Entscheidungsstichwort (Thema)
Grobes Verschulden bei unterbliebenen Angaben zur Unterstützung einer unterhaltsberechtigten Person
Leitsatz (NV)
Die Einschätzung eines FG, wonach einem Steuerpflichtigen deshalb grobe Fahrlässigkeit i.S.v. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vorzuwerfen ist, weil er im Einkommensteuer-Erklärungsvordruck geforderte Angaben zur Unterstützung einer als Kindsmutter unterhaltsberechtigten Person nicht gemacht hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 06.09.2007; Aktenzeichen 2 K 925/07) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) leistete der Mutter des gemeinsamen Kindes, mit der er im Streitjahr 2004 nicht verheiratet war, Unterhalt. Die Einkommensteuererklärung 2004, bei deren Anfertigung ein Lohnsteuerhilfeverein mitgewirkt hatte, enthielt keine Angaben zu den Unterhaltsleistungen. Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 14. April 2005 wurde bestandskräftig.
Unter dem Datum des 28. Juli 2006 beantragte der Kläger, den Einkommensteuerbescheid 2004 zu ändern und Unterhaltsleistungen von 7 680 € nachträglich als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) lehnte dies ab.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) scheide aus, da den Kläger grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Unterhaltsleistungen treffe. Der Kläger bzw. der Lohnsteuerhilfeverein hätte hierzu in der Einkommensteuererklärung keine Angaben gemacht, obwohl im Erklärungsvordruck entsprechende Eintragungen vorgesehen seien. Der Kläger hätte die vorbereitete Erklärung darauf hin überprüfen müssen, ob sie alle Angaben tatsächlicher Art, die nur von ihm selbst stammen konnten, enthielt. Bei der Durchsicht hätte ihm auffallen müssen, dass die ausdrücklich gestellte Frage nach dem Unterhalt für bedürftige Personen nicht beantwortet worden sei. Auch einem steuerlich nicht vorgebildeten Steuerpflichtigen sei zuzumuten, die Bedeutung der Fragen zu erfassen und sie auch zu beantworten.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger die Abweichung des Urteils des FG von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Rechtssache erfordert keine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO).
a) Das FG ist mit seiner Entscheidung nicht von den BFH-Urteilen vom 29. Juni 1984 VI R 181/80 (BFHE 141, 232, BStBl II 1984, 693), vom 10. August 1988 IX R 219/84 (BFHE 154, 481, BStBl II 1989, 131), vom 9. August 1991 III R 24/87 (BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65), vom 23. Januar 2001 XI R 42/00 (BFHE 194, 9, BStBl II 2001, 379), vom 23. Oktober 2002 III R 32/00 (BFH/NV 2003, 441) sowie vom 6. Oktober 2004 X R 14/02 (BFH/NV 2005, 156) abgewichen. Der Kläger hat die zitierten Urteile in der Beschwerdebegründung ausführlich wiedergegeben, ohne jedoch die behauptete Divergenz in der Frage des groben Verschuldens näher zu begründen.
b) Eine Abweichung des FG-Urteils von der BFH-Rechtsprechung ist auch nicht ersichtlich. Grobes Verschulden i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in der Form grober Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (vgl. die vorstehend zitierten BFH-Urteile). Auf einen das Verschulden ausschließenden, entschuldbaren Irrtum kann sich ein Steuerpflichtiger nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet hat (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2006 VI R 59/02, BFH/NV 2007, 866, m.w.N.). Ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen eine tatsächliche Feststellung, die das FG anhand der konkreten Umstände des einzelnen Falles zu treffen hat. Der BFH kann diese Feststellung nur darauf hin überprüfen, ob das FG den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die daraus abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig angewendet hat. Sofern keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben worden sind und die Sachverhaltswürdigung nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ist der BFH als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO daran gebunden, selbst wenn die Wertung des FG nicht zwingend, sondern lediglich möglich ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss in BFH/NV 2003, 441; BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488, jeweils m.w.N.).
c) Im Streitfall hat das FG unter Hinweis auf die einschlägige BFH-Rechtsprechung deshalb grobe Fahrlässigkeit bejaht, weil der Kläger die im Erklärungsvordruck ausdrücklich geforderten Angaben zur Unterstützung einer als Kindesmutter/Kindesvater unterhaltsberechtigten Person nicht gemacht hat. Eine die Zulassung rechtfertigende Divergenz zu Entscheidungen des BFH ist zu verneinen.
Fundstellen