsachen für erledigt erklärt und Kostenentscheidungen beantragt. Diese hat das FG getroffen, wenn auch mit pauschalen Begründungen.
Der Senat kann offenlassen, wie zu entscheiden wäre, wenn das FG die vorgenommene Kostenverteilung mit dem Fortfall des Rechtsschutzinteresses durch den inzwischen eingetretenen Zeitablauf begründet hätte. Denn damit hat das FG seine Entscheidungen nicht begründet.
Fundstellen
Haufe-Index 415314 |
BFH/NV 1988, 254 |