Entscheidungsstichwort (Thema)
„Erledigung“ des Richterablehnungsgesuchs
Leitsatz (NV)
- Hat das FG ein (erstes) Richterablehnungsgesuch zurückgewiesen, so ist es "erledigt" i.S.d. § 47 ZPO; der abgelehnte Richter darf wieder tätig werden, auch wenn ein Rechtsmittel gegen den FG-Beschluß eingelegt worden ist.
- Es kann offen bleiben, ob der vom abgelehnten Richter vor der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs durch das FG (1.) angeordnete Schriftsatzaustausch eine Art "unaufschiebbare Amtshandlung" oder überhaupt eine "richterliche Handlung" i.S.d. § 47 ZPO ist, da ein möglicher Verstoß gegen diese Vorschrift, der vom Antragsteller in einem zweiten Ablehnungsgesuch gerügt wird, jedenfalls durch die rechtskräftige Zurückweisung der Beschwerde durch den BFH gegen die Ablehnung des (ersten) Ablehnungsgesuchs (1.) als rückwirkend geheilt anzusehen wäre.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1 S. 1, § 77 Abs. 1 S. 4, § 155; ZPO §§ 47, 209
Tatbestand
Mit Beschluß vom 11. März 1999 hatte das Finanzgericht (FG) in dem Verfahren 11 V 417/99 das sich gegen alle Richter des Spruchkörpers des FG richtende Richterablehnungsgesuch des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) vom 27. Januar 1999 abgelehnt. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat der beschließende Senat mit Beschluß vom heutigen Tage VII B 109/99 als unbegründet zurückgewiesen.
Nach Eingang des Ablehnungsgesuchs hatte der zu den abgelehnten Richtern des FG-Senats gehörende Berichterstatter mit Verfügung vom 3. März 1999 dem Antragsteller den Schriftsatz des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) vom 24. Februar 1999 zur Kenntnisnahme übersandt. Ferner hat der Berichterstatter mit Schreiben vom 12. März 1999, also einen Tag nach Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs durch den in anderer Besetzung tagenden FG-Senat, das FA um Prüfung und Stellungnahme in der anhängigen Streitsache ersucht und eine Durchschrift dieses Schreibens dem Antragsteller zur Kenntnis übersandt.
Diese beiden Vorgänge nahm der Antragsteller zum Anlaß, den Berichterstatter mit Schriftsatz vom 24. März 1999 (erneut, nun aber individuell) wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Zur Begründung führt er aus, der bereits abgelehnte Berichterstatter sei erneut in dem Verfahren, mit dem Schreiben vom 12. März 1999 sogar durch eine Äußerung zur Sache, tätig geworden, obwohl eine rechtskräftige Entscheidung über das (erste) Ablehnungsgesuch noch nicht vorliege.
Das FG lehnte --in einer Besetzung ohne den abgelehnten Richter-- den Befangenheitsantrag als unbegründet ab. Es führte im wesentlichen aus, daß die erste Verfügung des abgelehnten Richters vom 3. März 1999 lediglich eine Schriftsatzübersendung nach § 77 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darstelle. Sollte es sich dabei überhaupt um eine "Handlung" i.S. des § 47 der Zivilprozeßordnung (ZPO) handeln, so wäre sie als zulässig anzusehen, denn ein schneller Schriftsatzaustausch in einem anhängigen Eilverfahren stehe in der Nähe einer "unaufschiebbaren Amtshandlung" i.S. des § 47 ZPO. Die Verfügung vom 12. März 1999 sei erst nach Zurückweisung des ersten Ablehnungsgesuchs ergangen und damit jedenfalls nach der Erledigung des Ablehnungsgesuchs.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, die er trotz Ankündigung im Schreiben vom 26. Juli 1999 bisher nicht begründet hat.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 47 ZPO hat ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.
Zutreffend geht das FG davon aus, daß ein abgelehnter Richter nach Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs durch das FG bereits vor Rechtskraft dieser Entscheidung, also unabhängig vom Ausgang der dagegen eingelegten Beschwerde, berechtigt und daher auch verpflichtet ist, an der Entscheidung in der Hauptsache weiter mitzuwirken. Denn seit dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. November 1981 GrS 1/80 (BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217) folgt der BFH der Auffassung, daß ein Ablehnungsgesuch bereits mit dem Beschluß des FG, der das Gesuch zurückweist, "erledigt" i.S. des § 47 ZPO ist. Die Sperrwirkung des § 47 ZPO ist damit aufgehoben. Daher begegnet die angegriffene Verfügung des Berichterstatters vom 12. März 1999 keinen rechtlichen Bedenken.
Was den vom abgelehnten Richter vor der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs angeordneten Schriftsatzaustausch angeht, neigt der Senat im Ergebnis der Auffassung des FG zu. Zudem wäre gut vertretbar, daß der bloße Schriftsatzaustausch gemäß § 77 Abs. 1 Satz 4 FGO, mit dem keine Fristsetzung oder das weitere Verfahren fördernde Handlung des Richters verbunden ist, zum eigentlichen Aufgabenbereich der Geschäftsstelle des FG-Senats gehört (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 209 ZPO) und damit keine "richterliche Handlung" i.S. des § 47 ZPO ist.
Die Frage bedarf hier aber keiner abschließenden Entscheidung, da der beschließende Senat mit Beschluß vom heutigen Tage VII B 109/99, auf dessen Inhalt verwiesen wird, die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung seines (ersten) Richterablehnungsgesuchs als unbegründet zurückgewiesen hat. Damit steht rechtskräftig fest, daß alle Handlungen des abgelehnten Richters in dem betreffenden Verfahren rechtswirksam sind. Ein möglicher Verstoß gegen § 47 ZPO wäre damit nachträglich und rückwirkend geheilt (vgl. Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 51 FGO Rz. 130, m.w.N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 51 FGO Rz. 50).
Fundstellen
Haufe-Index 422649 |
BFH/NV 2000, 337 |