Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung eines Erbscheins nach Rechtskraft einer Entscheidung; Berichtigung von Rubrum und Entscheidungsgründen
Leitsatz (NV)
1. Beim Tod eines durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten findet keine Verfahrensunterbrechung statt.
2. Der Vorlage einer Prozessvollmacht bedarf es nicht, wenn das Verfahren nicht auf Antrag nach § 246 ZPO ausgesetzt wird. Dies gilt auch für die Rechtsmittelinstanz.
3. Wird kein Aussetzungsantrag nach § 246 ZPO gestellt, wird das Verfahren mit den unbekannten oder den - ggf. auf Grund eines Erbscheines - bekannten Erben fortgesetzt.
4. Wird nach Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung ein gemeinschaftlicher Erbschein mit der Begründung aufgehoben, einer der im Erbschein Genannten sei nicht Erbe geworden, kann insoweit eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 107 FGO vorliegen.
Normenkette
BGB § 2365; FGO §§ 107, 155; ZPO §§ 86, 246
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der während des finanzgerichtlichen Verfahrens verstorbenen M wegen Umsatzsteuer 1989 bis 1992 gegenüber deren Rechtsnachfolger, C, dem Ehemann (Kläger und Beschwerdeführer zu 1.), und S, der Tochter (Klägerin und Beschwerdeführerin zu 2. und Antragstellerin --Antragstellerin--), ab. Das Verfahren war aufgrund der von der Erblasserin erteilten Prozessvollmacht von der Prozessbevollmächtigten namens der Rechtsnachfolger fortgeführt worden; diese hat auch namens der Kläger als Rechtsnachfolger Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Mit Beschluss vom 13. September 2002 (V B 84/02) wies der erkennende Senat die Nichtzulassungsbeschwerde zurück und legte den Klägern die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf.
Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) vom 14. Januar 2004 wurde der bisher für die Kläger zu je 1/2 erteilte gemeinschaftliche Erbschein aufgehoben, weil die Antragstellerin als vor In-Kraft-Treten des Adoptionsgesetzes vom 2. Juli 1976 (BGBl I, 1749) angenommenes Kind der Erblasserin nicht erbberechtigt war, da im Annahmevertrag das gesetzliche Erbrecht ausgeschlossen war. Unter Hinweis darauf beantragt die Antragstellerin die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens und die Abänderung des Beschlusses mit der Maßgabe, dass sie nicht mehr als Verfahrensbeteiligte und Kostenschuldnerin aufgeführt wird.
Entscheidungsgründe
II. Der erkennende Senat versteht das Begehren der Antragstellerin als Antrag auf Berichtigung von Rubrum und Tenor gemäß § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Dem Antrag war stattzugeben.
1. Nach § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Die Vorschrift ist auch auf die Berichtigung von Beschlüssen anzuwenden (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 2004 X B 75/03, BFH/NV 2004, 663, m.w.N.). Als Berichtigungsgegenstand erfasst § 107 FGO alle Bestandteile des Urteils bzw. des Beschlusses (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 663; vom 17. März 2000 IX B 111/99, BFH/NV 2000, 1127).
2. "Ähnliche" offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 107 FGO sind Erklärungsmängel, die zu dem Erklärungswillen des Gerichts erkennbar im Widerspruch stehen; sie sind "offenbar", wenn sie augenfällig auf der Hand liegen, durchschaubar und eindeutig sind (BFH-Beschlüsse vom 4. September 1984 VIII B 157/83, BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834; vom 19. November 2003 I B 47/03, BFH/NV 2005, 515, m.w.N.). Ziel der Berichtigung kann somit (nur) sein, den erklärten mit dem gewollten Inhalt des Urteils in Einklang zu bringen. Eine Berichtigung ist nach § 107 FGO "jederzeit" und deshalb auch nach Rechtskraft einer Entscheidung zulässig.
3. Nach diesen Grundsätzen liegen im Streitfall die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Beschlusses vor.
a) Der Beschluss vom 13. September 2002 erging gegenüber den im Rubrum bezeichneten Personen als Rechtsnachfolger der verstorbenen M. Obwohl sich bürgerlich-rechtlich durch Erteilung, Ablehnung oder Aufhebung eines Erbscheins die Erbfolge sachlich nicht ändert (vgl. Edenhofer/Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Aufl., § 2365, Überblick vor § 2353 Anm. 4), gilt die Vermutung des § 2365 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), dass demjenigen, welcher in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht zustehe; Gleiches gilt auch für die Feststellung im Aufhebungsbeschluss des AG vom 14. Januar 2004, dass die Antragstellerin nicht Erbin geworden ist.
b) Die Vermutung des § 2365 BGB gilt auch im Steuerrecht (BFH-Urteil vom 22. November 1995 II R 89/93, BFHE 179, 436, BStBl II 1996, 242). Die Finanzbehörden und die FG haben deshalb regelmäßig von dem Erbrecht auszugehen, wie es im Erbschein bezeugt ist (BFH in BFHE 179, 436, BStBl II 1996, 242). Nach Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins mangels Erbrechts der Antragstellerin ist deshalb davon auszugehen, dass die Antragstellerin nicht Rechtsnachfolgerin war und deshalb Rubrum und Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründe des Senatsbeschlusses vom 13. September 2002 offensichtlich unrichtig waren, soweit die Entscheidung ihr gegenüber ergangen ist. Die im Hinblick auf die Gesamtrechtsnachfolge unzutreffende Erwähnung der Antragstellerin als Klägerin zu 2. konnte jederzeit als offenbare Unrichtigkeit berichtigt werden (vgl. zu § 319 der Zivilprozessordnung --ZPO--: Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 19. Februar 2002 VI ZR 394/00, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 1430, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 142/85, BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401).
c) Im Streitfall kann offen bleiben, ob eine Berichtigung nach § 107 FGO zulässig ist, wenn der angebliche Rechtsnachfolger selbst das Verfahren veranlasst hat; denn diese Voraussetzung liegt nicht vor.
Das Verfahren ist nach dem Tod der Erblasserin aufgrund der von der Erblasserin erteilten, uneingeschränkten Prozessvollmacht, die nach § 155 FGO i.V.m. § 86 ZPO über den Tod der Vollmachtgeberin weiterwirkte, --auch-- namens der Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin der Vollmachtgeberin fortgeführt worden. Die Fortführung des Verfahrens war ungeachtet des Todes der ursprünglichen Klägerin zulässig; denn nach § 155 FGO i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO findet bei Tod eines Beteiligten keine Unterbrechung des Verfahrens statt, wenn der Beteiligte --wie hier-- durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war. Wird ein Aussetzungsantrag gemäß § 246 ZPO nicht gestellt, kann der Rechtsstreit mit Wirkung für die unbekannten oder --wie hier-- im damaligen Zeitpunkt bekannten Erben weitergeführt werden (vgl. BGH-Urteile in NJW 2002, 1430; vom 5. Februar 1958 IV ZR 204/57 - Lindenmaier/Möhring - Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs zu § 325 Nr. 10 ZPO; BFH-Beschluss vom 20. August 1999 V B 52/99, BFH/NV 2000, 212, jeweils m.w.N.). Der Vorlage einer Prozessvollmacht der Erben bedarf es nur, wenn der Rechtsstreit nach § 155 FGO i.V.m. § 246 ZPO ausgesetzt wird. Das war nicht der Fall.
Das gilt mit Rücksicht auf den Fortbestand der Prozessvollmacht der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten auch für die Rechtsmittelinstanz (BGH-Urteil vom 15. März 2004 II ZR 247/01, Betriebs-Berater 2004, 1244; Oberverwaltungsgericht Münster vom 25. Juli 1985 8 A 2924/83, NJW 1986, 1707).
Da hier die Antragstellerin nicht selbst das Verfahren veranlasst und auch bis zum Abschluss des Verfahrens durch den Senatsbeschluss vom 13. September 2002 keine Vollmacht erteilt hat, scheidet sie als Kostenschuldnerin nach § 135 FGO aus.
d) Rubrum, Tenor und Tatbestand des Beschlusses vom 13. September 2002 (V R 84/02) waren danach wie folgt zu ändern:
Im Rubrum wird als Kläger und Beschwerdeführer nur C als Rechtsnachfolger der verstorbenen M aufgeführt.
Im Entscheidungstenor heißt es statt "Die Beschwerde der Kläger" nunmehr "Die Beschwerde des Klägers" und statt "Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen." nunmehr "Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen."
Tatbestand und Entscheidungsgründe werden mit der Maßgabe berichtigt, dass der Plural für die Klägerbezeichnung ("die Kläger und Beschwerdeführer") jeweils durch den männlichen Singular ("der Kläger") ersetzt wird.
4. Die Kostenfreiheit der Entscheidung ergibt sich aus ihrer Zugehörigkeit zu dem abgeschlossenen Beschwerdeverfahren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Juni 1994 IV B 33/94, BFH/NV 1995, 228; vom 12. Februar 1987 VIII S 14/86, BFH/NV 1987, 786).
Fundstellen