Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortige Wirksamkeit des Widerrufs der Bestellung als Steuerberater
Leitsatz (amtlich)
Der Widerruf der Bestellung als Steuerberater ist nur dann sofort wirksam, wenn dies ausdrücklich angeordnet wird.
Orientierungssatz
1. Durch die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerruf der Bestellung als Steuerberater wird der Widerruf jedenfalls in seiner Vollziehbarkeit gehemmt mit der Folge, daß es Behörden und Gerichten verwehrt ist, sonstige Folgerungen aus dem Inhalt des betroffenen Verwaltungsaktes zu ziehen bzw. daß die erst mit Einlegung des Rechtsbehelfs eintretende aufschiebende Wirkung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes zurückwirkt
2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf Verfahrensmängel gestützt, müssen diese in der Beschwerdeschrift bezeichnet werden. Hierfür bedarf es des Vortrags der Tatsachen, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben (vgl. BFH-Rechtsprechung) und --soweit es sich um einen verzichtbaren Mangel handelt-- daß bei nächster sich bietender Gelegenheit der Verfahrensmangel gerügt worden ist. Mit der bloßen Behauptung, die pauschale Ablehnung der Anträge auf Zeugenvernehmung stelle einen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör dar, genügt die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht.
3. Nach Ablauf der Frist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO ist nur noch eine Erläuterung und Verdeutlichung der rechtzeitig geltend gemachten Zulassungsgründe möglich; eine Nachholung fehlender ausreichender Darlegung mit der Wirkung, daß die Unzulässigkeit der Beschwerde nachträglich entfällt, ist nicht möglich (vgl. BFH-Rechtsprechung).
4. Über die mehrfache Einlegung eines Rechtsmittels (hier: Nichtzulassungsbeschwerde) gegen ein und dieselbe Entscheidung ist einheitlich zu entscheiden (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
StBerG §§ 5, 46, 164a; AO 1977 §§ 124, 131; FGO § 69 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die eine Prüfungsanordnung betreffende Klage als unbegründet abgewiesen. Gegen das am 16. April 1998 zugestellte Urteil legte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) durch seinen Prozeßbevollmächtigten M am 16. Mai 1998 Nichtzulassungsbeschwerde ein.
Unter dem 23. Juli 1998 teilte die Steuerberaterkammer mit, die Bestellung des M als Steuerberater sei mit Ablauf des 17. April 1998 bestandskräftig widerrufen worden. M sei somit nicht mehr befugt, die Berufsbezeichnung Steuerberater zu führen und geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten. Mit Schreiben der Senatsvorsitzenden vom 30. Juli 1998 wurde der Kläger hierüber unterrichtet. Er wurde darauf hingewiesen, daß die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde mangels Vertretungsbefugnis des Prozeßbevollmächtigten nicht wirksam eingelegt und damit unzulässig sei und das Verfahren nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 244 der Zivilprozeßordnung (ZPO) mit dem Wegfall der Vertretungsbefugnis unterbrochen worden sei.
Innerhalb der vom Gericht hierfür gesetzten Frist zeigte die Sozietät B an, den Kläger anwaltlich zu vertreten und legte am 14. Oktober 1998 Nichtzulassungsbeschwerde gegen das FG-Urteil ein. Mit Schreiben vom 8. Oktober 1998 hatte die Steuerberaterkammer mitgeteilt, M habe am 12. August 1998 beim FG Klage gegen den versehentlich ohne Rechtsmittelbelehrung ergangenen Widerrufsbescheid erhoben.
Entscheidungsgründe
II. Über die mehrfache Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein und dieselbe Entscheidung ist einheitlich zu entscheiden (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juli 1984 IX R 16/81, BFHE 141, 467, BStBl II 1984, 833, m.w.N.; vom 10. Juni 1988 IX B 102/87, BFH/NV 1989, 15, und vom 12. August 1986 IX B 56/86, BFH/NV 1987, 52; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 120 Rz. 16, m.w.N.).
Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision sind unzulässig.
1. Die durch Steuerberater M eingelegte Beschwerde ist wirksam. Steuerberater M war bei ihrer Einlegung am 16. Mai 1998 vertretungsbefugt i.S. von Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i.d.F. des Gesetzes vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810, BStBl I 1996, 1522), da der mit Bescheid vom 13. März 1998 gegenüber M verfügte Widerruf der Bestellung als Steuerberater noch nicht wirksam geworden war.
a) Gemäß § 164a Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) richtet sich das Verwaltungsverfahren eines Widerrufs der Bestellung als Steuerberater, der im Zweiten Abschnitt des Zweiten Teils des StBerG geregelt ist, nach der Abgabenordnung (AO 1977). Nach § 124 Abs. 1 AO 1977 wäre der mit Bescheid vom 13. März 1998 erfolgte Widerruf bereits mit seiner Bekanntgabe gegenüber M wirksam und nach § 131 Abs. 3 AO 1977 zugleich die Bestellung von M als Steuerberater unwirksam geworden, da die Finanzbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt hatte.
Der sofortigen Wirksamkeit steht aber entgegen, daß nach § 164a Abs. 2 Satz 2 StBerG "daneben" --d.h. neben dem in § 164a Abs. 2 Satz 1 StBerG genannten Widerruf der Bestellung als Steuerberater-- die Ausübung der Hilfeleistung in Steuersachen mit sofortiger Wirkung untersagt werden kann, wenn es das öffentliche Interesse erfordert. Aus dieser spezialgesetzlichen Regelung ist zu folgern, daß in den in § 164a Abs. 2 Satz 1 StBerG genannten Fällen grundsätzlich zunächst keine sofortige Wirkung eintreten soll. Denn wenn der Widerruf der Bestellung als Steuerberater sofortige Wirksamkeit entfalten würde, wäre die (weitere) Ausübung der Hilfeleistung in Steuersachen dem Betroffenen bereits nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 3 StBerG untersagt. Die ausdrückliche Regelung des § 164a Abs. 2 Satz 2 StBerG wäre überflüssig. Der Widerruf der Bestellung als Steuerberater ist demnach nur dann sofort wirksam, wenn dies ausdrücklich angeordnet wird.
Dieses Ergebnis entspricht der bis zum 15. Juni 1989 geltenden ausdrücklichen Regelung in § 46 Abs. 5 StBerG (Art. 1 Nr. 24 d) des 4. Gesetzes zur Änderung des StBerG (BGBl I 1989, 1062), wonach der Widerruf erst mit seiner Unanfechtbarkeit wirksam wurde. Mit der im 4. Änderungsgesetz zum StBerG vorgenommenen Streichung des bisherigen Abs. 5 von § 46 StBerG war keine materielle Änderung der Rechtslage beabsichtigt; denn in der Begründung wird davon ausgegangen, daß sich die Regelung des § 46 Abs. 5 StBerG "bereits aus § 164a ergibt" (BTDrucks 11/3915, S. 23). Das Ergebnis trägt ferner der existenzbedrohenden Wirkung, die ein Widerruf nach sich ziehen kann (Gosch in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, 13. Lfg./Mai 1998, § 69 FGO Anm. 319 ff.) sowie der Rechtsunsicherheit Rechnung, die anderenfalls bis zum Eintritt der Bestandskraft bzw. einer Klageerhebung gegeben wäre.
b) Der Widerruf ist nicht bestandskräftig und damit nicht wirksam geworden (vgl. Gehre, Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., 1995, § 46 Anm. 15). Wie das Landesfinanzministerium mitgeteilt hat, war seinem Widerrufsbescheid infolge eines Büroversehens keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Die Erhebung der nach § 164a Abs. 2 Satz 1 StBerG, § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO gegen den Widerrufsbescheid eröffneten Klage zum FG --die Durchführung eines Vorverfahrens ist nach § 348 Nr. 3 AO 1977, § 46 Abs. 4 StBerG nicht vorgesehen-- war deshalb nach § 55 Abs. 2 FGO binnen Jahresfrist zulässig; die Klage ist am 12. August 1998 fristgerecht erhoben worden. Der Widerrufsbescheid war mithin bis zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde nicht wirksam geworden.
c) Da Steuerberater M gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater Klage erhoben hat, würde es im Streitfalle im übrigen zu keinem anderen Ergebnis führen, wenn erst eine gegen den Widerrufsbescheid erhobene Klage die aufschiebende Wirkung auslösen würde (dieser Auffassung folgen offensichtlich Gehre, a.a.O., § 164a Anm. 2; Burhoff in Peter, Steuerberatungsgesetz, Lfg. Nr. 43/1997, § 164a Anm. 4; unentschieden derselbe in § 46 Anm. 58, wonach Widerruf --erst-- mit Eintritt der Rechtskraft wirksam wird, dies aber mit der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs begründet wird; Gosch in Beermann, a.a.O., § 69 FGO Anm. 320, sowie Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 83. Lfg./Oktober 1997, § 69 FGO Anm. 189 ff., die u.a. für den Widerruf der Bestellung von der Hemmung der Vollziehung durch Klageerhebung ausgehen). Denn durch die aufschiebende Wirkung der Klage wird der Widerruf jedenfalls in seiner Vollziehbarkeit gehemmt (§ 69 Abs. 5 Satz 1 FGO) mit der Folge, daß es Behörden und Gerichten verwehrt ist, sonstige Folgerungen aus dem Inhalt des betroffenen Verwaltungsaktes zu ziehen (vgl. zu der insoweit entsprechenden Rechtslage im Verwaltungsrecht Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl., § 43 Anm. 214; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 43 Anm. 4 ff.) bzw. daß die erst mit Einlegung des Rechtsbehelfs eintretende aufschiebende Wirkung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes zurückwirkt (Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl., § 80 Anm. 53, 54; Redeker/ von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., § 80 Anm. 4 ff.; J. Schmidt in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl., 1998, § 80 Anm. 5 ff.).
2. Die durch Steuerberater M eingelegte Beschwerde genügt nicht den Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde stellt und ist unzulässig.
a) Wird als Grund für die Zulassung der Revision die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend gemacht, so muß diese in der Beschwerdeschrift gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt werden. Die --wie im Streitfalle-- bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt nicht.
b) Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde auf Verfahrensmängel gestützt wird, müssen diese nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdeschrift bezeichnet werden. Hierfür bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des Vortrags der Tatsachen, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 65; BFH-Beschlüsse vom 5. Juni 1998 IX R 2/98, BFH/NV 1999, 56, und vom 7. Oktober 1998 VIII B 43/97, BFH/NV 1999, 350) und --soweit es sich wie im Streitfall um einen verzichtbaren Mangel handelt (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO)-- daß bei nächster sich bietender Gelegenheit der Verfahrensmangel gerügt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66, und vom 23. April 1992 II B 174/91, BFH/NV 1993, 243). Mit der bloßen Behauptung, die pauschale Ablehnung der Anträge auf Zeugenvernehmung stelle einen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör dar, genügt die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht.
3. Die von der Anwaltssozietät B am 14. Oktober 1998 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist verspätet und daher gleichfalls unzulässig.
a) Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Nichtzulassung der Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde anzufechten. Die Frist endete am 18. Mai 1998. Da Steuerberater M befugt war, vor dem BFH aufzutreten, ist es nicht zu der zunächst angenommenen Unterbrechung des Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 244 ZPO gekommen. Der Kläger hatte damit nicht die Möglichkeit, gemäß § 249 ZPO einen neuen Prozeßbevollmächtigten zu beauftragen und unter Anlauf einer neuen Monatsfrist eine --erneute, erstmalig wirksame-- Nichtzulassungsbeschwerde einzureichen.
b) Das Schreiben vom 30. Juli 1998 hat keine neue Beschwerdefrist in Gang gesetzt. Die Aufforderung an den Kläger, ggf. bis zum 30. September 1998 einen neuen Bevollmächtigten zu bestellen und durch diesen binnen Monatsfrist ein Rechtsmittel einzulegen, erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die zum Zeitpunkt des Schreibens erkennbare Rechtslage, nämlich die Verfahrensunterbrechung infolge des vermeintlich bestandskräftig gewordenen Widerrufs der Bestellung von M als Steuerberater. Dies traf jedoch nicht zu. Die Frist des § 115 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO ist auch nicht verlängerbar.
4. Der Schriftsatz der Anwaltssozietät B kann auch nicht als ergänzende Begründung der bereits von Steuerberater M eingelegten Beschwerde Berücksichtigung finden. Nach Fristablauf ist nur noch eine Erläuterung und Verdeutlichung der rechtzeitig geltend gemachten Zulassungsgründe möglich (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschluß vom 14. März 1994 VI B 70/92, BFH/NV 1994, 648); eine Nachholung fehlender ausreichender Darlegung mit der Wirkung, daß die Unzulässigkeit der Beschwerde nachträglich entfällt, ist nicht möglich (BFH-Beschluß vom 16. Januar 1989 V B 4/88, BFH/NV 1989, 791; Tipke/Kruse, a.a.O., 16. Aufl., § 115 Tz. 87).
Fundstellen
Haufe-Index 302427 |
BFH/NV 1999, 1293 |
BStBl II 1999, 571 |
BFHE 188, 498 |
BFHE 1999, 498 |
BB 1999, 1542 |
DB 1999, 1740 |
DStR 1999, 1189 |
DStRE 1999, 655 |
DStRE 1999, 655 (Leitsatz) |
HFR 1999, 924 |
StE 1999, 451 |