Entscheidungsstichwort (Thema)
Verheizen von Mineralöl
Leitsatz (NV)
Besteht der eigentliche und vorgreifliche Zweck des Erdgaseinsatzes in der Erzeugung von Wasserdampf als Energieträger und der Ausnutzung der in der erzeugten Wasserdampfmenge gespeicherten Wärmeenergie im Rahmen eines gewerblichen Herstellungsverfahrens, liegt ein Verheizen von Mineralöl vor, das eine Steuerbefreiung für das eingesetzte Erdgas ausschließt.
Normenkette
MinöStG 1988 § 8 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b; MinöStDV § 17 Abs. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) stellt unter Verwendung von Erdgas in einem Drehrohrofen Futterphosphat her. Das Verfahren dient insbesondere der hydrothermischen Entfluorisierung des Ausgangsstoffes Fluorapatit. Hierzu wird das Erdgas im Inneren des Drehrohrofens verbrannt und eine bestimmte Menge Wasser je Stunde von außen in den Reaktionsraum eingedüst. Die Details der im Drehrohrofen stattfindenden chemischen Prozesse, die eine Reaktions temperatur von 1300 Grad Celsius und einen hohen Wasserpartialdruck erfordern, sind wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt -- HZA --) wies den Antrag der Klägerin auf Vergütung der Mineralölsteuer für das zur Futterphosphatherstellung eingesetzte Erdgas zurück. Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage, die vom Finanzgericht (FG) abgewiesen wurde. Das FG erhob Beweis durch Augenscheinseinnahme und Einholung eines Sachverständigengutachtens. Es urteilte, ausweislich des Sachverständigengutachtens werde nur ein kleiner Teil des bei der Verbrennung des Erdgases entstehenden Wassers chemisch umgesetzt; das übrige Wasser werde mit dem von außen injizierten und erhitzten Wasser zur Erhaltung des notwendigen Wasserpartialdruckes eingesetzt. Im Vordergrund stehe das bewußte Ausnutzen des Heizwertes des Erdgases und damit eine Verwendung zu Heizzwecken, die gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) eine Steuerbefreiung ausschließen würde.
Da von dem im Drehrohrofen erzeugten Wasserdampf über 90 % zur Aufrechterhaltung des Partialdruckes benötigt werde und nur etwa 10 % des Wassers in die chemische Entfluorisierungsreaktion eingehe, komme auch eine Aufteilung in einen steuerbegünstigten und einen nichtsteuerbegünstigten Teil der Verwendung nicht in Betracht, denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 17 Abs. 4 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) sei der in erster Linie verfolgte Zweck entscheidend; zudem sei der genaue Anteil der möglicherweise begünstigten Verwendung nicht berechenbar. Im übrigen erscheine es naheliegend, daß es sich auch bei der Menge des eingesetzten Erdgases, die auf die Generierung des mit Fluorapatit reagierenden Wassers entfalle, um ein Verheizen handele, da das aus der Erdgasverbrennung resultierende Wasser durch die Wärme nicht selbst in seiner stofflichen Beschaffenheit verändert werde.
Mit ihrer auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gestützten Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision gegen das erstinstanzliche Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet.
Es kann dahinstehen, ob der Vortrag der Klägerin den formellen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, da eine Divergenz jedenfalls nicht vorliegt. Das angefochtene Urteil weicht nicht von den Urteilen des Senats vom 20. September 1995 VII R 57/93 (BFHE 176, 502) und vom 25. Oktober 1994 VII R 96/93 (BFHE 176, 165) ab.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Sachverhalte, die den beiden Senatsurteilen zugrunde liegen, mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Insbesondere geht die Annahme der Klägerin fehl, die Verfahrensabläufe bei der Verwendung von Erdgas zur Herstellung technischer Ruße im sog. Furnaceruß-Verfahren und die Verfahrensabläufe bei der von ihr betriebenen hydrothermischen Entfluorisierung zur Herstellung von Futterphosphat seien völlig gleichartig und erforderten daher eine verbrauchsteuerrechtliche Gleichbehandlung. Der Senat hat den Einsatz von Erdgas im Rahmen des Furnaceruß-Verfahrens deshalb nicht als ein die Steuerfreiheit ausschließendes Verheizen i. S. des § 8 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b MinöStG angesehen, weil das die Verbrennungswärme aufnehmende Rußöl nicht als Energieträger (Heizmittel) fungierte, sondern infolge chemischer Reaktionen (cracken) in seiner stofflichen Beschaffenheit verändert und damit selbst zum Objekt zur Herstellung eines anders beschaffenen Produktes wurde. Streitentscheidend war der Umstand, daß die durch die Verbrennung des Erdgases im Rußreaktor erzeugte Wärme nicht auf einen Stoff übertragen wurde, der seinerseits als Energieträger dazu bestimmt war, die aufgenommene Wärme an andere Stoffe weiterzugeben.
Im Streitfall hingegen kommt dem durch die Verbrennung des Erdgases erzeugten und von außen zusätzlich injizierten Wasser die Funktion eines solchen Transmitters zu, der die für die Entfluorisierung erforderlichen Rahmenbedingungen -- hohe Reaktionstemperatur und hoher Partialdruck -- schafft und aufrechterhält. Dabei geht das eingesetzte Wasser seiner chemischen Beschaffenheit nur zu einem sehr geringen Teil verlustig. Nach den Feststellungen des FG, gegen die die Klägerin keine Verfahrensrügen erhoben hat und die auch Verstöße gegen die Denkgesetze oder Erfahrungsgrundsätze nicht erkennen lassen, macht der Anteil des Wasserdampfes, der mit den Ausgangsstoffen nicht reagiert und in seiner chemischen Beschaffenheit unverändert bleibt, über 90 % aus. Der eigentliche und vorgreifliche Zweck des Erdgaseinsatzes besteht in der Erzeugung eben dieser Wasserdampfmenge als Energieträger und der Ausnutzung der darin gespeicherten Wärmeenergie im Rahmen eines gewerblichen Herstellungsverfahrens. Dabei wird die durch Ausnutzung des Heizwertes des Erdgases erzeugte Wärme auf einen anderen Stoff übertragen, der seinerseits wieder als Energieträger fungiert. In einem solchen Fall liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Urteil in BFHE 176, 165, m. w. N.) ein Verheizen von Mineralöl vor, das eine Steuerbefreiung ausschließt.
Die Sachlage des Streitfalles weist insbesondere Parallelen zu dem Sachverhalt auf, der dem Urteil vom 11. November 1969 VII R 57/67 (BFHE 97, 400) zugrunde liegt. Dort hat der Senat das Verbrennen von Schweröl zur Erhitzung von Wasser in einem Dampfkessel zur Erzeugung von Wasserdampf, der u. a. zur Gewinnung von Rohteer und als Hilfsmittel bei der Herstellung von Benzol eingesetzt wurde, als typischen Fall des Verheizens angesehen. Dem Umstand, daß im Streitfall das Erdgas im Inneren des Drehrohrofens verbrannt wird, kommt nach Ansicht des Senats keine entscheidende Bedeutung zu, da nach den Feststellungen des FG der Einsatz des Erdgases im Innenraum für den Prozeßerfolg nicht notwendig ist und die benötigte Wärme auch von außen, z. B. durch Verbrennen von Steinkohle oder Heizöl, zugeführt werden könnte. Da der Einsatz des Erdgases in erster Linie der Erhitzung des Wassers dient, liegt ein nichtbegünstigter Verwendungszweck vor, der eine Steuerbefreiung ausschließt. Eine andere rechtliche Beurteilung ist auch unter Berücksichtigung der Kollisionsvorschrift des § 17 Abs. 4 MinöStDV -- soweit diese Vorschrift im Streitfall überhaupt anwendbar sein sollte -- nicht gerechtfertigt, da der nichtbegünstigte Verwendungszweck eindeutig überwiegt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die streitbefangene Verwendung des Erdgases auch nicht mit der eliminierenden Nutzung von Erdgas durch bloßes Abfackeln vergleichbar, denn diese Form der Vernichtung von Abfallgasen erfolgt ohne Einsatz eines weiteren Energieträgers und nicht mit dem Ziel der Wärmegewinnung. Nach alledem liegt die von der Klägerin geltend gemachte Abweichung der erstinstanzlichen Entscheidung von den angeführten Senatsurteilen nicht vor.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, daß sich dem Erlaß des Bundesfinanzministeriums vom 15. Oktober 1996 zur Abgrenzung von Verheizen und anderen Zwecken i. S. des § 4 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG (veröffentlicht in der Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung Nachrichten N 5996 Nr. 484 und vom 24. Oktober 1996) für den Streitfall nichts Gegenteiliges entnehmen läßt. Die die Gerichte ohnehin nicht bindende Verwaltungsanweisung setzt lediglich die neuere Rechtsprechung des Senats in die Verwaltungspraxis um und gibt auf der Grundlage der BFH-Rechtsprechung erläuternde Hinweise für die Abwicklung noch nicht abgeschlossener Verfahren. Für den Streitfall ist sie nicht einschlägig.
Im übrigen ergeht dieser Beschluß nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 422046 |
BFH/NV 1997, 531 |