Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer. Aufforderung des BMF zum Beitritt: Verfassungsmäßigkeit des § 25 Abs. 4 ErbStG 1974
Leitsatz (amtlich)
Der Bundesminister der Finanzen wird aufgefordert, dem Verfahren über die Prüfung der verfassungsrechtlichen Frage, ob die Einbeziehung der Renten in § 25 ErbStG 1974 a.F. eine sachgerechte, mit dem Gleichheitssatz in Einklang stehende Lösung darstellt und die Auslegung der Abs. 1 und 4 des § 25 ErbStG 1974 a.F. beizutreten.
Normenkette
ErbStG 1974 § 25 Abs. 1, 4; FGO § 122 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Der am 20. Juli 1974 verstorbene Vater des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) hatte diesen durch Testament zum Alleinerben eingesetzt und ihn mit einem Vermächtnis zugunsten seiner Mutter (Ehefrau des Erblassers, geb. am 15. September 1907) beschwert. Neben dem Wohnrecht in einem zum Nachlaß gehörenden Haus sollte die Mutter u.a. monatlich 1.700 DM Leibrente erhalten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA–) errechnete den Bruttowert des Nachlasses auf 508.308 DM und den Wert des steuerpflichtigen Nachlasses unter Berücksichtigung verschiedener Nachlaßverbindlichkeiten auf 435.584 DM. Den Kapitalwert der Rente in Höhe von 186.456 DM berücksichtigte er dabei ebensowenig wie den Kapitalwert des Wohnrechts in Höhe von 8.902 DM. Mit Steuerbescheid vom 11. September 1975 setzte es gegen den Kläger 24.185 DM Erbschaftsteuer fest. Von der Steuer stundete es entsprechend der Wahl des Klägers einen Teilbetrag von 10.845 DM nach § 25 Abs. 1 Buchst. b des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 a.F. In der Einspruchsentscheidung erhöhte das FA den gestundeten Betrag auf 16.585 DM, wies den Einspruch aber im übrigen als unbegründet zurück.
Die Klage, mit der der Kläger die Abänderung der Verwaltungsakte dahingehend begehrt, daß die Steuer um 16.585 DM niedriger festgesetzt wird, hat das Finanzgericht (FG) mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 270 (EFG 1977, 270) veröffentlichten Entscheidung abgewiesen. Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er rügt Verletzung materiellen Rechts und wendet sich insbesondere gegen die Auffassung des FG, § 25 ErbStG 1974 a.F. sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und rechtsgültig. Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Der Senat fordert den Bundesminister der Finanzen (BdF) zum Beitritt auf (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO–). Er bittet ihn, sich bis 15. Januar 1982 darüber zu äußern, ob er dem Verfahren beitritt, und bejahendenfalls bis 15. März 1982 insbesondere zu folgendem Stellung zu nehmen:
1. Soweit § 25 ErbStG 1974 a.F. bestimmte Belastungen (mit Ausnahme des Nießbrauchsrechtes) nicht berücksichtigt, enthält die Vorschrift eine Abkehr vom Prinzip der steuerlichen Belastung des Reinerwerbs, des sog. Nettoprinzips. Bezüglich der Nichtberücksichtigung von Nießbrauchsrechten wird auf das Senatsurteil vom 25. Februar 1981 II R 114/78 (BFHE 132, 486, BStBl II 1981, 411) Bezug genommen. Diese Entscheidung ist von der Überlegung getragen, daß bei Nutzungsvorbehalt usw. die volle Bereicherung des Erwerbers sich nicht sofort vollzieht, der Vermögensanfall also teilweise hinausgeschoben wird. Sie entspricht damit letztlich dem Nettoprinzip. Ist der Erwerber mit einer Rentenverpflichtung belastet, geht aber das Vermögen einschließlich der Nutzungen sofort auf ihn über. Im Hinblick darauf, daß andere Belastungen des Erwerbers (Einmalzahlungen, Übergang von Schulden, Annuitätendarlehen usw.) von § 25 ErbStG 1974 a.F. nicht erfaßt werden, stellt sich die verfassungsrechtliche Frage, ob die Einbeziehung der Renten eine sachgerechte, mit dem Gleichheitssatz in Einklang stehende Lösung darstellt.
2. Renten stellen regelmäßig eine persönliche Schuld des Verpflichteten gegenüber dem Berechtigten dar, ohne daß eine unmittelbare Beziehung zu einem bestimmten Vermögen (einem bestimmten Vermögensgegenstand) besteht. Eine Rente kann zwar möglicherweise nach dem Wunsch des Erblassers (Schenkers) aus dem Ertrag eines bestimmten Vermögens zu entrichten sein; das Vermögen selbst wird aber dadurch nicht unmittelbar belastet. Die Rentenleistung wird auch dann geschuldet, wenn das Vermögen den gedachten Ertrag nicht abwirft. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die „Rente” sich als Teilhabe am Ertrag eines bestimmten Vermögensgegenstandes darstellt, etwa dem Berechtigten der hälftige Überschuß aus dem Ertrag eines Wirtschaftsgutes zustehen soll. Hier ist der Übergang zum obligatorischen Nutzungsrecht fließend. Ist aber die Zuwendung von Vermögen (oder auch der gedachte Nutzen daraus) Motiv für die Belastung des Bedachten mit einer Rentenverpflichtung, belastet sie nicht dieses Vermögen selbst, sondern sie stellt eine Verpflichtung des Bedachten dar, der er ggf. aus eigenem Vermögen bzw. dessen Ertrag oder den Erträgnissen seiner Arbeit nachkommen muß. Läßt sich in solcher Weise keine Verbindung zwischen dem Vermögen, das der Bedachte aufgrund Erwerbs von Todes wegen oder aufgrund einer Schenkung i.S. von § 7 ErbStG 1974 erhält und der Rentenverpflichtung darstellen, so fragt sich, ob das Vermögen gleichwohl als i.S. von § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 „belastet” angesehen werden kann. Da die Rentenverpflichtung auch nicht durch Veräußerung des zugewendeten Vermögens entfällt, ist zudem die Regelung in § 25 Abs. 4 ErbStG 1974 a.F. nicht recht verständlich.
Fundstellen