Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung des rechtlichen Gehörs; Aussetzung des Verfahrens
Leitsatz (NV)
- Ein zur Verletzung des rechtlichen Gehörs i.S. von § 96 Abs. 2 FGO führendes sog. Überraschungsurteil liegt nicht vor, wenn das FG vor seiner Entscheidung auf seine neue Rechtsansicht hingewiesen hat.
- Die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO durch das FG kommt nicht in Betracht, wenn das von den Klägern als vorgreiflich bezeichnete Verfahren im Zeitpunkt der FG-Entscheidung nicht mehr i.S. von § 74 FGO "anhängig" war.
Normenkette
FGO §§ 74, 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) unter Hinweis auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerügten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.
Zu Unrecht machen die Kläger geltend, das Finanzgericht (FG) habe hinsichtlich des Streitjahres 1987 ein sog. Überraschungsurteil erlassen. Aus ihrem eigenen Vorbringen ergibt sich, dass das FG vor der Entscheidung ―wenn auch nach Auffassung der Kläger zu spät und nach einem unzweckmäßigen Betreiben des Klageverfahrens― auf seine neue Rechtsansicht hingewiesen hat. Der gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) liegt damit nicht vor (vgl. dazu z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. Mai 2002 XI B 87/01, BFH/NV 2002, 1464, m.w.N.). Der von den Klägern geltend gemachte Verfahrensverstoß einer unterlassenen Aussetzung des Klageverfahrens wegen eines vorgreiflichen Einspruchsverfahrens (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 74 FGO) ist schon deshalb nicht gegeben, weil im Zeitpunkt der Vorentscheidung nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG über diesen Einspruch bereits bestandskräftig entschieden war. Es handelte sich damit nicht mehr um ein i.S. des § 74 FGO "anhängiges" Verfahren (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss vom 4. September 2000 III B 41/00, BFH/NV 2001, 321, m.w.N.). Mit ihrem Vorbringen, das FG habe zu Unrecht das rügelose Einlassen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) auf den Antrag nach § 68 FGO nicht als Einwilligen in eine Klageänderung gemäß § 67 FGO angesehen, rügen die Kläger keinen Verfahrensverstoß, sondern einen materiell-rechtlichen Fehler des FG. Der Senat kann offen lassen, ob ein solcher überhaupt anzunehmen ist; denn mit der Revision vorbehaltenen Angriffen können die Kläger im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden.
Auch hinsichtlich der Streitjahre 1984 und 1985 liegt der gerügte Verfahrensmangel nicht vor. Die Kläger machen insoweit geltend, das FG habe bei seiner Schätzung gegen den Inhalt der Akten verstoßen (Verletzung von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 96 Abs. 1 FGO). Das FA habe in seinem Schriftsatz vom 1. Oktober 1996 für die Streitjahre 1984 und 1985 zwar geringere als die von den Klägern geltend gemachten, aber immerhin Verluste geschätzt; die Schätzung des FG mit null DM in beiden Streitjahren sei angesichts dieses Sachvortrags nicht plausibel (Bl. 9 der Beschwerdebegründung). Dass das FG bei seiner Entscheidung den genannten Schriftsatz des FA übergangen habe, haben die Kläger mit diesem Vorbringen nicht dargelegt. Aus ihren eigenen Darlegungen in der Nichtzulassungsbeschwerde (Bl. 3 der Beschwerdebegründung) ergibt sich, dass das FG zeitlich später (am 7. Februar 1997) eine Auflage nach § 79b FGO u.a. hinsichtlich der Aufteilung der Einkünfte erteilt hat; aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass das FG seine Schätzung mit der Nichterfüllung dieser Auflage begründet hat.
Fundstellen
Haufe-Index 926164 |
BFH/NV 2003, 810 |