Entscheidungsstichwort (Thema)
Ort der Geschäftsleitung ausschließlich in Berlin i.S.d. § 21 Abs. 2 BerlinFG
Leitsatz (NV)
1. Eine Kapitalgesellschaft kann immer nur einen Ort der Geschäftsleitung haben.
2. Der Ort der Geschäftsleitung kann entweder dauerhaft oder doch zeitlich vorübergehend verändert werden, wenn der Geschäftsleiter den für die Geschäftsleitung maßgebenden Willen regelmäßig außerhalb der Räume der Kapitalgesellschaft bildet.
3. Eine zeitlich vorübergehende Verlagerung des Ortes der Geschäftsleitung außerhalb von Berlin (West) während eines Wirtschaftsjahres führt zur Versagung der Berlinpräferenz für dasselbe.
Normenkette
BerlinFG § 21 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, eine GmbH, beantragte für die Streitjahre 1987 und 1988 die Tarifermäßigung gemäß § 21 Abs. 2 BerlinFG. Das FA versagte dieselbe, weil es davon ausging, daß die Geschäfte der Klägerin nicht ausschließlich von Berlin aus geführt worden seien. Das FG Berlin wies die Klage ab. Der BFH wies die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurück.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.
1. Die Rechtsfrage, auf die die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde stützt, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
a) Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bezeichnet die Klägerin die, ob § 21 Abs. 2 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) dahin zu verstehen ist, daß die Berlin-Präferenz nur gewährt werden kann, wenn es außerhalb von Berlin (West) keinen Ort gibt, von dem aus an der Geschäftsleitung mitgewirkt wird. Das Finanzgericht (FG) hat zwar in der angefochtenen Entscheidung einen entsprechenden Rechtssatz aufgestellt. Es hat ihn jedoch selbst dahin interpretiert, daß die Präferenz zumindest dann nicht zu gewähren sei, wenn die Geschäftsleitung nicht nur kurzfristig aus unvermeidlichen Gründen von einem anderen Ort aus wahrgenommen werde, sondern die für die Geschäftsleitung erforderliche Willensbildung zu einem gewissen Teil regelmäßig außerhalb Berlins stattfinde. Dieser die Vorentscheidung tragende Rechtssatz entspricht der eindeutigen Rechtslage. Insoweit besteht für eine weitere Klärung durch den Bundesfinanzhof (BFH) kein allgemeines Interesse.
Dazu geht der Senat davon aus, daß eine Kapitalgesellschaft immer nur einen Ort der Geschäftsleitung haben kann. Es können nicht mehrere Orte der Geschäftsleitung nebeneinander bestehen. In der Regel befindet er sich dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 23. Juni 1938 III 40/38, RStBl 1938, 949). Kurzfristige Abwesenheiten des Geschäftsleiters vom Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung verändern den Ort der Geschäftsleitung i.S. des § 10 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht. Bildet jedoch der Geschäftsleiter regelmäßig - wenn auch nur zu einem gewissen Teil - den für die Geschäftsführung maßgebenden Willen außerhalb der Räume der Kapitalgesellschaft, so verändert sich deren Ort der Geschäftsleitung entweder dauerhaft oder doch zumindest zeitlich vorübergehend. § 21 Abs. 2 BerlinFG verlangt aber, daß die Körperschaft ihre Geschäftsleitung ausschließlich in Berlin (West) hat. Dies kann nur dahin verstanden werden, daß schon eine zeitlich vorübergehende Verlagerung des Ortes der Geschäftsleitung außerhalb von Berlin (West) während des Wirtschaftsjahres zur Versagung der Berlin-Präferenz führt. Für den Streitfall hat das FG eine entsprechende Verlagerung in der Person des Alleingesellschafters der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht festgestellt. Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob auch die bloße Mitwirkung an der Geschäftsleitung von einem Ort außerhalb Berlins zur Versagung der Berlin-Präferenz führt.
b) Der Auffassung des FG Berlin ist der erkennende Senat in seinem Urteil vom 28. Februar 1990 I R 120/86 (BFHE 160, 96, BStBl II 1990, 553) - wenn auch nur bezogen auf das in § 21 Abs. 2 BerlinFG ebenfalls genannte Merkmal des Sitzes - gefolgt. Das in § 21 Abs. 2 BerlinFG verwendete Wort ausschließlich kann aber im Bezug auf den Sitz nicht anders als im Bezug auf die Geschäftsleitung ausgelegt werden. Deshalb hat der Senat schon in seinem Beschluß vom 8. September 1993 I B 37/93 BFH/NV 1994, 363 die grundsätzliche Bedeutung der von der Klägerin geltend gemachten Rechtsfrage verneint. An dieser Rechtsauffassung hält er fest.
2. Die Rechtssache hat auch deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil § 21 Abs. 2 BerlinFG auslaufendes Recht ist, was zudem nur in Berlin (West) Anwendung findet. Es besteht eine ständige und gefestigte Rechtsprechung des FG Berlin zu der angeschnittenen Rechtsfrage. Schon deshalb fehlt es an dem Bedürfnis für eine Entscheidung durch den BFH aus Gründen der einheitlichen Rechtsanwendung.
Fundstellen
Haufe-Index 419840 |
BFH/NV 1994, 770 |