Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulängliche Revisionsbegründung durch einen Rechtsanwalt
Leitsatz (NV)
1. Schriftlichen Ausführungen in früheren Verfahrensabschnitten, insbesondere diejenigen zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, machen eine gesonderte Revisionsbegründung nicht entbehrlich.
2. Von einem Rechtsanwalt, der als Prozessbevollmächtigter oder in eigener Sache beim BFH ein Rechtsmittel einlegt, muss erwartet werden, dass er die Voraussetzungen und die Anforderungen für dieses Rechtsmittel kennt oder sich zumindest davon Kenntnis verschafft (BFH-Entscheidungen vom 23. November 1992 III B 76/92, BFH/NV 1994, 105, vom 1. September 2003 VII B 171/03, BFH/NV 2004, 72; vom 7. Januar 1998 VII B 222/97, BFH/NV 1998, 616 und vom 31. März 1993 II B 170/92, BFH/NV 1994, 179).
Normenkette
FGO § 56 Abs. 2, § 116 Abs. 7, § 120 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 14.06.2005; Aktenzeichen 5 K 4169/03) |
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat eine Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) gegen einen Grunderwerbsteuerbescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) als unbegründet zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Bundesfinanzhof (BFH) durch Beschluss vom 14. September 2005 II B 161/04 die Revision zugelassen. Der Beschluss wurde dem zum postulationsfähigen Personenkreis i.S. des § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) gehörenden Kläger am 17. Oktober 2005 zugestellt. In den "Rechtlichen Hinweisen" des Beschlusses wird u.a. darauf hingewiesen, dass die Revisionsbegründung innerhalb eines Monats nach Zustellung des (Zulassungs-)Beschlusses beim BFH einzureichen ist.
Mit Schreiben des Vorsitzenden des II. Senats des BFH vom 28. November 2005 wurde der Kläger davon unterrichtet, dass innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist eine Revisionsbegründung beim BFH nicht eingegangen sei, und auf § 56 FGO hingewiesen.
Durch Fax vom 1. Dezember 2005 teilte der Kläger mit, dass der Schriftsatz vom 13. Januar 2005, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde begründet worden sei, in Verbindung mit dem bisherigen Vorbringen in der Vorinstanz die Revisionsbegründung bereits enthalte. Für den Fall, dass der Senat seine Auffassung nicht teile, beantrage er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist sei angesichts der Revisionspraxis in Zivilsachen entschuldbar, wonach "bei Nichtzulassung der Revision ohne besondere weitere Begründung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfolge".
Das FA hat sich zur Revision des Klägers bislang nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
Mit der Stattgabe der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt (§ 116 Abs. 7 Satz 1 FGO). Es bedurfte deswegen keiner gesonderten Einlegung der Revision, wohl aber nach § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO der Begründung der Revision. Die Frist hierfür beträgt nach dem 2. Halbsatz der Vorschrift im Falle des § 116 Abs. 7 FGO für den Kläger als Beschwerdeführer einen Monat nach der Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision. Dieser wurde an den Kläger am 17. Oktober 2005 zugestellt; innerhalb der sich anschließenden Monatsfrist hat der Kläger keine Revisionsbegründung eingereicht.
Entgegen der Auffassung des Klägers machen seine schriftlichen Ausführungen in früheren Verfahrensabschnitten, insbesondere diejenigen zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde eine gesonderte Revisionsbegründung nicht entbehrlich. Vielmehr verlangt das Gesetz ausdrücklich die Angabe der Revisionsgründe, und zwar die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Es kann dahinstehen, ob im Streitfall die Revisionsbegründung ausnahmsweise auch durch eine Bezugnahme auf früheres Vorbringen des Klägers hätte erfolgen können (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Anm. 61, m.w.N.), denn eine Begründung durch entsprechende Bezugnahme wurde innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht vorgelegt.
Auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO kann nicht gewährt werden. Dabei kann offen bleiben, ob die Wiedereinsetzung schon daran scheitert, dass innerhalb der Antragsfrist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO die versäumte Rechtshandlung nicht nachgeholt wurde (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO), weil die Ausführungen des Klägers in seinem Fax vom 1. Dezember 2005 und die weitgehenden Bezugnahmen auf früheres Vorbringen den Begründungsanforderungen nicht entsprechen. Denn die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert hier jedenfalls daran, dass der Kläger nicht ohne Verschulden daran gehindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe sich ausgehend von den revisionsrechtlichen Vorschriften der Zivilprozessordnung eine fehlerhafte Vorstellung von den revisionsrechtlichen Anforderungen nach der FGO gemacht. Denn von einem Rechtsanwalt, der als Prozessbevollmächtigter oder in eigener Sache beim BFH ein Rechtsmittel einlegt, muss erwartet werden, dass er die Voraussetzungen und die Anforderungen für dieses Rechtsmittel kennt oder sich zumindest davon Kenntnis verschafft (BFH-Entscheidungen vom 23. November 1992 III B 76/92, BFH/NV 1994, 105; vom 1. September 2003 VII B 171/03, BFH/NV 2004, 72; vom 7. Januar 1998 VII B 222/97, BFH/NV 1998, 616, und vom 31. März 1993 II B 170/92, BFH/NV 1994, 179). Der Kläger, der als Rechtsanwalt in eigener Sache gehandelt hat, hätte daher wissen müssen, dass die Revision innerhalb der Monatsfrist zu begründen war.
Fundstellen
Haufe-Index 1507133 |
BFH/NV 2006, 1304 |