Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung monoklonaler Reagenzien

 

Leitsatz (NV)

Wie sind Warenzusammenstellungen mit monoklonalen diagnostischen Reagenzien (Antikörper) als Hauptbestandteil zolltariflich einzureihen (Vorlage an den EuGH)?

 

Normenkette

KN Pos. 3002, 3822; AV 3b

 

Tatbestand

Die beklagte Oberfinanzdirektion - OFD - erteilte der Klägerin vier verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) - Nr. . . . vom 26. Mai 1989 und Nr. . . . vom 6. Juni 1989 - über ,,Test-Kits" mit verschiedenen Laborreagenzien, alle in gemeinschaftlichen Umschließungen für den Einzelverkauf, zur Verwendung als Immunoassay in der Diagnostik (Nachweis/Bestimmung bestimmter Stoffe in Humanserum und -plasma usw.). Sämtliche Waren wurden unter Berücksichtigung des jeweiligen monoklonalen diagnostischen Reagens als charakterbestimmenden Bestandteils und seiner Beschaffenheit (Flasche mit Kugeln, beschichtet mit Anti-Hepatitis B-Surface; Reaktionsplatten, beschichtet mit Anti-Human-Choriogonadotropin; Flasche mit Mikropartikeln, beschichtet mit Anti-Alpha-Fetoprotein; Flasche mit Antiserum; alle: Maus) der Unterposition 3002 9090 der Kombinierten Nomenklatur (KN) - Toxine . . . und ähnliche Erzeugnisse - zugewiesen (Einreihung aufgrund der Allgemeinen Vorschrift - AV - 3b). Der Einspruch der Klägerin, die sich u. a. auf eine ihr von der britischen Zollverwaltung für eine der Zusammenstellungen erteilte unverbindliche Tarifauskunft - Einreihung als ,,tierisches Blut, zu . . . diagnostischen Zwecken zubereitet"; Unterposition 3002 9030 - berief, blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 31. August 1990).

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der ihr von der OFD erteilten vier vZTA und die Zuweisung der Warenzusammenstellungen zu Unterposition 3002 1010 - Antisera - begehrt. Die Klägerin trägt vor, die monoklonalen Antikörper (als Hauptbestandteile) stammten von einer Ausgangszelle des antigenifizierten Spendertieres (Maus), aus der mittels Verschmelzung mit einer Krebszelle eine Hybridzelle entstehe. Diese werde auf einem Nährboden (in vitro) vermehrt, so daß sich einzelne Klone ergäben. Es handele sich um reine Immunoglobuline, die als Antisera anzusehen seien. Antikörper könnten nicht als Toxine und ähnliche Erzeugnisse beurteilt werden, da darunter nur Antigene zu verstehen seien. Insbesondere handele es sich nicht um diagnostische Reagenzien mikrobiologischen Ursprungs; vielmehr seien die monoklonalen Antikörper tierischen Ursprungs.

Demgegenüber vertritt die OFD die Auffassung, der Begriff ,,ähnliche Erzeugnisse" sei weit auszulegen; auch Antikörper könnten hierunter fallen. Die vorliegenden Waren seien aufgrund ihrer Gewinnung diagnostische Reagenzien mikrobiologischen Ursprungs, zumindest aber diesen ähnlich. Antisera lägen nicht vor, weil es sich hier nicht um flüssige, beim Gerinnen abgeschiedene spezifische Blutfraktionen handele. Vielmehr handele es sich um mit Hilfe der Hybridoma-Technik hergestellte monoklonale Antikörper, auch wenn diese der Beschaffenheit nach den im Serum immunisierter Tiere enthaltenen - jedoch polyklonalen - Antikörpern entsprächen.

 

Entscheidungsgründe

Im Streitfalle stellen sich Fragen der Auslegung von Gemeinschaftsrecht (KN). Der Senat ist daher nach Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Anrufung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften verpflichtet.

Mit den Beteiligten geht der Senat davon aus, daß alle ,,Test-Kits" für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen sind, die nach dem charakterbestimmenden Bestandteil einzureihen sind (AV 3b). Charakterbestimmend ist das jeweilige monoklonale diagnostische Reagens. Dieses ist - auch insoweit wird den Beteiligten zu folgen sein - ein Erzeugnis der Position 3002. Fraglich ist indessen, welche Unterposition zutrifft. Die Unterposition 3002 9030 dürfte nach der Beschaffenheit der Waren, wie sie sich aufgrund ihrer (von den Beteiligten übereinstimmend dargestellten) Gewinnung ergibt, auszuscheiden sein. Damit verbleiben die Unterpositionen für ,,Antisera" - 3002 1010 - und ,,. . . andere" (Erzeugnisse) - 3002 9090 -. Antisera sind Blutfraktionen. Die Erläuterungen zum Harmonisierten System (zu Position 3002 Abschn. C Rdnr. 06.0) definieren Sera als flüssige Blutfraktionen, die sich beim Gerinnen abscheiden. Wenn dies auch für Antisera (abgeleitet aus ihrem zolltariflichen Begriff), ggf. einschließlich der Immunoglobuline, zutreffen sollte, könnten die Erzeugnisse im Hinblick auf ihre Herstellung schwerlich als ,,Antisera" behandelt werden (das gilt auch für den als ,,Antiserum" bezeichneten Hauptbestandteil der in der vZTA Nr. . . . tarifierten Warenzusammenstellung). In diesem Falle bliebe nur übrig, die Waren der Unterposition 3002 9090 zuzuweisen. Dem stände nicht entgegen, daß es sich bei ihnen weder um die in den Erläuterungen (a.a.O., Abschn. D, Rdnr. 10.0 ff.) aufgeführten Antigene noch - möglicherweise - um die dort ebenfalls nur beispielhaft angesprochenen diagnostischen Reagenzien mikrobiologischen Ursprungs handelt. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß bei der Tarifierung grundsätzlich nur auf die objektive Beschaffenheit der Waren abzustellen ist, auf die Art und Weise der Herstellung nur, soweit sich dies aus dem Zolltarif ergibt (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 25. Mai 1989 Rs. 40/88, Slg. 1989, 1395, 1419). Es fragt sich, ob allein der Begriff ,,Antisera" eine ausreichende Bezugnahme auf die Gewinnungsart darstellt. Aus diesem Grunde, aber auch, weil, wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, in anderen Mitgliedstaaten unterschiedliche Aufassungen über die Einreihung der Erzeugnisse bestehen, hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

,,1. Ist der Gemeinsame Zolltarif - Kombinierte Nomenklatur - dahin auszulegen, daß Warenzusammenstellungen (,,Test-Kits") mit einem monoklonalen diagnostischen Reagens - Antikörper - als Hauptbestandteil, wie in den Gründen beschrieben, in Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 3b als ,,ähnliche Erzeugnisse" im Sinne von Unterposition 3002 9090 anzusehen sind?

2. Falls Frage 1 verneint wird: Ergibt die zolltarifliche Auslegung, daß die betreffenden Erzeugnisse als Antisera in die Unterposition 3002 1010 einzureihen sind?

3. Falls auch Frage 2 verneint wird: Welcher anderen Unterteilung von Position 3002 oder welcher anderen Position des Zolltarifs (etwa 3822) sind die vorstehend bezeichneten Erzeugnisse zuzuweisen?"

 

Fundstellen

Haufe-Index 417850

BFH/NV 1992, 281

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