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BFH Beschluss vom 21.02.1997 - XI B 213/95 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Behauptete Nichtanwendung eines BdF-Erlasses

 

Leitsatz (NV)

Die Rüge des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG dadurch, daß das FG einen Erlaß des Bundesministers der Finanzen nicht angewendet habe, beinhaltet die Behauptung fehlerhafter Rechtsanwendung. Dies gilt auch für den Vortrag, daß die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels und die damit verbundene Bewertung des Grundvermögens als Umlauf- und nicht als Anlagevermögen gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Buchführung und Bilanzierung und damit gegen § 5 des Einkommensteuergesetzes, außerdem gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstoße. Die Behauptung einer rechtsfehlerhaften Entscheidung ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzutun (Anschluß an BFH- Beschluß vom 14. Dezember 1995 VIII B 46/95, BFH/NV 1996, 426, m. w. N.). Auch ist sie nicht als Rüge der Verletzung der Sachermittlungspflicht zu verstehen.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

 

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) waren in den Streitjahren zusammenveranlagte Ehegatten. Das Finanzgericht (FG) hat ihre Klage, mit der sie begehrten, statt der Kostenmiete die von ihnen erklärten Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzusetzen, abgewiesen. Es führte im wesentlichen aus, die Kostenmiete sei anzusetzen, weil die Wohnfläche der von den Klägern selbstgenutzten Wohnung 272,24 qm betrage und das Gebäude mit einem Schwimmbad mit einer Wasserfläche von 32 qm ausgestattet sei. Das Appartement im Untergeschoß sei in die Wohnflächenberechnung einzubeziehen, denn das Haus enthalte nur eine selbstgenutzte Wohnung und sei damit kein Zweifamilienhaus, als welches es fälschlicherweise bewertet worden sei, sondern ein Einfamilienhaus. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) sei berechtigt gewesen, die ursprünglichen Bescheide durch Ansatz der Kostenmiete zu ändern. Weder aus § 176 der Abgabenordnung (AO 1977) noch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebe sich im Streitfall eine Änderungssperre. Auch die Verböserung für die Streitjahre 1981 und 1982 im Einspruchsverfahren sei trotz fehlenden Verböserungshinweises zulässig gewesen, weil die Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden hätten. Die Klage wäre im übrigen in jedem Fall unbegründet, weil das FA in allen Streitjahren zu Unrecht Absetzung für Abnutzung (AfA) für sechs Eigentumswohnungen der Klägerin in X angesetzt habe und die Gewinne aus den Veräußerungen dieser 1978 erworbenen Wohnungen in den Jahren 1982 bis 1984 nicht erfaßt habe. Im Streitfall seien insoweit die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels erfüllt.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

Dagegen richtig sich die Beschwerde der Kläger, die sie auf wesentliche Mängel des Verfahrens und Einwendungen von grundsätzlicher Bedeutung gegen die angefochtene Entscheidung stützen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Der Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht "bezeichnet". Die Kläger tragen hierzu vor, das FG sei für sie überraschend von einem Einfamilienhaus statt Zweifamilienhaus ausgegangen. Darin liegt ein Verstoß gegen § 119 Abs. 2 FGO i. V. m. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Sie hätten sowohl zu der Frage der Abgeschlossenheit als auch zu der Frage einer selbständigen Haushaltsführung durch ihren Sohn Ausführungen machen können, wenn sie darauf hingewiesen worden wären. Die mangelnde Sachaufklärung durch das FG insoweit verstoße auch gegen § 76 Abs. 1 FGO. Das FG habe ohne ihre Anhörung unberücksichtigt gelassen, daß ihr Sohn ein Studium begonnen und daher einen selbständigen Haushalt in der Zweitwohnung geführt habe.

Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO muß bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen können. Dies ist schlüssig vorzutragen. Hierzu bedarf es bei der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Darlegung, was bei ausreichender Gewährung noch vorgetragen worden wäre und weshalb das FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung dann anders hätte entscheiden können (ständige Rechtsprechung, vgl. u. a. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH --vom 31. August 1995 I B 62/95, BFH/NV 1996, 226). Hieran fehlt es vorliegend. Die Kläger haben keine Angaben zur Frage der Abgeschlossenheit gemacht. Insbesondere fehlt es an Ausführungen, inwieweit ihr Vorbringen zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Dies gilt auch für die Rüge der mangelnden Sachaufklärung.

2. Auch soweit die Kläger mangelnde Sachaufklärung deshalb rügen, weil das FG die von ihnen für die fehlende Verkaufsabsicht der Klägerin beim Erwerb der Wohnungen in X genannten Zeugen A und B nicht vernommen habe, ist der Verfahrensmangel nicht bezeichnet. Die ordnungs gemäße Rüge wegen Nichterhebung angebotener Beweise erfordert, daß dargelegt werden: die ermittlungsbedürftigen Tat sachen, die angebotenen Beweismittel und die dazu angegebenen Beweisthemen, die genauen Fundstellen (Schriftsatz mit Datum und Seitenzahl), in denen die Beweismittel und die Beweisthemen angeführt sind, inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann, daß die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr von diesem gerügt werden konnte (ständige Rechtsprechung, u. a. BFH-Beschluß vom 30. März 1992 V B 127/90, BFH/NV 1995, 683). Den Ausführungen der Kläger läßt sich weder entnehmen, mit welchem Schriftsatz sie den Beweisantrag gestellt haben, noch, inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung, wonach der Verkauf der Wohnungen innerhalb von fünf Jahren die Verkaufsabsicht indiziert, auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann, noch, daß die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist.

3. Als grundsätzlich bedeutsam machen die Kläger die Frage geltend, ob § 176 AO 1977 auch dann anzuwenden sei, wenn nur der Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 offengehalten worden sei, keine neuen Tatsachen vorlägen, sich jedoch die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes geändert habe, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden sei. Der Ansatz der Kostenmiete für die Streitjahre beruhe nur auf der inzwischen geänderten Rechtsprechung des BFH.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muß klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein. Der Beschwerdeführer muß in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert darlegen, daß diese Voraussetzungen vorliegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 21. September 1993 V B 37/93, BFH/NV 1995, 395).

Die Ausführungen der Kläger genügen diesen Anforderungen nicht. Es fehlt jegliche Darlegung, inwieweit der aufgeworfenen Rechtsfrage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Im übrigen ist die aufgeworfene Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Januar 1991 III R 60/89, BFHE 163, 286, BStBl II 1992, 5, unter 3., m. w. N.).

4. Die Abweichung von der "Entscheidung des Großen Senats (BFH, BStBl II 1994, S. 463)" ist nicht ordnungsgemäß gerügt. Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß die Entscheidung des BFH, von der nach der Behauptung des Beschwerdeführers das Urteil des FG abweicht, "bezeichnet" werden. Das erfordert neben einer genauen Bezeichnung des BFH-Urteils mit Aktenzeichen und Datum oder Fundstelle die Darlegung, daß das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des übergeordneten Revisionsgerichts nicht übereinstimmt (vgl. BFH-Beschluß in BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Abgesehen davon, daß vorliegend schon die Angabe des Urteils zweifelhaft ist, weil die Fundstelle ein Urteil des IV. Senats des BFH enthält, lassen sich den weiteren Ausführungen der Kläger auch keine einander widersprechenden Rechtssätze des FG und des BFH entnehmen. Die Kläger stellen als Rechtssatz des BFH heraus, daß ein gewerblicher Grundstückshandel dann vorliege, wenn kumulativ die bedingte Veräußerungsabsicht und der Verkauf von mehr als drei Objekten nacheinander in fünf Jahren gegeben ist. Die dem gegenübergestellte Begründung des FG, wonach mit dem Verkauf der Wohnungen die "für den quantitativen Umfang von der Rechtsprechung entwickelte Drei- Objekt-Grenze überschritten" worden sei, widerspricht dem nicht. Die Kläger wenden sich im Grunde gegen die der Rechtsprechung des BFH entsprechende Rechtsanwendung durch das FG.

Soweit die Kläger in bezug auf die Annahme des gewerblichen Grundstückshandels einen Verstoß gegen den Vertrauensschutz des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 rügen, wird hiermit keiner der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO geltend gemacht.

5. Die Rüge des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG dadurch, daß das FG den Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 2. Oktober 1986 zur Kostenmiete (BStBl II 1986, 394) nicht angewendet habe, beinhaltet die Behauptung fehlerhafter Rechtsanwendung. Dies gilt auch für den Vortrag der Kläger, daß die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels und die damit verbundene Bewertung des Grundvermögens als Umlauf- und nicht als Anlagevermögen gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Buchführung und Bilanzierung und damit gegen § 5 des Einkommensteuergesetzes, außerdem gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstoße. Die Behauptung einer rechtsfehlerhaften Entscheidung ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzutun (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Dezember 1995 VIII B 46/95, BFH/NV 1996, 426, m. w. N.).

6. Schließlich vermögen auch die Ausführungen der Kläger, wonach die Kostenmiete und die Anwendung der Aufgriffsgrenze gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht darzutun. Der BFH hat in seinen Grundsatzentscheidungen zur Kostenmiete vom 21. Januar 1986 IX R 7/79 (BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394) und vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 (BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98) einen Verstoß gegen Art. 3 GG verneint. Er hat in der letztgenannten Entscheidung ausgeführt, daß der Gleichheitssatz eine Schätzung des Rohmietwerts einer selbstgenutzten Wohnung in einem besonders aufwendig gebauten oder ausgestatteten Zweifamilienhaus anhand der Kostenmiete geradezu gebiete. Der Vortrag der Kläger läßt jegliche Auseinandersetzung mit diesen Ausführungen vermissen. Diese wäre aber erforderlich gewesen, um darzulegen, weshalb für eine erneute Überprüfung der Kostenmiete unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG Bedarf besteht (vgl. BFH- Beschluß vom 15. Februar 1995 II B 118/94, BFH/NV 1995, 810).

7. Die Entscheidung ergeht im übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Ent lastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422120

BFH/NV 1997, 678

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