Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Eigenverbrauch wegen Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte
Leitsatz (NV)
Haben FA und FG Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und demzufolge einen Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1993 bejaht, ist die Revision gegen das Urteil des FG nicht bereits deshalb zuzulassen, weil der Kläger in Art einer Revisionsbegründung rügt, das FG habe die Kriterien zur Abgrenzung von Fahrten als betriebliches Ereignis oder als Fahrten zur Arbeitsstätte nicht richtig angewandt.
Normenkette
UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c; EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist selbständiger Informatiker mit Wohnsitz in B. Er war im Streitjahr (1993) überwiegend für die Firma E in V tätig.
Der Kläger fuhr regelmäßig montags im Laufe des Vormittags nach V zu E; er übernachtete dort zwei Nächte bis Mittwoch und kehrte sodann nach B in die eigene Wohnung zurück. Nach einer Übernachtung fuhr er erneut nach V, um dort turnusgemäß bis Freitag zu bleiben. In V bewohnte er ein auf Dauer angemietetes Hotelzimmer. Zu seiner Wohnung in B gehört ein Arbeitszimmer mit diversen Computern und Fachliteratur.
In seiner Gewinnermittlung für 1993 machte der Kläger die Kfz-Kosten für die Fahrten nach V und Verpflegungsmehraufwendungen für 167 Tage als Betriebsausgaben geltend. Aus diesen Kosten machte er in seiner Umsatzsteuererklärung den Vorsteuerabzug geltend; dabei ermittelte er die Vorsteuer aus den Pauschbeträgen für Verpflegungsmehraufwendungen nach § 36 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV 1993).
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) sah in den Fahrten zwischen B und V Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes und kürzte die hierfür geltend gemachten Betriebsausgaben. Dementsprechend kürzte er auch die Vorsteuer für den Verpflegungsmehraufwand und besteuerte die nicht anerkannten Fahrtkosten unter Berufung auf die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes 1993 als Eigenverbrauch (Umsatzsteuerbescheid vom 26. Februar 1996).
Die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) die Kfz-Aufwendungen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hatten (Kraftfahrzeugsteuer und Versicherungsbeiträge) aus der Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch ausschied.
Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Beschwerde, die er auf alle drei Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), das Urteil des FG von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder die angefochtene Entscheidung auf einem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Dem genügt die Beschwerdeschrift vom 15. September 1999 nicht.
a) Soweit der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend macht, hat er nicht hinreichend dargelegt, d.h. nicht substantiell und schlüssig dargetan, welche konkrete Rechtsfrage im allgemeinen Interesse des Rechts klärungsbedürftig ist. Vielmehr führt der Kläger in der Art einer Revisionsbegründung aus, dass das FG seine Fahrten nach V unzutreffend beurteilt habe, weil es die Kriterien zur Abgrenzung von Fahrten als betriebliches Ereignis oder als Fahrten zur Arbeitsstätte nicht richtig angewandt habe. Solche Ausführungen reichen zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht aus (BFH-Beschluss vom 17. März 1988 III B 82/85, BFH/NV 1988, 512). Die Rüge einer unzutreffenden Rechtsanwendung im Einzelfall begründet nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
b) Die Bezeichnung einer Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO setzt die Darlegung voraus, dass das FG seinem Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem gleichfalls abstrakten Rechtssatz in einer näher bezeichneten Entscheidung des BFH abweicht. Dabei muss kenntlich gemacht werden, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 16. März 1999 VIII B 90/98, BFH/NV 1999, 1232).
Nach dem vom Kläger erwähnten BFH-Urteil vom 27. Oktober 1993 I R 99/92 (BFH/NV 1994, 701) ist die Frage, ob Ausgangs- und Endpunkt der Fahrt zur Beschäftigungsstätte die Wohnung oder eine Betriebsstätte des Steuerpflichtigen ist, vom FG unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu beantworten. Dabei können insbesondere von Bedeutung sein:
- räumliche Integration des Büros in die Wohnung
- Verhältnis der Wohn- zur Betriebsfläche
- bewertungsrechtliche Einstufung des Gebäudes
- Beschäftigung von Arbeitnehmern
- Ausstattung der betrieblichen Räume z.B. mit Produktionsmaschinen
- Art der im Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeit
- Ort des Schwerpunktes der beruflichen Tätigkeit.
Der Rüge des Klägers, das FG habe nicht geprüft, ob sein Arbeitszimmer mit Produktionsmaschinen ausgestattet gewesen sei und statt dessen auf zeitliche Kriterien (der Arbeitszeit in B und in V) abgestellt, kann nicht entnommen werden, dass das FG von einem anderen Rechtssatz als der BFH ausgegangen ist; vielmehr rügt der Kläger damit der Sache nach lediglich, dass das FG den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt habe.
Ähnlich ist es mit den übrigen vom Kläger in der Beschwerdeschrift genannten BFH-Entscheidungen.
c) Auch die Behauptung des Klägers, das Protokoll über die mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme vom 10. Juni 1999 sei rudimentär und ergebe ein falsches Bild, ist keine schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels.
Nach § 94 FGO, § 160 Abs. 4 Satz 1 der Zivilprozeßordnung können die Beteiligten beantragen, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden. Dieser Antrag muss bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden (BFH-Beschluss vom 30. September 1986 VIII B 59/85, BFH/NV 1989, 24). Trägt der Kläger nicht vor, dass er einen derartigen Antrag gestellt hat, ist die Rüge, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen nicht in das Protokoll aufgenommen wurden, keine schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels (vgl. BFH-Beschluss vom 20. August 1998 V B 46/98, BFH/NV 1999, 211).
Mit der Rüge, dass der protokollierte Sachverhalt vom FG nicht richtig gewürdigt wurde, wendet sich der Kläger gegen die sachliche Richtigkeit des Urteils. Die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels kann hierin nicht gesehen werden. Jedenfalls ergibt sich aus der Beschwerdeschrift nicht, dass das FG seinem Urteil einen anderen als den protokollierten Sachverhalt zugrunde gelegt hat.
d) Von der Bekanntgabe einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 425123 |
BFH/NV 2000, 865 |