Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine notwendige Beiladung, wenn Entscheidung über materiellen Klageantrag nicht mehr möglich
Leitsatz (NV)
Das Unterlassen einer an sich notwendigen Beiladung stellt keinen Verfahrensmangel dar, wenn eine Entscheidung über den materiellen Klageantrag deswegen nicht mehr ergehen kann, weil entweder die Einspruchsfrist versäumt oder über die streitige Rechtsfrage in einem Grundlagenbescheid bestandskräftig entschieden worden ist.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage -- nach einem entsprechenden rechtlichen Hinweis -- als unbegründet mit der Begründung abgewiesen, daß die Einwendungen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit Einspruch und Klage gegen den angefochtenen Verwaltungsakt nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Da die Klägerin lediglich den Feststellungsbescheid nach § 15 a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angefochten habe, sei der Gewinnfeststellungsbescheid gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung (AO 1977) bestandskräftig geworden. Die Bestandskraft dieses Bescheides umfasse die Feststellung des Anteils eines Gesellschafters am Steuerbilanzgewinn der Gesellschaft, und das Ergebnis aus der Ergänzungsbilanz, die zusammen den Gewinnanteil i. S. des § 15 Abs. 1, Nr. 2 Halbsatz 1 EStG ausmache, sowie das Ergebnis aus der Sonderbilanz eines Gesellschafters (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 30. März 1993 VIII R 63/91, BFHE 171, 213, BStBl II 1993, 706). Im Streitfall bedeute dies, daß für die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15 a Abs. 4 EStG der Gewinnfeststellungsbescheid insoweit bindend sei, als sich bereits aus diesem ergebe, welcher Betrag des gesamten Verlustanteils ausgleichs- und abzugsfähig sei (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaft steuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 15 a EStG Anm. 182). Sowohl die Einordnung der Tätigkeits- und Zinsvergütungen im Sonderbetriebsvermögensbereich als auch die Saldierungen mit den Sonderbetriebsausgaben seien im Gewinnfeststellungsbescheid vorgenommen worden.
Eine Beiladung der einzelnen Kommanditisten nach § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sei nicht erforderlich, weil die Klage bereits aus formellen Gründen abzuweisen sei und keine Sachentscheidung getroffen werden könne.
Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützt wird.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Senat kann die Auffassung des FG, über die Frage der Saldierung der Zinsen und Tätigkeitsvergütungen mit den Betriebsausgaben sei bestandskräftig entschieden, nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, daß diese Frage grundsätzliche Bedeutung habe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder daß das FG insoweit von einer BFH- Entscheidung abgewichen sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Unabhängig davon, ob der Entscheidung des FG gefolgt werden könnte, ist sie jedenfalls nicht verfahrensfehlerhaft zustandegekommen.
1. Das FG hat die Klage nicht als unzulässig verworfen, sondern als unbegründet zurückgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann daher nicht darauf gestützt werden, daß das erstinstanzliche Gericht zu Unrecht ein Prozeßurteil erlassen habe. Fehler des FG bei der Auslegung der AO 1977 -- also hier etwa über den Umfang der bindenden Feststellungen des Gewinnfeststellungsbescheides -- gehören zu den materiell-rechtlichen Mängeln (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rdnr. 25 m. w. N.).
2. Die Klägerin kann eine Verfahrensrüge nicht mit Erfolg darauf stützen, daß das FG es unterlassen habe, die Kommanditisten gemäß § 60 Abs. 3 FGO beizuladen. Eine Beiladung im Sinne dieser Vorschrift ist nur dann erforderlich, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn im Prozeß eine (auch den Mitgesellschafter betreffende) Sachentscheidung nicht mehr getroffen werden kann. Daher hat der BFH entschieden, daß von einer gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendigen Beiladung abgesehen werden kann, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist (BFH-Urteil vom 9. Mai 1979 I R 100/77, BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632). Gleiches muß gelten, wenn die Klage zwar zulässig ist, eine Entscheidung über den materiellen Klageantrag jedoch deswegen nicht mehr ergehen kann, weil entweder die Einspruchsfrist versäumt worden war (Urteil des FG Berlin vom 26. Juli 1988 V 452/86, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1989, 193) oder über die streitige Rechtsfrage in einem Grundlagenbescheid bestandskräftig entschieden worden ist (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, § 60 Rdnr. 33; vgl. auch BFH-Urteil vom 29. Juli 1987 VIII B 203/86, BFH/NV 1988, 101). Das FG ist davon ausgegangen, daß wegen der Bestandskraft des Gewinnfeststellungsbescheides über das Begehren der Klägerin sachlich nicht mehr entschieden werden könne. Hierin liegt keine Entscheidung, die allen Mitgesellschaftern gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Die Klägerin kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß dies nicht -- wie im BFH-Urteil in BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632 gefordert -- offensichtlich gewesen sei. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz auszugehen (Gräber/Ruban, a. a. O., Rdnr. 24 m. w. N.). Selbst wenn die unterlassene Beiladung als verfahrensfehlerhaft anzusehen sein sollte, so kann die Entscheidung hierauf nicht beruhen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juli 1990 7 B 71.90, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 43 Nr. 109). Anders als im Fall des BFH-Urteils in BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632 hing im Streitfall die Möglichkeit einer Sachentscheidung nicht davon ab, daß möglicherweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war.
3. Die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist aus mehreren Gründen nicht in zulässiger Weise begründet. Zwar steht der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht nur den Verfahrensbeteiligten i. S. des § 57 FGO, sondern allen unmittelbar von der Entscheidung Betroffenen zu (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 119 Rdnr. 10 c m. w. N.). Die Verfahrensbeteiligten selbst können in diesem Zusammenhang jedoch nur das Unterlassen einer notwendigen Beiladung rügen. Konnte die notwendige Beiladung im Streitfall unterbleiben, so kann die Klägerin demnach auch mit der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Gesellschafter keinen Erfolg haben. Schließlich hat die Klägerin auch nicht dargelegt, was die Beigeladenen im Falle ihrer Anhörung zusätzlich zu dem von der Klägerin Ausgeführten vorgetragen hätten.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 420659 |
BFH/NV 1995, 996 |