Entscheidungsstichwort (Thema)
Widersprüchlichkeit eines Urteils; ordnungsgemäße Rüge eines Verfahrensmangels
Leitsatz (NV)
1. Der Mangel der Widersprüchlichkeit eines Urteils begründet keinen Verfahrensmangel, der mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann.
2. Wird die Verletzung der Sachaufklärung von Amts wegen gerügt, so muss u.a. dargelegt werden, weshalb sich dem FG nach Lage der Akten eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen und warum die durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretene Beteiligte nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat.
3. Die Beteiligten trifft im finanzgerichtlichen Verfahren eine Mitverantwortung für die Sachaufklärung. Für die klagende Partei gilt dies in besonderer Weise bezüglich der ihrem Einflussbereich oder zumindest ihrem Wissensbereich zuzurechnenden Tatsachen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 25.11.2004; Aktenzeichen 13 K 3772/01) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Darlegungserfordernissen von § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) rügt, das Finanzgericht (FG) habe sich nicht hinreichend mit dem Vorbringen in der Klageschrift vom 28. August 2001 auseinander gesetzt, ist dies (teils) als Rüge zu interpretieren, das FG habe seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt (Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Hinsichtlich der Aussagen des Abnahmeprotokolls vom 8. November 1993 greift diese Rüge nicht durch. Das FG hat im Tatbestand seines Urteils auf S. 5 das entsprechende Vorbringen der Klägerin hinreichend berücksichtigt. Dort heißt es, die Klägerin begründe ihre Klage im Wesentlichen damit, dass die Rückstellung wegen Gewährleistung in der Bilanz zum 31. Dezember 1993 zu Recht gebildet worden sei, weil sich bereits bei Abnahme des Gebäudes Risse in der Außenfassade gezeigt hätten, wie sich aus dem Abnahmeprotokoll vom 8. November 1993 ergebe.
Hierzu steht zwar im Widerspruch die Begründung des Urteils auf S. 6, wonach die Klägerin selbst nicht behauptet habe, dass bereits am Bilanzstichtag (31. Dezember 1993) Mängelrügen erhoben waren. Der Mangel der Widersprüchlichkeit eines Urteils begründet indes keinen Verfahrensmangel, der mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnte (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Mai 1988 V B 75/87, BFH/NV 1989, 372; BFH-Urteile vom 21. September 1988 V R 188/83, BFH/NV 1989, 203; vom 3. August 2000 III R 76/97, BFHE 194, 282, BStBl II 2001, 446). Es handelt sich hierbei um einen Unterfall des Verstoßes gegen die Denkgesetze als allgemeine Regeln formal richtigen Denkens (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1989, 372). Verstöße gegen die Denkgesetze sind dem materiellen Recht, nicht dem Verfahrensrecht, zuzurechnen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 83, m.w.N.).
Auch das Sachverständigengutachten und das Urteil des Landgerichts (LG) sind, entgegen der Rüge der Klägerin, vom FG berücksichtigt worden. Hierzu wird auf S. 7 des Urteils ausgeführt, dass die zivilrechtlichen Gerichtsvorgänge zu den vorzunehmenden Gewährleistungsarbeiten und das Gutachten des Bausachverständigen frühestens aus dem Jahre 1997 stammten. Nach der Rechtsauffassung des FG hätten jedoch nachprüfbare Vorgänge bis zum 31. Dezember 1994, die die Kenntnis der Notwendigkeit der Gewährleistungsarbeiten belegen könnten, vorgelegt werden müssen. Die Würdigung des Sachverständigengutachtens und des Urteils des LG dahin gehend, dass diese zur Notwendigkeit von Gewährleistungsarbeiten bis zum 31. Dezember 1994 keine Aussagen enthalten, ist erneut dem materiellen Recht zuzuordnen und damit einer Prüfung im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen.
Die Rechtsauffassung der Klägerin, das FG hätte, soweit es zu dem Schluss gekommen sei, eine Rückstellung zum 31. Dezember 1993 sei nicht zulässig gewesen, zwingend die Zulässigkeit der Rückstellungsbildung in den Folgejahren prüfen müssen, ist als materiell-rechtliche Rüge im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde, die auf Verfahrensmängel zu stützen ist, ebenfalls nicht überprüfbar.
2. Die Klägerin rügt außerdem die Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Für eine schlüssige Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch das FG muss dargelegt werden, welche Tatfragen aufklärungsbedürftig sind, welche Beweise zu welchen Beweisthemen das FG nicht erhoben hat, warum die Kläger --sofern sie durch einen Prozessbevollmächtigten vor dem FG vertreten waren-- nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt haben, warum diese Beweiserhebung sich dem FG --auch ohne besonderen Antrag-- nach Lage der Akten als erforderlich hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme --ausgehend von der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (Entscheidungserheblichkeit des gerügten Verfahrensmangels, BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 1998 VIII B 56/98, BFH/NV 1999, 804; vom 27. April 1999 III B 118/98, BFH/NV 1999, 1478).
Zwar hat das FG nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Der Amtsermittlungsgrundsatz wird aber durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt. Die Sachaufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, Beweisanträge zu ersetzen, welche die fachkundig vertretene Partei selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (BFH-Beschlüsse vom 4. August 1999 VIII B 51/98, BFH/NV 2000, 204; vom 13. Januar 2000 VIII B 41/99, BFH/NV 2000, 744; vom 28. November 2003 III B 7/03, BFH/NV 2004, 645).
Die Beteiligten trifft im finanzgerichtlichen Verfahren eine Mitverantwortung für die Sachaufklärung. Für die klagende Partei gilt dies in besonderer Weise bezüglich der ihrem Einflussbereich oder zumindest ihrem Wissensbereich zuzurechnenden Tatsachen (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/99, BFH/NV 2001, 789, 790, m.w.N.; BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 645).
Die Rüge der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin hat die Kenntnis der Notwendigkeit der Gewährleistungsarbeiten nach Fertigstellung des Gebäudes zwar behauptet, aber nicht durch Unterlagen bis zum fraglichen Zeitpunkt (spätestens 31. Dezember 1994) belegt. Das Übergabeprotokoll vom 8. November 1993, aus dem sich Gewährleistungsarbeiten ergeben sollen, wurde dem Gericht ebenfalls nicht vorgelegt. Auch andere nachprüfbare Vorgänge bis zum 31. Dezember 1994, die die Kenntnis der Notwendigkeit der Gewährleistungsarbeiten belegen könnten, wie z.B. Schriftverkehr mit dem Bauunternehmer oder mit den Käufern, hat die Klägerin nicht vorgelegt. Der fachkundig vertretenen Klägerin hätte die entscheidende Bedeutung entsprechender Belege bekannt sein müssen, da der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) sowohl in seiner Einspruchsentscheidung vom 2. August 2001 als auch in seiner Klageerwiderung vom 27. September 2001 darauf hingewiesen hatte.
Weshalb die vor dem FG fachkundig vertretene Klägerin das Übergabeprotokoll vom 8. November 1993 sowie andere nachprüfbare Vorgänge bis zum 31. Dezember 1994 nicht vorgelegt hat, wird in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht ausgeführt. Noch ist aus der Begründung ersichtlich, welche Beweismittel insoweit überhaupt zur weiteren Aufklärung geeignet gewesen wären.
Fundstellen