Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit) einer Rechtsfrage; Zurechnung von Kapitalerträgen
Leitsatz (NV)
1. Hat das FG bei der Entscheidung einer bestimmten Rechtsfrage die ständige Rechtsprechung des BFH zugrundegelegt, so muß der Beschwerdeführer zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit) der betreffenden Rechtsfrage eingehend begründen, welche beachtlichen, vom BFH in seinen bisherigen Entscheidungen noch nicht bedachten Einwendungen gegen diese Rechtsprechung erhoben werden.
2. Zur Zurechnung von Kapitalerträgen nach Veräußerung einer Kapitalforderung oder Beteiligung.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 101
Gründe
Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.
a) Die grundsätzliche Bedeutung muß grundsätzlich dargelegt werden. Hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits früher über die streitige Rechtsfrage entschieden, so muß der Beschwerdeführer begründen, warum er gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH zu der betreffenden Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich hält (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). In einem solchen Fall ist die grundsätzliche Bedeutung nur dann schlüssig dargelegt, wenn die Beschwerdebegründung eine eingehende Auseinandersetzung mit dem betreffenden Rechtsproblem enthält und erkennen läßt, worin die ungeklärte Frage liegen soll (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 62, m. w. N.; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 153, m. w. N.).
b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der beschließende Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber einer Kapitalforderung oder Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft die Kapitalerträge (z. B. Dividenden) demjenigen steuerrechtlich zuzurechnen seien, dem sie nach der Regel des § 101 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) oder nach einer von dieser Regel abweichenden Vereinbarung gebühren (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 9. März 1982 VIII R 160/81, BFHE 136, 72, BStBl II 1982, 540; vom 24. April 1990 VIII R 170/83, BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539; vom 30. April 1991 VIII R 38/87, BFHE 164, 357, BStBl II 1991, 574; vom 22. Mai 1984 VIII R 316/83, BFHE 141, 255, BStBl II 1984, 746, betreffend Dividenden aus GmbH-Beteiligung).
Diese Grundsätze, denen sich auch der Große Senat des BFH angeschlossen hat (Beschluß vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, 438, BStBl II 1983, 272, 274; vgl. auch Döllerer, Betriebs-Berater -- BB -- 1991, 1546, 1547, rechte Spalte), hat das Finanzgericht (FG) der angefochtenen Vorentscheidung zugrunde gelegt.
Unter diesen Umständen hätte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) eingehend darlegen müssen, welche beachtlichen, vom beschließenden Senat in seinen bisherigen Entscheidungen noch nicht bedachten Einwendungen gegen diese Rechtsprechung erhoben werden. Der Hinweis seitens des FA, der I. Senat des BFH habe in seinen Urteilen vom 21. Mai 1986 I R 199/84 (BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794) und I R 190/81 (BFHE 147, 27, BStBl II 1986, 815) einen vom beschließenden Senat abweichenden Rechtsstandpunkt eingenommen, indem er die Aufwendungen des Erwerbers einer GmbH-Beteiligung einschließlich der Zuzahlung zur Abgeltung des auf die Besitzzeit des Veräußerers entfallenden Dividendenanspruchs ingesamt als Anschaffungskosten für den Erwerb des Stammrechts qualifiziert und die Aktivierung eines daneben bestehenden Wirtschaftsguts "Gewinnbezugsrecht" abgelehnt habe, ermangelt einer hinreichenden Substantiierung und trifft im übrigen auch nicht zu: In beiden, vom I. Senat entschiedenen Fällen wurden -- im Gegensatz zum hier vorliegenden Streitfall -- von der Regel des § 101 BGB abweichende Abreden des Inhalts getroffen, daß den Erwerbern der GmbH-Anteile die Dividenden für das gesamte Geschäftsjahr der Veräußerung gebühren sollten. In solchen Fällen unterliegt es keinen ernsthaften Zweifeln, daß der Erwerber bei Zufluß die volle Dividende des abgelaufenen Geschäftsjahres zu versteuern hat und der VIII. Senat nicht anders als der I. Senat entschieden hätte (vgl. auch Döllerer, BB 1991, 1547, rechte Spalte, unter 2.).
Ebensowenig genügt für eine schlüssige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der pauschale, nicht näher konkretisierte Hinweis seitens des FA, aus den beiden oben genannten Urteilen des I. Senats des BFH werde in der Literatur (vgl. E. Dötsch, Der Betrieb -- DB -- 1993, 1842) gefolgert, daß der Kapitalertrag stets von demjenigen zu versteuern sei, dem im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses das Stammrecht steuerlich zuzurechnen sei. Schließlich vermag auch der schlichte Verweis auf die von der Vorentscheidung und der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats abweichende Ansicht des FG Baden-Württemberg in dessen Urteil vom 15. September 1993 2 K 99/89 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 353) die gebotene eigene Auseinandersetzung mit dem betreffenden Rechtsproblem nicht zu ersetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 421126 |
BFH/NV 1996, 405 |