Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH: Zurechenbarkeit des Verschuldens des steuerlichen Beraters
Leitsatz (NV)
1. Eine von einem Kläger persönlich erhobene NZB, die wegen des vor dem BFH geltenden Vertretungszwangs gem. § 62a FGO unzulässig wäre, ist zu Gunsten des Klägers als Antrag auf PKH und Beiordnung eines Prozessvertreters für eine erst einzulegende NZB auszulegen.
2. Ein Antrag auf PKH für eine NZB hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn sich weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus den Akten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO ergeben.
3. Das Verschulden des steuerlichen Beraters muss sich der Kläger gem. § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO analog zurechnen lassen.
Normenkette
FGO §§ 62a, 142, 155; ZPO § 85 Abs. 2, § 114 S. 1
Tatbestand
I. Der Kläger und Antragsteller (Kläger), ein kroatischer Werkvertragsarbeitnehmer, ließ seine Einkommensteuererklärung 2002 von einem Lohnsteuerhilfeverein erstellen und beim Beklagten (Finanzamt --FA--) einreichen. Nachdem die Steuerfahndungsstelle im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Lohnsteuerhilfeverein die Fälschung der mit der Steuererklärung eingereichten Unterhalts-, Familienstands- und Kindergeldbescheinigung aufgedeckt hatte, änderte das FA die ursprüngliche Steuerfestsetzung und erhöhte die Einkommensteuer von 1 104 € auf 2 217 €.
Im Einspruchsverfahren reichte der Kläger Originalunterlagen (Unterhaltsbescheinigung für das minderjährige Kind und die Ehefrau sowie eine Familienstands-, Kindergeldbescheinigung) nach. Daraufhin setzte das FA mit der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer auf 1 703 € herab.
Mit der Klage beantragte der Kläger, den Änderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Er machte geltend, er habe seine Lohnsteuerkarte an den Lohnsteuerhilfeverein gegen Sofortauszahlung eines Betrages in Höhe von 70 % der errechneten Steuererstattungssumme verkauft und wisse nicht, was der Steuerberater letztlich gemacht habe. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte im Wesentlichen aus, der Kläger müsse sich, auch wenn ihn der Vorwurf der Belegfälschung nicht persönlich treffe, das Verhalten des von ihm beauftragten Lohnsteuerhilfevereins zurechnen lassen.
Mit Schriftsatz vom 15. November 2007 legte der nicht vertretene Kläger "Beschwerde/Widerspruch" gegen das erstinstanzliche Urteil ein. Er trägt vor, er habe seine Steuerkarte 2002 dem Lohnsteuerhilfeverein übergeben, dort jedoch keine Vollmacht, sondern lediglich den Empfang von 800 € als Vorauszahlung auf die Einkommensteuererstattung unterschrieben. Ihn treffe keine Schuld; er könne nicht für die vom Lohnsteuerhilfeverein begangenen Fälschungen in Anspruch genommen werden. Momentan arbeite er nicht. Er könne sich keinen Anwalt leisten und habe deshalb den "Widerspruch" selbst verfasst. Geld für die vom FA geforderte Rückzahlung könne er nicht aufbringen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Senat legt das Begehren des Klägers zu seinen Gunsten als Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Prozessvertreters für eine erst einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde aus.
Da vor dem Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) Vertretungszwang gilt, wäre eine vom Kläger persönlich erhobene Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig. Für den beim BFH als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf PKH besteht hingegen kein Vertretungszwang (§ 155 FGO i.V.m. § 78 Abs. 5, § 117 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--).
2. Der Antrag auf PKH ist jedoch abzulehnen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
a) Die Gewährung von PKH setzt nach § 142 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO unter anderem voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
b) Handelt es sich bei der beabsichtigten Rechtsverfolgung um die Zulassung der Revision, muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO gegeben sein (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 27. Dezember 2006 III S 30/05 (PKH), BFH/NV 2007, 1140). Weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus den Akten ergeben sich aber Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder die Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
c) Der Kläger hat keinen solchen die Zulassung rechtfertigenden Grund vorgetragen. Gründe dafür, dass der Streitfall eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheit hat und deshalb die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen ist, sind nicht ersichtlich. Zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung der Rechtseinheit ist im Streitfall eine Entscheidung des BFH ebenfalls nicht erforderlich. Auch ergeben das Urteil und die dem Senat vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass das FG-Urteil auf einem Verfahrensfehler beruht.
Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass sich der Kläger das Verschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO analog). Steuerrechtlich maßgeblich ist ausschließlich, welche Unterlagen dem FA zur Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 2002 des Klägers vorgelegt wurden. Im Streitfall waren dies nach dem Ermittlungsbericht der Steuerfahndungsstelle eine gefälschte Unterhalts-, Familienstands- und Kindergeldbescheinigung. Der Einwand des Klägers, er selbst habe keine Fälschungen begangen und dem steuerlichen Vertreter nur Originale vorgelegt, ist unbeachtlich.
3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 1 Nr. 3 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis).
Fundstellen