Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung von Sicherungsgut im Konkurs des Sicherungsgebers
Leitsatz (NV)
Durch die Rechtsprechung ist bereits geklärt,
- dass der Sicherungsgeber (Gemeinschuldner) das Sicherungsgut dem Sicherungsnehmer auch dann erst nach Konkurseröffnung liefert, wenn er das Sicherungsgut bereits zuvor dem Sicherungsnehmer zur Verwertung herausgibt
- und dass die Umsatzsteuer für die Lieferung des Sicherungsguts gemäß § 58 Nr. 2 KO zu den Massekosten gehört.
Normenkette
UStG 1993 §§ 1, 3; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 26.03.2003; Aktenzeichen 1 K 2473/00) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der B-GmbH (Gemeinschuldnerin ―G―). Über ihr Vermögen wurde am … Februar 1994 das Konkursverfahren eröffnet.
Zur Absicherung mehrerer Investitionskredite übertrug G einer Gesellschaft für …finanzierung (X) an diversen Maschinen Sicherungseigentum. Wegen rückständiger Tilgungsraten kündigte X mit Schreiben vom 16. Dezember 1993 alle Kredite und forderte dazu auf, entweder 423 009,29 DM bis zum 23. Dezember 1993 zu zahlen oder die finanzierten Objekte zur Abholung bereit zu halten. X holte die sicherungsübereigneten Gegenstände im Januar 1994 bei G ab. Das Abholprotokoll enthält eine Auflistung der ausgehändigten Maschinen und den Hinweis, dass G am 28. Dezember 1993 beim Amtsgericht Konkursantrag gestellt habe. Die sicherungsübereigneten Maschinen wurden auf ein G nicht zugängliches Grundstück verbracht. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der G verkaufte X die sicherungsübereigneten Maschinen an Dritte für insgesamt 363 055 DM, verrechnete am 14. September 1994 den Verkaufserlös mit den Darlehnsschulden in Höhe von 424 488,39 DM und meldete die verbleibende Restschuld von 61 433,39 DM zur Konkurstabelle an.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) kam nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung zum Ergebnis, dass das Sicherungsgut nicht bereits mit der Herausgabe an X, sondern erst mit der Verwertung und damit nach Konkurseröffnung von G an X gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) geliefert worden sei, und setzte entsprechend die Umsatzsteuer für 1994 und Zinsen zur Umsatzsteuer 1994 mit Bescheid vom 10. April 1997 fest.
Einspruch und Klage gegen den Bescheid hatten keinen Erfolg.
Mit der Beschwerde begehrt der Kläger Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Der Kläger meint, der Bundesfinanzhof (BFH) habe bisher noch nicht entschieden, ob die "Doppelumsatztheorie" auch in den Fällen Anwendung finde, in denen sowohl der Eintritt der Verwertungsreife wie auch die Herausgabe des unmittelbaren Besitzes an dem Sicherungsgut vor Konkurseröffnung erfolgt sei und nur noch die Verwertung des Sicherungsguts durch den Sicherungsnehmer nach Konkurseröffnung erfolge. Entgegen der Ansicht des FG erfolge bei dieser Fallgestaltung die Lieferung des Sicherungsguts durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer nicht erst mit der Verwertung des Sicherungsguts durch den Sicherungsnehmer; vielmehr erhalte der Sicherungsnehmer ―anders als beim Pfandrecht― bereits vorher die Verfügungsmacht am Sicherungsgut. Vom BFH sei bisher auch nicht entschieden worden, ob die Umsatzsteuer in den Fällen der vorliegenden Art zu den Massekosten nach § 58 Nr. 2 der Konkursordnung (KO) gehöre. Der BFH sei in den bisher von ihm entschiedenen Fällen davon ausgegangen, dass eine Freigabe durch den Konkursverwalter vorliege, was in Fällen der vorliegenden Art nicht der Fall sei.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Revision kann aus diesem Grund nur wegen klärungsbedürftiger und klärbarer Rechtsfragen zugelassen werden. In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
2. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Sicherungsgeber das Sicherungsgut dem Sicherungsnehmer auch dann erst nach Konkurseröffnung liefert, wenn er das Sicherungsgut bereits zuvor dem Sicherungsnehmer zur Verwertung herausgibt, ist bereits durch die Rechtsprechung geklärt. In ständiger Rechtsprechung hat der BFH entschieden, dass es erst mit der Veräußerung des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer an einen Dritten zu zwei Lieferungen kommt: Der Sicherungsnehmer liefert an den Erwerber und der Sicherungsgeber liefert an den Sicherungsnehmer. Erst mit dem Zeitpunkt der Veräußerung an den Erwerber ist der Gegenstand (auch wirtschaftlich) endgültig aus dem Vermögen des Sicherungsgebers ausgeschieden (vgl. BFH-Urteile vom 20. Juli 1978 V R 2/75, BFHE 126, 84, BStBl II 1978, 684; vom 9. Dezember 1993 V R 108/91, BFHE 173, 458, BStBl II 1994, 483; vom 21. Juli 1994 V R 114/91, BFHE 175, 164, BStBl II 1994, 878, Umsatzsteuer-Rundschau ―UR― 1994, 427; vom 16. April 1997 XI R 87/96, BFHE 182, 444, BStBl II 1997, 585; Beschlüsse vom 29. Oktober 1998 V B 38/98, BFH/NV 1999, 680, und vom 13. Februar 2004 V B 110/03). Dies gilt auch im Konkurs des Sicherungsgebers (Urteile in BFHE 126, 84, BStBl II 1978, 684, und in BFHE 175, 164, BStBl II 1994, 878, UR 1994, 427; Beschlüsse in BFH/NV 1999, 680, und V B 110/03) und unabhängig von der Frage, ob bereits der Gemeinschuldner oder erst der Konkursverwalter das Sicherungsgut dem Sicherungsnehmer zur Verwertung ausgehändigt hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 126, 84, BStBl II 1978, 684, und Beschluss V B 110/03).
Die Vereinbarung, nach der der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer das Sicherungsgut zur Verwertung freigibt und auf sein Auslöserecht verzichtet, stellt noch keine Lieferung des Sicherungsguts an den Sicherungsnehmer dar (BFH in BFHE 175, 164, BStBl II 1994, 878, UR 1994, 427). Der Sicherungsnehmer darf nämlich über das Sicherungsgut nicht frei verfügen, vielmehr steht ihm im Konkurs des Sicherungsgebers lediglich ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Sicherungsgut gemäß §§ 4, 64 KO zu.
Diese Rechtsprechung findet ihre Bestätigung in § 50, § 51 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO), wo ausdrücklich bestimmt ist, dass Gläubiger, denen der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs eine bewegliche Sache übereignet hat, zur abgesonderten Befriedigung aus dem Gegenstand berechtigt sind. Der Kläger nimmt zwar zur Stützung seiner Einwände auf einige ältere Stimmen in der Literatur Bezug; aus der Beschwerdebegründung ergibt sich aber nicht, dass die Rechtsprechung diese Einwände bislang noch nicht hinreichend berücksichtigt hat und dass an einer weiteren Klärung auch nach In-Kraft-Treten der InsO noch ein allgemeines Interesse besteht.
3. Durch die Rechtsprechung ist ebenfalls geklärt, dass die Umsatzsteuer für die Lieferung des Sicherungsguts gemäß § 58 Nr. 2 KO zu den Massekosten gehört (vgl. BFH-Urteile in BFHE 126, 84, BStBl II 1978, 684, und in BFHE 175, 164, BStBl II 1994, 878, UR 1994, 427; Beschluss vom 28. November 1997 V B 90/97, BFH/NV 1998, 628, m.w.N.). § 58 Nr. 2 KO hat nicht zur Voraussetzung, dass die Umsatzsteuer durch eine Verwertungshandlung des Konkursverwalters entsteht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 126, 84, BStBl II 1978, 684, und in BFHE 196, 341, BStBl II 2003, 208).
Fundstellen