Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Revisionszulassung wegen truppenzollrechtlicher Fragen
Leitsatz (NV)
Die rechtlichen Voraussetzungen der Abgabenbefreiung nach deutsch-russischem Truppenzollrecht sind höchstrichterlich geklärt, diesbezügliche Fragen mithin nicht mehr von grundsätzlicher Bedeutung.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; AAV Art. 16 Abs. 2, 12; AAV Anl. 3 Abschn. I Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer ließ als Hauptverpflichteter im Mai und Juni 1994 4 Sendungen Spirituosen, die angabegemäß für ein anderes Unternehmen an die russischen Truppen im Beitrittsgebiet geliefert werden sollten, zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren (T 1) abfertigen. Die Sendungen wurden nicht gestellt, sondern, nach Angabe des Klägers, unmittelbar an die Truppe in W ausgeliefert. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) nahm den Kläger wegen der Eingangsabgaben in Anspruch (Steuerbescheide vom 23. November 1994, bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 1995). Die Klage wurde abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Kläger schulde die Abgaben aufgrund von Art. 203 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) in Verbindung mit den Verbrauchsteuervorschriften. Dasselbe gälte bei der Anwendung von Art. 204 Abs. 1 ZK; die Voraussetzungen nach Art. 859 Nr. 6 der ZK-Durchführungsverordnung seien nicht erfüllt. Ebenfalls nicht erfüllt seien die truppenzollrechtlichen Erfordernisse (Mängel der Abwicklungsscheine und des Beschaffungsvertrags).
Mit Berufung auf Divergenz der Vorentscheidung von dem Senatsbeschluß vom 31. August 1993 VII B 80/93 (BFH/NV 1994, 210) und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begehrt der Kläger die Zulassung der Revision gegen dieses Urteil. Er trägt vor, es sei über das Verhältnis des -- spezielleren -- Truppenzollrechts zum Gemeinschaftszollrecht rechtsgrundsätzlich zu entscheiden. Nur subsidiär komme das gemeinschaftliche Zollschuldrecht in Betracht, hier lediglich mit Art. 202 ZK, wobei auf die Anforderungen des zwischenstaatlichen Truppenzollrechts (deutsch-sowjetischer Aufenthalts- und Abzugsvertrag -- AAV -- vom 12. Oktober 1990, BGBl II 1991, 258) abzustellen sei. Diese Anforderungen habe das FG unter Verkennung der mit dem AAV verfolgten Absichten überspannt.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.
Divergenz -- § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) -- ist nicht ordnungsgemäß bezeichnet (vgl. zur Bezeichnung gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1993, § 115 Anm. 63), im übrigen auch nicht erkennbar.
Die Frage, welche Erfordernisse im Hinblick auf die truppenzollrechtliche Abgabenbefreiung (Art. 16 Abs. 2 und 12 in Verbindung mit Anlage 3 Abschn. I Abs. 2 AAV) für den Abwicklungsschein und den Beschaffungsvertrag gelten, ist nicht (mehr) klärungsbedürftig und somit nicht rechtsgrundsätzlicher Art im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 4. Juni 1996 VII R 92/95, BFH/NV 1996, 942), daß die Abgabenbefreiung ordnungsgemäße Lieferverträge und Abwicklungsscheine voraussetzt. Zwar können kleinere Mängel des Abwicklungsscheins unschädlich sein, wenn im Einzelfall die begünstigte Verwendung der Lieferung nicht in Zweifel zu ziehen ist, doch hängt die Entscheidung hierüber im wesentlichen von einer tatsächlichen Würdigung ab. In dem Vorbringen, das FG habe die Anforderungen überspannt, kann nicht die Geltendmachung von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) bezüglich der hier erfolgten tatsächlichen Bewertung gesehen werden.
Das Verhältnis zwischen Art. 203 und Art. 204 ZK (zu ihm Senat, Urteil vom 16. Juli 1996 VII R 97/94, BFH/NV 1997, 79) ist, weil -- wie von der Beschwerde selbst eingeräumt -- nicht entscheidungserheblich, auch nicht klärungsfähig. Das FG hat die Entstehung der Abgaben nach jeder dieser Vorschriften bejaht und das Vorliegen der Ausschlußvoraussetzungen nach Art. 204 Abs. 1, letzter Halbsatz ZK ("es sei denn") verneint.
Gleichfalls nicht klärungsfähig ist die Frage, ob das hier maßgebende zwischenstaatliche Truppenzollrecht, das nach Auflösung der Sowjetunion in bezug auf die russischen Truppen weitergalt (Nr. 5 der Bekanntmachung vom 14. August 1992, BGBl II 1992, 1016), als "Spezialgesetz" gegenüber dem Gemeinschaftszollrecht anzusehen ist (vgl. zur Spezialität des NATO-Truppenzollrechts Senat, Urteil vom 30. Januar 1996 VII R 84/95, BFHE 179, 508). Auf sie kommt es nicht an, weil es im Streitfall nicht um die Abgabenentstehung für Truppengut, sondern um die für Versandgut geht, das allenfalls dazu bestimmt war, in die einfuhrabgabenbegünstigte Verwendung übergeführt zu werden. Jedenfalls die Entziehung von (Drittlands-)Versandgut bzw. die Nichterfüllung verfahrensrechtlicher Pflichten bezüglich solcher Waren ist allein nach den Vorschriften des Gemeinschaftszollrechts zu beurteilen, ohne Berücksichtigung der mit dem AAV verfolgten Absichten, die möglicherweise bei der zollschuldrechtlichen Behandlung von Truppengut von Belang sein könnten.
Ob bei Erfüllung der truppenzollrechtlichen Voraussetzungen die Entstehung einer Zollschuld auf Grund von Art. 204 Abs. 1, letzter Halbsatz ZK auszuschließen wäre, kann offen bleiben (so schon für das frühere Zollschuldrecht Urteil in VII R 97/94). Abgesehen davon, daß die Beschwerde dieses Rechtsproblem nicht anschneidet, wäre auch die vorbezeichnete Frage nicht klärungsfähig. Denn nach den Feststellungen des FG müßte davon ausgegangen werden, daß den truppenzollrechtlichen Erfordernissen nicht genügt worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 421775 |
BFH/NV 1997, 271 |