Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen über die Herstellung von zwischenvermieteten Eigentumswohnungen nach einer Außenprüfung
Leitsatz (NV)
- Eine Änderungssperre liegt nicht vor, wenn ein Steuerbescheid nach einer Außenprüfung weiter unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.
- Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit, kann sich der Steuerpflichtige nicht mehr darauf berufen, daß das Finanzamt verpflichtet gewesen wäre, den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben.
Normenkette
UStG 1980 § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 3; AO 1977 § 150 Abs. 1 S. 2, § 164 Abs. 1, 3, § 168 Sätze 1-2, § 195 S. 2, § 203 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte im Rahmen von zwei Bauherrengemeinschaften drei Eigentumswohnungen erworben und an die S-GmbH vermietet. Diese vermietete die Eigentumswohnungen an private Endmieter. Der Kläger verzichtete auf die Steuerbefreiung der Mietumsätze (§ 9 Satz 1 i.V.m. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- 1980) und machte in der Umsatzsteuererklärung für 1984 Vorsteuerbeträge aus der Herstellung der erwähnten Eigentumswohnungen geltend.
Das für die Bauherrengemeinschaft zuständige Finanzamt (im folgenden Betriebsfinanzamt) prüfte im Rahmen einer wegen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte für 1984 durchgeführten Außenprüfung auch die Voraussetzungen eines Verzichts auf die Steuerbefreiung für die Umsätze aus Vermietung und Verpachtung. Die Prüfung führte insoweit nicht zu Beanstandungen.
Darauf setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Umsatzsteuer für 1984 gegen den Kläger durch Bescheid vom 7. Oktober 1986 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--) in gegenüber der Steuererklärung geringfügig veränderter Höhe fest.
Nach einer abschließenden Bearbeitung änderte das FA die erwähnte Steuerfestsetzung für 1984 durch Bescheid vom 3. Dezember 1986, erkannte den Vorsteuerabzug nicht mehr an und setzte die Steuer auf 0 DM fest, weil der Kläger Geschäftsführer der S-GmbH gewesen sei und wesentlichen Einfluß auf die Endmietverträge habe nehmen können.
Das Finanzgericht wies die gegen den Änderungsbescheid nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren erhobene Klage als unbegründet ab. Es führt zur Begründung u.a. aus, das FA sei für die Besteuerung des Klägers zuständig geblieben; denn das Betriebsfinanzamt sei nur im Wege der Amtshilfe tätig geworden. Es habe den Vorsteuerabzug zu Recht versagt, weil die Einschaltung des gewerblichen Zwischenmieters in die Vermietung der Wohnungen rechtsmißbräuchlich gewesen und der Besteuerung nicht zugrunde zu legen sei.
Mit der Beschwerde beantragt der Kläger Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Der Kläger hält die Rechtsfrage für bedeutsam, ob --sinngemäß-- ein vom Veranlagungsfinanzamt aufgrund einer abgekürzten Auftragsprüfung gemäß § 195 Satz 2, § 203 Abs. 1 AO 1977 ergangener Änderungsbescheid erneut nach § 164 Abs. 2 AO 1977 wegen nachträglich bekanntgewordener neuer Tatsachen geändert werden dürfe oder ob der Vorbehalt der Nachprüfung hätte aufgehoben werden müssen.
Die vom Kläger herausgestellte Rechtsfrage hat jedoch keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist in dem angestrebten Revisionsverfahren weder klärungsbedürftig noch klärbar.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), wenn in dem zuzulassenden Revisionsverfahren eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, z.B. Beschluß vom 4. Februar 1999 IX B 170/98, BFH/NV 1999, 908, m.w.N.).
Es ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt und deshalb nicht klärungsbedürftig, daß ein Steuerbescheid auch nach einer Außenprüfung weiter unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt sein kann und aufgrund neuer Tatsachen geändert werden kann. Eine Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO 1977 greift nicht ein (BFH-Urteil vom 14. September 1993 VIII R 9/93, BFHE 175, 391, BStBl II 1995, 2, zu II. 1. c). Von der Literatur wird diese Beurteilung auch nicht in Frage gestellt (vgl. z.B. Klein/ Rüsken, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 173 Anm. 14, m.w.N.).
Nicht klärungsbedürftig ist weiter, daß das FA nicht verpflichtet war, den Vorbehalt der Nachprüfung, unter dem es seine Zustimmung zur Steueranmeldung für das Streitjahr erteilt hatte (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG 1980, § 150 Abs. 1 Satz 2, § 168 Satz 1 und 2 AO 1977), nach der Außenprüfung gegen die Bauherrengemeinschaft aufzuheben. Aus dem Gesetz (§ 164 Abs. 3 Satz 3 AO 1977) ergibt sich, daß der Vorbehalt aufzuheben ist, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben. Aus dem Zusammenhang mit dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), der nur die gesamte Steuerfestsetzung erfassen kann, folgt, daß sich die Außenprüfung auf die Prüfung der gesamten steuerlichen Verhältnisse beziehen muß, für die die Steuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 1987 X R 54/82, BFHE 152, 166, BStBl II 1988, 307, unter 3. c).
Im Streitfall war die Außenprüfung aber nicht gegen den Kläger, sondern gegen die Bauherrengemeinschaft, an der er beteiligt war, gerichtet. Es waren zudem nur die Voraussetzungen für den Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze geprüft worden, so daß der Steuerfall nicht als abschließend geprüft (vgl. § 164 Abs. 1 AO 1977) angesehen werden mußte.
Selbst wenn das FA verpflichtet gewesen wäre, den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben, kann sich der Kläger nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung darauf nicht mehr berufen, weil er es unterlassen hat, den Fortbestand des Nachprüfungsvorbehalts durch Einspruch anzufechten (BFH in BFHE 175, 391, BStBl II 1995, 2, zu II. 1. b).
b) Soweit der Kläger nach Ablauf der Beschwerdefrist in dem Schriftsatz vom 16. April 1999 neue Rechtsfragen aufwirft und neue Tatsachen vorbringt, dürfen diese im Verfahren über die Nichtzulassung der Revision --ebenso wie im Revisionsverfahren-- nicht beachtet werden (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Juni 1998 IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58). Zulassungsgründe, die nach Ablauf der Frist geltend gemacht werden, dürfen bei der Prüfung der Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht berücksichtigt werden (BFH-Beschluß vom 16. Januar 1989 V B 4/88, BFH/NV 1989, 791; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 115 FGO Tz. 87). Eine am Fristende fehlende Darlegung i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO kann später nicht mehr mit der Wirkung nachgeholt werden, daß die insoweit gegebene Unzulässigkeit der Beschwerde nachträglich entfällt.
Fundstellen
Haufe-Index 302722 |
BFH/NV 2000, 6 |