Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberaterprüfung: Bewertung schriftlicher Prüfungsarbeiten
Leitsatz (NV)
1. Es ist keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern folgt aus den Vorschriften über die Durchführung der Steuerberaterprüfung, dass für jede Aufsichtsarbeit eine Note auf Grund der Gesamtwürdigung der einzelnen Teile der in der Arbeit gezeigten Prüfungsleistung zu bilden ist, indem die einzeln bewerteten Teilleistungen zu einer Gesamtnote für die betreffende Klausur zusammengefasst werden.
2. Die Berücksichtigung besonderer Schwierigkeiten bei einzelnen Prüfungsaufgaben sowie ihrer Bedeutung für die Fähigkeit, den Beruf des Steuerberaters ordnungsgemäß ausüben zu können, und die Bewertung der Darstellung durch den Prüfling hinsichtlich Systematik, Folgerichtigkeit und Prägnanz erfolgt i.d.R. bereits bei der Bepunktung der einzelnen Teilleistungen.
3. Es gibt keinen verfahrensrechtlichen Anspruch des Prüflings, dass die Prüfer ihre prüfungsspezifischen Erwägungen erschöpfend oder jedenfalls nachvollziehbar darlegen.
Normenkette
DVStB § 24; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.06.2004; Aktenzeichen 2 K 1364/04) |
Tatbestand
I. Der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde mit Bescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzministerium) mitgeteilt, dass sie die Steuerberaterprüfung 2002 aufgrund der Noten der schriftlichen Aufsichtsarbeiten nicht bestanden habe. Nachdem die Klägerin gegen die Prüfungsentscheidung Klage erhoben hatte, mit der sie sich gegen die Benotung der Aufsichtsarbeiten in den Prüfungsgebieten Ertragsteuern sowie Buchführung/Bilanzwesen wandte, wurde auf ihren Antrag ein Überdenkungsverfahren eingeleitet, das auch zu Nachkorrekturen der Aufsichtsarbeiten durch die Prüfer führte, von dem die Klägerin jedoch später Abstand nahm, hingegen das Klageverfahren weiter betrieb. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; es urteilte, dass weder den Bewertungen der Aufsichtsarbeiten sachfremde Erwägungen zu Grunde gelegen hätten noch allgemein gültige Bewertungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden seien. Die Prüfer seien bei der Bewertung nicht von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen, sondern hätten den ihnen zustehenden prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum eingehalten.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind z.T. nicht schlüssig dargelegt, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert, liegen aber jedenfalls nicht vor.
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist einer Rechtsfrage beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. April 2002 IV B 29/01, BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juni 1995 II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom 14. März 2000 V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148; Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2002 VII B 178/02, BFH/NV 2003, 214). Ob die Beschwerde im Streitfall diesen Darlegungsanforderungen gerecht wird, kann offen bleiben, da die bezeichneten Rechtsfragen nicht klärungsbedürftig und z.T. auch nicht klärungsfähig sind.
a) Die von der Beschwerde als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage, ob für die Bewertung der Aufsichtsarbeiten eine über die Vergabe von Wertungspunkten hinausgehende Gesamtwürdigung dahin erforderlich ist, ob die gezeigte Leistung die Vergabe einer anderen als der zuvor arithmetisch ermittelten Note gebietet, bedarf keiner Klärung.
Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften ist jede Aufsichtsarbeit von mindestens zwei Prüfern persönlich zu bewerten; dabei gilt ein übereinstimmender Notenvorschlag nach Abs. 3 der Vorschrift als Note des Prüfungsausschusses, anderenfalls setzt nach Abs. 4 der Vorschrift der Prüfungsausschuss die Note fest. Aus diesen Vorschriften folgt zweifelsfrei, dass für jede Aufsichtsarbeit eine Note aufgrund der Gesamtwürdigung der einzelnen Teile der in der Arbeit gezeigten Prüfungsleistung zu bilden ist. Die den Prüfern zur Verfügung stehenden Musterlösungen mit Bewertungsvorschlägen für bestimmte Teile der jeweiligen Prüfungsaufgabe sind nicht rechtsverbindlich, sondern dienen in erster Linie dazu, dem Prüfer die Gewichtung einzelner Teile der Prüfungsleistung zu erleichtern. Die Ermittlung der Gesamtnote muss in der Regel in einem zweiten Schritt geschehen, in dem die einzeln bewerteten Teilleistungen zu einer Gesamtnote für die betreffende Klausur zusammengefasst werden (vgl. Senatsurteile vom 21. Mai 1999 VII R 34/98, BFHE 188, 502, BStBl II 1999, 573; vom 5. Oktober 1999 VII R 152/97, BFHE 191, 140, BStBl II 2000, 93; vom 8. Februar 2000 VII R 52/99, BFH/NV 2000, 755, 758). Dass gegen diese Bewertungsgrundsätze im Streitfall verstoßen worden ist, indem sich die Prüfer fälschlicherweise an die Musterlösungen gebunden glaubten und lediglich die Musterlösungen und die Klausurbearbeitungen der Klägerin gegenübergestellt und die Einzelpunkte aus den Arbeiten ohne Gewichtung und Berücksichtigung der Art und Weise der Gesamtdarstellung addiert haben, lässt sich den Feststellungen des FG allerdings nicht entnehmen. Vielmehr spricht die Art und Weise, wie sich die Prüfer nach den Feststellungen des FG mit den Einwendungen der Klägerin im Überdenkungsverfahren auseinander gesetzt und die Vergabe von Wertungspunkten teilweise korrigiert haben, gegen die Annahme, dass in dieser Weise fehlerhaft verfahren sein könnte. Auch kann es nicht als fehlerhaft angesehen werden, dass die Prüfer bei der Gesamtwürdigung der Prüfungsarbeiten davon ausgegangen sind, dass bei einer Wertungspunkte-Anzahl von 40-49 die Note 4,5 (Aufsichtsarbeit Buchführung/ Bilanzwesen) bzw. von 25-32 die Note 5,0 (Aufsichtsarbeit Ertragsteuern) zu vergeben war, denn die Berücksichtigung besonderer Schwierigkeiten bei einzelnen Aufgaben sowie ihrer Bedeutung für die Fähigkeit, den Beruf des Steuerberaters ordnungsgemäß ausüben zu können, und die Bewertung der Darstellung durch den Prüfling hinsichtlich Systematik, Folgerichtigkeit und Prägnanz erfolgt bereits bei der Bepunktung der einzelnen Teilleistungen (vgl. insoweit Senatsurteil in BFH/NV 2000, 755, 759).
Sollte die Beschwerde gleichwohl rügen wollen, dass die Prüfer im Streitfall diese Bewertungsgrundsätze nicht beachtet und allein eine Punktevergabe nach der jeweiligen Musterlösung ohne Gesamtwürdigung der individuellen Prüfungsleistung vorgenommen hätten und dass das FG dies unbeanstandet gelassen habe, so würde sie sich im Übrigen allein gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG wenden, nicht aber eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bezeichnen.
b) Nicht klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob die Prüfer --wie es die Beschwerde meint-- die Gesamtbewertung der Aufsichtsarbeit mit den insoweit tragenden Gründen dokumentieren müssen. Vielmehr ist es bereits durch die Rechtsprechung des Senats geklärt, dass es keinen verfahrensrechtlichen Anspruch des Prüflings gibt, dass die Prüfer ihre prüfungsspezifischen Erwägungen erschöpfend oder jedenfalls nachvollziehbar darlegen (Senatsurteil in BFH/NV 2000, 755, 757). Zwar müssen die Prüfer nachvollziehbare und substantiierte Einwendungen des Prüflings gegen die prüfungsspezifischen Wertungen im Überdenkungsverfahren würdigen. Jedoch sind nach den Feststellungen des FG solche Einwendungen von der Klägerin gegen die "qualitative Gesamtwürdigung" ihrer Aufsichtsarbeiten, welche sie vermisst, nicht erhoben worden. Vielmehr hat sich die Klägerin im Überdenkungsverfahren gegen die Vergabe einzelner Wertungspunkte gewandt. Dass und weshalb --abweichend von der Summe der erzielten Wertungspunkte-- eine jeweils bessere Gesamtnote der Aufsichtsarbeiten gerechtfertigt sei, hat die Klägerin im Überdenkungsverfahren nach den Feststellungen des FG nicht geltend gemacht. Die Frage, ob die Prüfer ihre jeweils vergebene Gesamtnote für die Aufsichtsarbeit hätten begründen müssen, ist daher schon aus diesem Grund zu verneinen.
c) Die weitere von der Beschwerde bezeichnete Frage, ob es zu der gerichtlich nicht überprüfbaren prüfungsspezifischen Bewertung gehört, ob eine bestimmte Prüfungsleistung von der Aufgabenstellung gefordert war, ist nicht klärungsbedürftig, weil sie sich nur in der Weise beantworten lässt, wie es das FG getan hat. Welche Ausführungen in der schriftlichen Arbeit des Prüflings nach der Aufgabenstellung hätten erwartet werden können und welche Maßstäbe insoweit in Anbetracht des Schwierigkeitsgrads der Aufgabe zu stellen sind, ist keine Fachfrage, sondern eine im Gesamtzusammenhang des Prüfungsverfahrens zu treffende komplexe Bewertung, für die den Prüfern ein Bewertungsspielraum zuzubilligen ist. Im Übrigen hat das FG ausgeführt, dass die Einwendungen der Klägerin, wonach z.T. nicht aufgabenbezogenes Wissen gefordert worden sei, nicht begründet seien, sondern insoweit den Ausführungen der Prüfer in ihrer Stellungnahme zum Überdenkungsverfahren zu folgen sei, und dass unverhältnismäßige bzw. unsachliche Anforderungen nicht gestellt und keine Ausführungen verlangt worden seien, die sich nicht aus der Aufgabenstellung ergeben hätten. Die von der Beschwerde bezeichnete Frage wäre also in einem Revisionsverfahren auch nicht klärungsfähig.
d) Soweit die Beschwerde einzelne Punkte aus den Aufsichtsarbeiten herausgreift und hierbei die Vergabe von Wertungspunkten kritisiert, wendet sie sich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).
2. Da die Beschwerde keine konkreten, grundsätzlich klärungsbedürftigen Rechtsfragen bezeichnet, ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht gegeben (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2001 III B 103/01, BFH/NV 2002, 652; Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 VII B 263/02, BFH/NV 2003, 835).
3. Dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) die Zulassung der Revision erfordert, ist nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerde behauptet lediglich, dass das FG-Urteil von dem Senatsurteil vom 6. März 2001 VII R 38/00 (BFHE 195, 83, BStBl II 2001, 370) abweiche, bezeichnet aber keinen abstrakten Rechtssatz aus dieser Entscheidung, der zu einem Rechtssatz, von dem das FG ausgegangen ist, im Widerspruch steht.
Fundstellen