Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten
Leitsatz (NV)
Auch die Berufung auf eine Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten als Hinderungsgrund für die Einhaltung der Frist erfordert eine schlüssige Darlegung aller für das Wiedereinsetzungsgesuch entscheidungserheblichen Tatsachen. Dazu ist vorzutragen, daß die Krankheit plötzlich und unvorhersehbar aufgetreten und so schwer ist, daß es für den Prozeßbevollmächtigten unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1
Tatbestand
Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde am 17. September 1998 zugestellt. Am 16. Oktober 1998 erhob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision. In dem dem FG am selben Tag zugegangenen Schreiben heißt es, "die Begründung in Form der Darstellung der Divergenzien bzw. Verfahrensfehler erfolgt binnen 14 Tagen". Am 19. November 1998 ging beim FG die Begründung der Beschwerde mit Datum vom 18. November 1998 ein. Dieser Schriftsatz enthielt u.a. die Bitte, "die durch eigene Krankheit verursachte Verzögerung der Beschwerdebegründung nachzusehen". Der Kläger wurde durch Schreiben der Geschäftsstelle des Senats vom 28. Dezember 1998 auf die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen. In der Folge übersandte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers ein ärztliches Attest und bat, seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben. In diesem dem Senat am 15. Januar 1999 zugegangenen Schreiben heißt es: "Nachdem ich gesundheitlich ab dem 11. 11. 1998 wieder in der Lage war, die Begründung zu fertigen, habe ich diese innerhalb der gesetzlichen Frist des § 56 FGO gefertigt und an das FG Düsseldorf gesandt. Ich habe dabei den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konkludent durch die Formulierung 'wegen Krankheit' gestellt."
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig und war deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das angefochtene Urteil des FG ist dem Kläger am 17. September 1998 zugestellt worden. Da der 17. Oktober 1998 ein Sonnabend war, gilt für die Berechnung der Frist § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO), so daß die Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde mit Ablauf des 19. Oktober 1998 endete. Damit hatte der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde zwar innerhalb der Frist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO eingelegt. Die Begründung der Beschwerde ist jedoch verspätet, nämlich erst am 19. November 1998, beim FG eingegangen (vgl. § 54 Abs. 1 und 2 FGO). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch "in der Beschwerdeschrift" zu begründen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dies schließt eine Begründung in einem gesonderten Schriftsatz nicht aus. Dieser muß jedoch innerhalb der Beschwerdefrist nachgereicht werden. Zulassungsgründe, die nach Ablauf der Beschwerdefrist vorgetragen wurden, darf der Bundesfinanzhof (BFH) nicht berücksichtigen (BFH-Beschlüsse vom 21. Juni 1968 III B 58/67, BFHE 93, 503, BStBl II 1969, 36, und vom 10. April 1997 II B 120/96, BFH/NV 1997, 731).
Dem Kläger kann die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.
Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Die Wiedereinsetzung verlangt weiter, daß der Beteiligte innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses einen Wiedereinsetzungsantrag stellt, die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft macht und die versäumte Rechtshandlung nachholt (§ 56 Abs. 2 FGO). Die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs erfordert eine substantiierte und in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Tatsachen innerhalb dieser Zweiwochenfrist (vgl. etwa BFH-Beschluß vom 8. Mai 1996 X B 12/96, BFH/NV 1996, 833, m.w.N.).
Im Streitfall hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht, daß er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei muß sich der Kläger ein Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Zwar hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, er sei durch eine Erkrankung an der Einhaltung der Frist zur Beschwerdebegründung gehindert gewesen. Dies ist aber schon deshalb zweifelhaft, weil nicht auszuschließen ist, daß sich der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in einem für einen Berufsangehörigen nicht entschuldbaren Irrtum über die Frist zur Begründung der Beschwerde befunden hat. Denn mit Schreiben vom 16. Oktober 1998, mit dem der Prozeßbevollmächtigte des Klägers drei Tage vor Ablauf der Frist die Beschwerde eingelegt hatte, teilte er dem FG mit, die Begründung erfolge binnen 14 Tagen.
Unschlüssig ist auch die Berufung auf die Erkrankung als Hinderungsgrund für die Einhaltung der Frist. Eine Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten wird nur dann als schuldlose Verhinderung des Beschwerdeführers gewertet, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwer ist, daß es für den Prozeßbevollmächtigten unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 11. Oktober 1995 VIII B 106/95, BFH/NV 1996, 332; vom 22. Juli 1991 III B 22/91, BFH/NV 1992, 257). Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargetan. Ausweislich des vorgelegten ärztlichen Attestes war der Prozeßbevollmächtigte des Klägers bereits im August 1998 als Folge eines zuvor erlittenen Unfalls erkrankt. Diese Erkrankung hatte ihrerseits Beschwerden zur Folge, die ihn im Oktober 1998 an der Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist gehindert haben sollen. Dieser sich aus dem vorgelegten Attest ergebende Krankheitsverlauf hätte zwingend erfordert, einen Vertreter zu bestellen, der ―wie der Prozeßbevollmächtigte des Klägers selbst vorgetragen hat― in der Praxis auch zur Verfügung stand. Die in der Praxis tätige freie Mitarbeiterin hätte als Steuerberaterin in der Lage sein müssen, die Begründung innerhalb der Frist zu fertigen. Sollte sie dazu ―wie der Prozeßbevollmächtigte des Klägers vorgetragen hat― nicht in der Lage gewesen sein, so entbindet dies nicht von der Verpflichtung, einen anderen geeigneten Vertreter zu bestellen.
Schließlich bestand auch kein Anlaß, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen zu gewähren, denn auch insoweit hat es an dem notwendigen Tatsachenvortrag gefehlt (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 24. Februar 1993 VI R 35/92, BFH/NV 1993, 615, 616; vom 19. Januar 1993 X R 82/92, BFH/NV 1993, 611). Der bloße Hinweis auf "die durch eigene Krankheit verursachte Verzögerung der Beschwerdebegründung" im Schriftsatz vom 18. November 1998 ist zu unbestimmt, als daß sich eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob nicht auch deshalb für Amtsermittlungen im Verfahren wegen Wiedereinsetzung kein Raum ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 1987 III R 208/84, III R 210-211/84, BFH/NV 1989, 370, 371), weil der Kläger von sich aus die Tatsachen durch präsente Beweismittel glaubhaft zu machen hat. Sieht man das Datum der Beschwerdebegründung als den Zeitpunkt an, in dem das Hindernis i.S. des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO weggefallen war, so hätte der Kläger die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs mit Schreiben vom 13. Januar 1999 im übrigen verspätet vorgebracht.
Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen
Haufe-Index 302324 |
BFH/NV 1999, 1614 |