Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anrechnung von nachträglich erhobenen Abzugsteuern nach Abgabe einer strafbefreienden Erklärung
Normenkette
EStG 2002 § 36 Abs. 2 Nr. 2; StraBEG § 8; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 08.05.2008; Aktenzeichen 11 K 2489/07 AO) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat 1994 bis 2002 Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt, diese jedoch erst nach Maßgabe des Strafbefreiungserklärungsgesetzes (StraBEG) erklärt und versteuert. In seiner Einkommensteuererklärung 2005 hat der Kläger auf die betreffenden Einnahmen aus thesaurierenden ausländischen Anlagen bei deren Verkauf entrichtete Zinsabschlagsteuer und Solidaritätszuschlag erklärt. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hat diese Beträge jedoch nicht als Abzugsbeträge berücksichtigt, weil er der Auffassung war, dass sie durch die pauschale Berechnung der abzuführenden Steuer nach dem StraBEG abgegolten seien. Als der Kläger dem widersprach, hat das FA ihm den angefochtenen Abrechnungsbescheid erteilt, in dem es an seinem Rechtsstandpunkt festhielt.
Hiergegen richtet sich die Klage, die das Finanzgericht (FG) abgewiesen hat. Es urteilte, § 36 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 1 Abs. 2 des Solidaritätszuschlaggesetzes (SolZG) seien für die vom Kläger verlangte Anrechnung nicht einschlägig, weil die in diesen Vorschriften vorausgesetzte Einkommensteuerveranlagung im Streitfall nicht erfolgt sei. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die pauschale Besteuerung nach dem StraBEG scheide ebenfalls aus. Wenn der Gesetzgeber dort von den einkommensteuerpflichtigen Einnahmen nur 60 % als Einnahmen im Sinne der strafbefreienden Erklärung erfasse, beruhe das, wie die Gesetzesbegründung erkennen lasse, darauf, dass dem Gesetzgeber klar gewesen sei, dass auf strafbefreiend erklärte Einnahmen bereits Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt worden ist.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird. Die Beschwerde trägt dazu zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes vor:
Es sei wenn nicht eine direkte, so doch zumindest aufgrund einer planwidrigen Gesetzeslücke eine analoge Anwendung der vorgenannten Anrechnungsvorschrift geboten. Durch den im StraBEG vorgesehenen 40 %-Abschlag von den nacherklärten steuerpflichtigen Einnahmen hätten zwar unter anderem Abzugsbeträge abgegolten werden sollen. Das könne jedoch dann nicht gelten, wenn ―wie im Streitfall― erst nach Abgabe der strafbefreienden Erklärung 2004 oder 2005 Kapitalertragsteuer einbehalten worden sei. Gemäß § 8 StraBEG erlöschen mit der strafbefreienden Erklärung und der Zahlung der Pauschalsteuer alle steuerlichen Ansprüche. Dies solle eine Doppelbesteuerung verhindern. Mangels eines (fortbestehenden) Einkommensteueranspruches fehle es mithin an einer Grundlage für den Abzug von Kapitalertragsteuer. Dass deshalb möglicherweise eine Änderung des § 36 EStG von Nöten gewesen wäre, habe der Gesetzgeber offensichtlich schlichtweg übersehen.
Würde eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften ausscheiden, so meint die Beschwerde weiter, so werde der Kläger diskriminiert. Denn bevor das StraBEG geschaffen worden sei, habe es die Möglichkeit einer Selbstanzeige mit der Folge von Straffreiheit gegeben, wobei jedoch das erzielte Einkommen nur einmal nach dem EStG und nicht zweimal nach EStG und StraBEG versteuert worden sei. Durch die infolge der Rechtsauslegung des FG eintretende Doppelbesteuerung gehe überdies der vom Gesetzgeber mit dem StraBEG erstrebte Anreiz zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit verloren. Die Rechtsansicht des FG von der Nichtanrechenbarkeit der Abzugsteuern führe zu einer Steuerlast des Klägers von rd. 85 %.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob nach Abgabe einer strafbefreienden Erklärung nachträglich entrichtete Abzugsteuern auf nach dem StraBEG erhobene Einkommensteuer des Steuerschuldners anzurechnen ist, ist, wie es das FG mit Recht getan hat, klar und eindeutig zu verneinen, ohne dass dies der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf.
Dass § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG und § 1 Abs. 2 SolZG in einem Fall wie dem vorliegenden nicht anwendbar sind, bedarf nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes kaum näherer Ausführung. Die nach Maßgabe des StraBEG versteuerten Einnahmen sind nämlich nicht im Sinne dieser Vorschrift bei der Einkommensteuerveranlagung "erfasst", sondern anderweit einer ―pauschalen― Besteuerung zugeführt worden.
Es ist jedoch auch zweifelsfrei, dass die vorgenannten Vorschriften nicht analog angewandt werden können. Die im StraBEG vorgeschriebene Erfassung von ―nur― 60 % der an sich steuerpflichtigen Einnahmen hat, wie sich aus der vom FG zutreffend angeführten Gesetzesbegründung ergibt, den Sinn, alle bei der Erzielung dieser Einnahmen angefallenen Aufwendungen pauschal abzugelten. Angesichts der erheblichen Höhe des Abschlages von der an sich einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Bemessungsgrundlage (40 %) macht es auch nur Sinn, wenn damit auch Steuerabzugsbeträge abgegolten werden. Überdies ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, wie die Beschwerde offenbar meint, übersehen haben sollte, dass bei der Erzielung der vom StraBEG betroffenen Einnahmen regelmäßig Steuerabzugsbeträge angefallen sind. Das sieht im Übrigen offenbar die Beschwerde genauso, wenn sie einräumt, dass vor Abgabe der strafbefreienden Erklärung bis einschließlich 2002 angefallene Abzugsbeträge durch die Berechnung der Pauschalbesteuerung nach dem StraBEG abgegolten sind.
Die Auffassung der Beschwerde, im Streitfall müsse gleichwohl ein Abzug der entrichteten Zinsabschlagsteuer und des Solidaritätszuschlages erfolgen, weil diese Beträge erst in der Einkommensteuererklärung 2005 geltend gemacht worden sind, ist unzutreffend und auch schwer nachvollziehbar. Ob die auf Kapitaleinkünfte zu entrichtenden Abzugsteuern abgegolten sind oder nicht, kann nicht davon abhängig gemacht werden, wann diese Steuern einbehalten worden sind. Steuerpflichtige, die wie der Kläger die Abzüge erst bei einem Verkauf der betreffenden Kapitalanlagen nach Abgabe der strafbefreienden Erklärung hinnehmen müssen, stünden sich sonst ohne jeden erkennbaren vernünftigen Grund besser als andere, denen bereits vorher die um die Abzugsbeträge verminderten Einnahmen zugeflossen sind.
Fundstellen