Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung zur Steuerberaterprüfung - nicht genehmigte Nebentätigkeit
Leitsatz (NV)
Zur Frage, ob eine ihren Umfang nach nicht genehmigte Nebentätigkeit eines Rechtsreferendars für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung als hauptberufliche praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens anerkannt werden kann.
Normenkette
StBerG § 38 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 138 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beantragte beim Beklagten und Revisionskläger (Bayer. Staatsministerium der Finanzen - Staatsministerium -), ihm die verbindliche Auskunft mit dem Inhalt zu erteilen, daß er die Voraussetzungen für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung . . . erfülle. Das Staatsministerium machte dem Kläger die verbindliche Auskunft des Zulassungsausschusses vom . . . bekannt, wonach er die Voraussetzungen für eine Prüfungszulassung für die Steuerberaterprüfung . . . nicht erfülle, weil eine während des juristischen Vorbereitungsdienstes in der Zeit vom . . . für die Dauer von wöchentlich 25 bis 30 Stunden ausgeübte Tätigkeit bei der . . . Treuhand AG nicht als berufspraktische Tätigkeit im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) anerkannt werden könne. Denn diese Tätigkeit sei vom Präsidenten des Oberlandesgerichts (OLG) nur als Nebentätigkeit mit 15 Wochenstunden genehmigt gewesen.
Die Klage hatte Erfolg. Unter Aufhebung der Auskunft verurteilte das Finanzgericht (FG) das Staatsministerium, dem Kläger die verbindliche Auskunft zu erteilen, daß dieser - vorbehaltlich der Aufrechterhaltung einer hauptberuflichen praktischen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens bis mindestens . . . - die in § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG bestimmten Voraussetzungen für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung . . . erfülle. Zur Begründung führte es aus:
Der Berücksichtigung der bei der . . . Treuhand AG geleisteten Tätigkeit stehe nicht entgegen, daß der Kläger mit dem tatsächlichen Umfang dieser Tätigkeit gegen die ihm vom OLG-Präsidenten ausgesprochene Genehmigung verstoßen habe. Insoweit handele es sich allenfalls um einen Verstoß gegen beamtenrechtliche Vorschriften, die eine Nichtberücksichtigung dieser Tätigkeit im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG nicht rechtfertigen könne. Mit den Urteilen vom 11. Januar 1966 VII 8/64 (BFHE 84, 489, BStBl III 1966, 177) und vom 16. Dezember 1980 VII R 52/80 (BFHE 132, 177, BStBl II 1981, 226) habe der Bundesfinanzhof (BFH) lediglich entschieden, daß eine nach den Vorschriften des StBerG unbefugte Tätigkeit nicht als die den Anspruch auf Prüfungszulassung begründende hauptberufliche Tätigkeit gewertet werden könne. Der Verstoß gegen beamtenrechtliche Bestimmungen könnte allenfalls im Rahmen beamtenrechtlich zu treffender Maßnahmen gewürdigt werden. Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung gebiete es nicht, alle anläßlich einer erlaubten Tätigkeit begangenen Rechtsverstöße zum Anlaß zu nehmen, die hauptberuflich auf dem Gebiet des Steuerwesens ausgeübte Tätigkeit nicht im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG anzuerkennen.
Mit seiner Revision macht das Staatsministerium geltend, die Rechtsauffassung des FG, daß eine unter Verstoß gegen beamtenrechtliche Bestimmungen ausgeübte Tätigkeit auf die nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG geforderte dreijährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens angerechnet werden könne, verkenne die Bedeutung und Tragweite des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordung und die Entfaltung dieses Rechtsprinzips. Das FG habe unter Berufung auf diesen Rechtsgrundsatz entschieden, daß ein Beamter, der nach Maßgabe der Beamtengesetze sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen habe, neben seiner beruflichen Tätigkeit als Beamter keine andere hauptberufliche Tätigkeit mehr ausüben könne. Auch der juristische Vorbereitungsdienst stelle während seiner Dauer die Haupttätigkeit des Rechtsreferendars dar, neben der keine andere hauptberufliche Tätigkeit mehr ausgeübt werden könne. Den von der Vorentscheidung zitierten BFH-Urteilen, wonach eine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens nicht vorliege, wenn sie unbefugt ausgeübt werde, sei nicht zu entnehmen, daß der BFH zu diesem Ergebnis nur aufgrund der sachlichen Zusammengehörigkeit der §§ 2 bis 4 mit dem § 36 StBerG gekommen sei.
Der Kläger ist inzwischen aufgrund ergänzenden Sachvortrages zu seiner hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens zur Steuerberaterprüfung . . . zugelassen worden und hat diese erfolgreich abgelegt. Die Beteiligten haben daraufhin im vorliegenden Verfahren den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt; denn die Beteiligten haben - wie sie mit ihren nachgereichten Schriftsätzen vom . . . (Staatsministerium) und . . . (Kläger) klargestellt haben - übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben. Die daneben ,,vorsorglich" und ,,hilfsweise" gestellten sonstigen Anträge des Klägers sind prozessual unbeachtlich, da sie nach dem Schriftsatz vom . . . nur für den Fall gelten sollten, daß das Staatsministerium seine bisherigen Anträge noch verändert. Der Senat hat demnach nur noch über die Auferlegung der Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt im Streitfall nicht aus § 138 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordung (FGO), sondern aus § 138 Abs. 1 FGO. Denn der Rechtsstreit hat nicht dadurch seine Erledigung gefunden, daß der im vorliegenden Verfahren beantragte Verwaltungsakt - die begehrte verbindliche Auskunft gemäß § 7 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) - erlassen worden ist. Das Staatministerium hat vielmehr aufgrund eines weiteren eigenständigen Antrags sowie ergänzenden Sachvortrags und Nachweisen zur hauptberuflichen praktischen Tätigkeit des Klägers auf dem Gebiet des Steuerwesens diesem einen anderen Verwaltungsakt, nämlich die Zulassung zur Steuerberaterprüfung . . . erteilt (§§ l ff. DVStB).
Nach § 138 Abs. 1 FGO ist, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Demnach hat das Gericht seiner Kostenentscheidung den mutmaßlichen Ausgang des Rechtsstreits ohne das erledigende Ereignis zugrunde zu legen. Einer eingehenden Prüfung der Rechtslage und der Entscheidung schwieriger Rechtsfragen bedarf es allerdings für die Kostenentscheidung nicht, da in einem nur summarischen Verfahren über die Kostentragungspflicht zu entscheiden ist (vgl. Beschluß des Senats vom 5. September 1989 VII R 52/89, BFH/NV 1990, 269, 270). Der Senat gelangt unter Abwägung dieser Gesichtspunkte zu dem Ergebnis, daß ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses ein Unterliegen des Staatsministeriums im vorliegenden Verfahren wahrscheinlich gewesen wäre. Er hält es deshalb für angemessen, diesem die Kosten des gesamten Verfahrens nach § 138 Abs. 1 FGO aufzuerlegen.
Für das Ergebnis, daß die Revision des Staatsministeriums erfolglos geblieben wäre, spricht die Tatsache, daß der Kläger schließlich zur Steuerberaterprüfung . . . zugelassen worden ist, was er der Sache nach auch im vorliegenden Verfahren mit der begehrten Auskunft gemäß § 7 DVStB bestätigt wissen wollte. Zwar ist im Zulassungsverfahren der Sachvortrag ergänzt und ein weiterer Nachweis über die erforderliche berufspraktische Tätigkeit vorgelegt worden. Es ist aber anzunehmen, daß diese Umstände auch im Verfahren über die verbindliche Auskunft - wenn auch im Wege über eine Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO), dessen mutmaßliche erneute Entscheidung dann der Kostenentscheidung zugrunde zu legen wäre (vgl. Beschluß des Senats vom 15. April 1986 VII R 152/83, BFH/NV 1986, 757, 758) - berücksichtigt worden wären.
Darüber hinaus neigt der Senat zu der Auffassung der Vorinstanz, wonach auch eine zeitgleich neben dem juristischen Vorbereitungsdienst ausgeübte Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG erfüllen kann. Daß die Tätigkeit des Klägers bei der . . . Treuhand AG von ihrem Umfang her (25 bis 30 Stunden pro Woche) eine hauptberufliche Tätigkeit im Sinne der Zulassungsvorschrift darstellt, hat das FG festgestellt und ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es spricht auch vieles für die Richtigkeit der Auffassung der Vorinstanz, daß es für die Anerkennung als berufspraktische Tätigkeit unerheblich ist, daß dem Kläger als Rechtsreferendar eine Nebentätigkeit dieses Umfangs nicht genehmigt worden war. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, hat der Senat in den von der Vorentscheidung zitierten Urteilen eine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens lediglich dann nicht als Zulassungsvoraussetzung für die Prüfung anerkannt, wenn diese nach den Vorschriften des StBerG unbefugt ausgeübt worden ist. Der vorliegende Verstoß des Klägers gegen die Genehmigung des OLG-Präsidenten verletzt aber lediglich beamtenrechtliche Bestimmungen und hätte allenfalls zu beamtenrechtlichen Sanktionen führen können. Er kann - anders als die unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen - bei der Frage, ob die Voraussetzungen für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung erfüllt sind, unberücksichtigt bleiben, weil er mit dem Sinn und Zweck der Zulassungsbestimmungen und den Wertungen des StBerG in keinerlei Zusammenhang steht und diese unberührt läßt.
Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, auf den sich die Revision beruft, gebietet nicht, rechtlich verbotene Handlungen oder Verhaltensweisen, die nur im Rahmen bestimmter Rechtsverhältnisse oder eines besonderen öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses nicht gestattet sind, auf allen Rechtsgebieten stets und ohne ein Abstellen auf die Schwere der Rechtsverletzung dann unberücksichtigt zu lassen, wenn sie den Tatbestand einer für den Handelnden günstigen Norm erfüllen. Der Senat hat beispielsweise im Hinblick auf die wertungsindifferente Besteuerung, die durch die Vorschrift des § 40 der Abgabenordnung (AO 1977) verfolgt wird, entschieden, daß es grundsätzlich geboten ist, die Wirkungen begünstigender Steuerrechtsnormen ohne Rücksicht auf die Verbotswidrigkeit tatbestandsmäßigen Verhaltens eintreten zu lassen, und daß der Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung demgegenüber zurücktreten muß (Urteil vom 7. November 1989 VII R 115/87, BFHE 159, 238, BStBl II 1990, 251). Voraussetzung ist nach der vorstehenden Entscheidung allerdings, daß die begünstigende Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck die Tatbestandsverwirklichung durch ein einer außersteuerlichen Verbotsnorm widersprechendes Verhalten nicht ausschließt. Für den vorliegenden Fall kann daraus hergeleitet werden, daß der Kläger die Zulassungsvoraussetzung einer hauptberuflichen praktischen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG) auch durch eine Nebenbeschäftigung erfüllen konnte, die ihm nach den Bestimmungen des Beamtenrechts nicht genehmigt war. Die hier maßgebliche Zulassungsvoraussetzung dient dem Nachweis bestimmter berufspraktischer Fähigkeiten und Erfahrungen. Sie setzt weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der Zulassungsbestimmung voraus, daß diese im Rahmen einer genehmigten hauptberuflichen Tätigkeit erworben worden sind, soweit nicht das StBerG selbst die Tätigkeit, die die Prüfungszulassung begründen soll, verbietet.
Da der Senat nach der hier gebotenen summarischen Beurteilung die Vorentscheidung bestätigt hätte, waren die Kosten des Verfahrens der beklagten Behörde aufzuerlegen.
Fundstellen
Haufe-Index 417176 |
BFH/NV 1991, 272 |