Leitsatz (amtlich)
1. Den BFH-Urteilen vom 30.Januar 1980 II R 90/75 (BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316); vom 15.Oktober 1980 II R 127/77 (BFHE 131, 448, BStBl II 1981, 84), und vom 12.Oktober 1983 II R 56/81 (BFHE 139, 432, BStBl II 1984, 140) kann nicht der allgemeine Rechtssatz entnommen werden, eine fehlende inhaltliche Bestimmtheit von Steuerbescheiden infolge unaufgegliederter Zusammenfassung mehrerer Rechtsvorgänge könne in jedem Fall nur zur Rechtswidrigkeit im Sinne von Anfechtbarkeit und nicht auch zur Nichtigkeit des Steuerbescheides i.S. von § 125 AO 1977 führen.
2. Ob ein entgegen § 119 Abs.1 AO 1977 inhaltlich nicht hinreichend bestimmter Steuerbescheid an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler i.S. von § 125 Abs.1 AO 1977 leidet und deshalb nichtig ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden.
Orientierungssatz
1. Den Anforderungen an die Begründung einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht genügt, wenn der Kläger hinsichtlich einer Rechtsfrage eine Divergenz nicht geltend gemacht hat (vgl. BFH-Beschluß vom 30.3.1983 I B 9/83).
2. Die Rechtsfrage, bis zu welcher Grenze die unaufgegliederte Zusammenfassung mehrerer Erwerbsvorgänge i.S. des Grunderwerbsteuerrechts die inhaltliche Bestimmtheit von Grunderwerbsteuerbescheiden nicht beeinträchtigt, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die zur Gesellschaftsteuer ergangene BFH-Rechtsprechung enthält die allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätze zu den Anforderungen an den notwendigen Inhalt von Steuerbescheiden, mit denen mehrere selbständig steuerpflichtige Erwerbsvorgänge erfaßt werden sollen. Diese Rechtsgrundsätze gelten unabhängig von der jeweiligen Steuerart.
Normenkette
AO 1977 § 119 Abs. 1, § 124 Abs. 3, § 125 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3, Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
I. Die Klägerin hatte 1970 durch 20 Kaufverträge von jeweils unterschiedlichen Personen Grundstücke erworben, die eine zusammenhängende Fläche bildeten. Wegen dieser Erwerbsvorgänge hatte das beklagte Finanzamt (FA) im Wege der Nachversteuerung durch einen einzigen --bestandskräftig gewordenen-- Bescheid Grunderwerbsteuer hinsichtlich der nicht steuerbegünstigt verwendeten Teilflächen einheitlich festgesetzt, ohne die Erwerbsvorgänge, die erworbenen Grundstücke und die hierauf jeweils entfallende Nachsteuer nebst Aufgeld im einzelnen auszuweisen.
Später waren dem FA Umstände bekannt geworden, die es zum Anlaß genommen hat, die Nachsteuer nebst Aufgeld durch Änderungsbescheid nach § 173 Abs.1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zu erhöhen. Dieser Änderungsbescheid war formell ebenso gestaltet wie der ursprüngliche Bescheid. Das Klageverfahren hinsichtlich des Änderungsbescheides ruht. In diesem Verfahren hat der Berichterstatter das FA auf eine mögliche Nichtigkeit der Bescheide wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit hingewiesen. Das FA übernahm diese Rechtsauffassung und erließ für jeden der 20 Erwerbsvorgänge getrennte Nachversteuerungsbescheide.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat den ursprünglichen Steuerbescheid und den Änderungsbescheid wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit für nichtig angesehen. Es hat die Revision nicht zugelassen und der Beschwerde der Klägerin hiergegen nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Divergenz i.S. von § 115 Abs.2 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nicht vor, weil das Urteil der Vorinstanz in der von der Klägerin angesprochenen Rechtsfrage keine andere Ansicht vertritt als der Bundesfinanzhof (BFH) in den von der Klägerin genannten Entscheidungen vom 30.Januar 1980 II R 90/75 (BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316); vom 15.Oktober 1980 II R 127/77 (BFHE 131, 448, BStBl II 1981, 84), und vom 12.Oktober 1983 II R 56/81 (BFHE 139, 432, BStBl II 1984, 140). Diesen Urteilen kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der allgemeine Rechtssatz entnommen werden, eine fehlende hinreichende inhaltliche Bestimmtheit von Steuerbescheiden infolge unaufgegliederter Zusammenfassung mehrerer Rechtsvorgänge könne in jedem Fall nur zur Rechtswidrigkeit im Sinne von Anfechtbarkeit und nicht auch zur Nichtigkeit i.S. von § 125 AO 1977 mit der Rechtsfolge des § 124 Abs.3 AO 1977 führen.
Das Urteil in BFHE 139, 432, BStBl II 1984, 140 ist für diese Frage schon deshalb ohne Bedeutung, weil es einen Fall eines inhaltlich hinreichend bestimmten und deshalb auch insoweit nicht rechtswidrigen und erst recht nicht nichtigen Bescheides betraf. Nicht zu entscheiden war, ob das FG von diesem Senatsurteil etwa deshalb abgewichen ist, weil im Streitfall zwischen den Beteiligten kein Streit darüber bestand, welche Steuerfälle zusammengefaßt wurden. Denn die Klägerin hat insoweit eine Divergenz nicht geltend gemacht und demnach den Anforderungen an die Begründung einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde nicht genügt (vgl. § 115 Abs.3 Satz 3 FGO; BFH-Beschluß vom 30.März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).
Das Urteil in BFHE 131, 448, BStBl II 1981, 84 betrifft zwar den Fall eines nicht hinreichend bestimmten Steuerbescheides. Diesem Urteil kann aber nicht entnommen werden, ob dieser Mangel des Steuerbescheides lediglich zur Rechtswidrigkeit im Sinne von Anfechtbarkeit oder zur Nichtigkeit i.S. von § 125 AO 1977 führt. Das Urteil spricht insoweit nur von einem seinem Inhalt nach fehlerhaften Steuerbescheid.
Dasselbe gilt auch für das Urteil in BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316. Zwar ist für den dortigen Streitfall entschieden, daß der inhaltlich nicht hinreichend bestimmte Steuerbescheid "rechtswidrig" ist. Ein allgemeiner Rechtssatz dahingehend, daß bei inhaltlich nicht hinreichend bestimmten Steuerbescheiden stets nur Rechtswidrigkeit im Sinne von Anfechtbarkeit anzunehmen ist, kann hieraus aber nicht abgeleitet werden. Denn ob ein entgegen § 119 Abs.1 AO 1977 inhaltlich nicht hinreichend bestimmter Steuerbescheid an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler i.S. von § 125 Abs.1 AO 1977 leidet und deshalb nichtig ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden, so daß dem Urteil in BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316 insoweit keine Bedeutung über den dort entschiedenen Einzelfall hinaus zukommt.
2. Die von der Klägerin für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage, bis zu welcher Grenze die unaufgegliederte Zusammenfassung mehrerer Erwerbsvorgänge im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts die inhaltliche Bestimmtheit von Grunderwerbsteuerbescheiden nicht beeinträchtigt, ist nicht eine solche von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs.2 Nr.1 FGO. Denn diese Rechtsfrage ist bereits höchstrichterlich hinreichend entschieden worden. Zwar trifft der Hinweis der Klägerin zu, daß solche höchstrichterlichen Entscheidungen noch nicht zur Grunderwerbsteuer vorliegen. Es liegen aber die drei von der Klägerin selbst genannten Urteile des BFH vor, die zur Gesellschaftsteuer ergangen sind. Diese Urteile enthalten die allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätze zu den Anforderungen an den notwendigen Inhalt von Steuerbescheiden, mit denen mehrere selbständig steuerpflichtige Erwerbsvorgänge erfaßt werden sollen. Diese Rechtsgrundsätze gelten unabhängig von der jeweiligen Steuerart. Ein darüber hinausgehender Entscheidungsbedarf ist nicht erkennbar.
Ob der Senat bei einer revisionsrechtlichen Überprüfung des FG-Urteils den Ausführungen hinsichtlich der fehlenden inhaltlichen Bestimmtheit und der Nichtigkeit folgen könnte, muß offen bleiben. Denn ein Grund zur Zulassung der Revision, der über das Interesse der Klägerin an der Klärung ihres Einzelfalles hinausgeht, liegt nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 62073 |
BFH/NV 1989, 1 |
BFHE 154, 439 |
BFHE 1989, 439 |
BB 1989, 61-61 (L) |
DB 1989, 28 (K) |
DStR 1989, 37 (K) |
HFR 1989, 179 (LT) |