Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe und NZB: Grundsätzliche Bedeutung und Hinweis auf Parallelverfahren
Leitsatz (NV)
- Wird für das Revisionszulassungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt und ist die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig eingelegt und bereits begründet, so kommt es für die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung darauf an, ob ein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargelegt ist.
- Durch den bloßen Hinweis auf ein beim BFH anhängiges Parallelverfahren ist ohne Abgleich des Streitfalls mit dem behaupteten Parallelfall die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache jedenfalls dann nicht ordnungsgemäß dargelegt, wenn die Entscheidung der streitigen Rechtsfrage auf einer Gesamtabwägung aller Umstände beruht.
- Nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist vorgebrachte Überlegungen können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie das fristgerechte Vorbringen lediglich erläutern.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3, § 142 Abs. 1; ZPO § 114; EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b
Tatbestand
I. Der Antragsteller begehrte in den Einkommensteuererklärungen für 1996 bis 1998 die Berücksichtigung von Aufwendungen im Zusammenhang mit der Nutzung von Räumen in dem von ihm angemieteten Reihenhaus als Betriebsausgaben. Während er für einen Raum im 1. Obergeschoss den beschränkten Abzug wegen der Nutzung als häusliches Arbeitszimmer geltend machte, vertrat er die Ansicht, die im Dachgeschoss genutzten Räume unterlägen der Abzugsbeschränkung nicht, weil darin eine Teilzeitkraft und eine geringfügig Beschäftigte Büroarbeiten erledigten und er einen Teil der Räume als Werkstatt nutze. Daher handle es sich bei diesen Räumen nicht um ein häusliches Arbeitszimmer, sondern um Betriebsräume. Der Antragsgegner (das Finanzamt ―FA―) teilte diese Ansicht nicht. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es verneinte die Nutzung der Räume im Dachgeschoss als Werkstatt und maß der Tätigkeit von Angestellten in den fraglichen Räumen bei der auf einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls beruhenden Entscheidung, ob ein Raum oder mehrere Räume als häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen seien, keine Bedeutung bei.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen hat der Antragsteller die Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und zugleich Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung ―ZPO―).
1. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung darf nicht von vornherein aussichtslos erscheinen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH―, vgl. etwa Beschluss vom 22. Februar 1994 VII B 114/92, BFH/NV 1994, 822, m.w.N.). Ist, wie im Streitfall, das Ziel der Rechtsverfolgung die Zulassung der Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil und hat der Beteiligte bereits durch eine vor dem BFH zur Vertretung berechtigte Person als Bevollmächtigten fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese auch fristgerecht begründet, erstreckt sich die gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussichten durch den BFH darauf, ob in der Beschwerdeschrift ein Grund für die Zulassung der Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO ordnungsgemäß dargelegt ist (BFH-Beschluss vom 1. April 2003 VII S 25/02 PKH, BFH/NV 2003, 1077).
2. Nach diesen Maßstäben kann dem Antragsteller PKH nicht bewilligt werden. Denn der Antragsteller hat die von ihm im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bei summarischer Prüfung nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG― (BGBl I 2000, 1757) gebotenen Weise dargelegt.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH muss der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ―abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall ihrer Offenkundigkeit― schlüssig darlegen. Eine solche schlüssige Darlegung erfordert auch unter der Geltung des neuen Revisionszulassungsrechts nach dem 2.FGOÄndG, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt und substantiiert darauf eingeht, inwieweit diese Rechtsfrage klärungsbedürftig, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Anm. 32, m.w.N.; ferner Beermann, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 2001, 312, 315, m.w.N.).
b) Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung des Antragstellers bei kursorischer Prüfung nicht.
Er hat sich darauf beschränkt auszuführen, der Streitfall habe grundsätzliche Bedeutung, da bislang keine Entscheidung darüber ergangen sei, ob der Betriebsausgabenabzug für das häusliche Arbeitszimmer beschränkt werden dürfe, wenn darin auch Angestellte tätig seien. Daraus allein ergibt sich nicht, dass die zu entscheidende Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Anm. 34).
Die grundsätzliche Bedeutung ist auch nicht offenkundig; die Rechtssache erhält auch nicht durch den Hinweis des Antragstellers grundsätzliche Bedeutung, dass zur selben Rechtsfrage bereits beim BFH ein Verfahren unter dem Az. XI R 14/03 (vorgehend: FG Nürnberg vom 5. Dezember 2002 IV 254/2001) anhängig sei. Eine solche Mitteilung begründet nicht das allgemeine Interesse an der Klärung einer Rechtsfrage, sondern legt zunächst nur das individuelle Interesse des Beschwerdeführers an einer Gleichbehandlung mit dem Steuerpflichtigen in dem bereits anhängigen Verfahren dar (BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625; vom 19. August 1994 X B 172/94, BFH/NV 1995, 324, und vom 24. Januar 2000 XI B 92/98, BFH/NV 2000, 959; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Anm. 34).
Der Hinweis des Antragstellers auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren XI R 14/03 bezieht sich letztlich nur auf die zu diesem Verfahren in der "Liste der beim Bundesfinanzhof, Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren in Steuersachen" mitgeteilte Information (Beilage Nr. 4/2003 zum BStBl II Nr. 19 bis 20/2003 vom 31. Dezember 2003) und lässt im Übrigen außer Acht, dass für die Entscheidung des FG Nürnberg im Rahmen der Gesamtabwägung aller Umstände die stundenweise Tätigkeit von Angestellten in den als häusliches Arbeitszimmer umstrittenen Räumen nur ein Gesichtspunkt unter mehreren war. Allein deshalb hätte der Antragsteller die Gründe der Entscheidung des FG Nürnberg auf ihre Vergleichbarkeit mit den im angefochtenen Urteil angestellten Überlegungen abgleichen müssen (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1995, 324). Durch den bloßen Hinweis auf ein Parallelverfahren ist im Streitfall somit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan.
3. Soweit der Antragsteller im Schriftsatz vom 27. November 2003 die Klärung der Frage fordert, "ob der beschränkte Abzug der Betriebsausgaben auf die gesamten Räumlichkeiten anzuwenden ist, oder ob nur für den Büroraum, der vom Kläger benützt wurde, der Abzug beschränkt wird und die Aufwendungen für den Büroraum der fremd Angestellten unbeschränkt abzugsfähig sind", und weiter ausführt, Klageantrag und Begründung hätten auf die Differenzierung zwischen häuslichem Arbeitszimmer und Büroräumen für Fremdpersonal abgezielt, während das angefochtene Urteil auf diese Differenzierung nicht eingegangen sei, können diese Überlegungen nicht berücksichtigt werden. Sie sind erst nach Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vorgebracht worden und stellen nicht lediglich eine Erläuterung des fristgerechten Vorbringens des Antragstellers dar (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Anm. 22).
4. Insgesamt ist bei der gebotenen summarischen Prüfung kein Grund für eine Zulassung der Revision erkennbar, so dass die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Entscheidung über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde stellt der Senat bis vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses zurück, um dem Antragsteller die Möglichkeit einzuräumen zu prüfen, ob er ggf. seine Beschwerde zur Vermeidung des Anfalls weiterer Gerichtskosten zurücknehmen möchte.
5. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Der erfolglose Antrag auf PKH löst keine Gerichtsgebühren aus (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 142 Anm. 34, m.w.N.).
Fundstellen