Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederholung bereits abgelehnter Aussetzungsanträge
Leitsatz (NV)
Die Wiederholung bereits abgelehnter Aussetzungsanträge ist nur aufgrund veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände zulässig.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3; VGFGEntlG Art. 3 § 7 Abs. 2
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Antragsteller war Mitgesellschafter der in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betriebenen Steuerberaterpraxis A und B. Mit notariellem Vertrag vom 25. Januar 1988 gründeten die Gesellschafter die A und B Steuerberatungsgesellschaft mbH (GmbH), die am 10. Februar 1988 in das Handelsregister eingetragen wurde. Es war vereinbart, daß die Stammeinlagen in bar zu erbringen waren. Am 1. März 1988 schlossen die Gesellschafter mit der GmbH einen ,,Praxisübernahmevertrag", durch den alle Aktiva und Passiva der GbR auf die GmbH übertragen wurden.
Mit der für die GbR abgegebenen Gewinnfeststellungserklärung 1988 setzten der Antragsteller und der Mitgesellschafter einen Veräußerungsgewinn von . . . DM an, der auf sie je zur Hälfte verteilt war.
Nachdem der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuervorauszahlungen dementsprechend festgesetzt hatte, erhoben die Antragsteller Einspruch und beantragten, die Vollziehung des Vorauszahlungsbescheides vom 11. Mai 1988 auszusetzen. Sowohl das FA als auch das anschließend angerufene Finanzgericht (FG) lehnten die begehrte Aussetzung ab.
Am 19. Dezember 1988 haben die Antragsteller beantragt, den ablehnenden Beschluß des FG vom 24. November 1988 gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. Art. 3 § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) zu ändern.
Das FG lehnte den Änderungsantrag ab.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde rügen die Antragsteller Verletzungen des Verfahrens- sowie des materiellen Rechts.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerde ist allerdings nach dem Briefkopf der Beschwerdeschrift von der A und B Steuerberatungsgesellschaft mbH eingelegt worden. Steuerberatungsgesellschaften sind indessen von der Vertretungsbefugnis ausgeschlossen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. November 1976 III R 14-15/76, BFHE 120, 335, BStBl II 1977, 121; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 7. August 1978 2 BvR 26/77, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1978, 420).
Die Beschwerdeschrift ist jedoch aus der maßgeblichen Sicht eines mit den objektiven Umständen Vertrauten dahingehend auszulegen, daß die Beschwerde nicht entsprechend dem verwendeten Briefkopf von der GmbH, sondern - unmittelbar - von den Unterzeichnern der Beschwerdeschrift eingelegt wurde. Eine solche Auslegung ist zwar nicht allein aufgrund des der Unterschrift beigefügten Stempels mit den Namen der Steuerberater A und B und deren Berufsbezeichnung geboten.
Als den von Steuerberatern selbst - und nicht von der durch sie gegründeten GmbH - eingelegt ist die Beschwerde jedoch deshalb anzusehen, weil diese sich sowohl in dem anhängigen Verfahren als auch in dem abgeschlossenen gerichtlichen Aussetzungsverfahren unter ihrem Namen - ohne Hinweis auf eine Tätigkeit für die GmbH - zu Prozeßbevollmächtigten bestellt haben und weder dem Beschwerdeschriftsatz noch den Akten Anhaltspunkte für eine etwaige Absicht der Antragsteller zu entnehmen sind, das Mandat künftig - für das Beschwerdeverfahren - nicht mehr durch die Berater selbst, sondern durch die von diesen gegründete GmbH wahrnehmen zu lassen. Für diese Auslegung spricht auch die Tatsache, daß die in dem Aussetzungsverfahren vorgelegte und gemäß den §§ 155 FGO, 81 der Zivilprozeßordnung (ZPO) auch für das anhängige Änderungsverfahren fortgeltende Prozeßvollmacht auf die Steuerberater ausgestellt und anläßlich der Beschwerde nicht geändert worden ist.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG das Änderungsbegehren der Antragsteller als unzulässig angesehen.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 5 FGO können Beschlüsse über Aussetzungsanträge zwar jederzeit geändert oder aufgehoben werden; die Beteiligten können die Aufhebung oder Änderung nach Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG jedoch nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist auch eine Wiederholung bereits abgelehnter Aussetzungsanträge zulässig (BFH-Beschluß vom 23. Januar 1985 I S 4/84, BFH/NV 1987, 385 m. w. N.).
Die Auffassung der Antragsteller, der Beschluß in BFH/NV 1987, 385 lasse eine Wiederholung bereits abgelehnter Aussetzungsanträge in einem weiteren Umfang zu, verkennt die Gründe dieser Enscheidung. Denn die darin wiedergegebene Auffassung des BFH, die am Steuerprozeß Beteiligten könnten bereits abgelehnte Aussetzungsanträge grundsätzlich wiederholen, ist ausschließlich als rechtliche Schlußfolgerung aus der in § 69 Abs. 3 Satz 5 FGO, Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG getroffenen Regelung dargestellt und hat den BFH in dem entschiedenen Fall - entsprechend dem Wortlaut des Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG - nur im Hinblick auf die ,,Geltendmachung neuer Umstände" die Zulässigkeit des Wiederholungsantrags bejahen lassen.
Die Voraussetzungen für die begehrte Änderung des Aussetzungsbeschlusses liegen nach Maßgabe des Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG nicht vor.
Die von den Antragstellern vorgetragenen Umstände hinsichtlich der ,,Einbringung der Sozietät in Form einer Sacheinlage gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten" durch den Praxisübernahmevertrag vom 1. März 1988 statt der beabsichtigten - und wegen der erst im April 1988 erfolgten Bereitstellung der erforderlichen Kredite fehlgeschlagenen - Bargründung der GmbH sind nicht neu (Art. 3 § 7 Abs. 2 1. Alternative VGFGEntlG), weil sie schon im Zeitpunkt der Entscheidung des FG über den ursprünglichen Aussetzungsantrag vorgelegen haben.
Des weiteren sind diese Umstände schon ihrer Art nach keine solchen, deren Nichterwähnung durch die Antragsteller im ursprünglichen Aussetzungsverfahren als unverschuldet angesehen werden kann (Art. 3 § 7 Abs. 2 2. Alternative VGFGEntlG); dementsprechend ist auch weder dem Vortrag der Antragsteller noch dem weiteren Akteninhalt zu entnehmen, daß die Antragsteller ohne Verschulden gehindert waren, die vorbezeichneten Umstände bereits in dem ursprünglichen Aussetzungsverfahren vorzutragen.
Angesichts dieser Rechtslage kann dahinstehen, ob die Antragsteller gegen die zwischenzeitlich ergangene Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 1989 über die Einkommensteuervorauszahlungen 1988 Klage erhoben haben; ohne eine solche Klage wäre der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheides schon aus diesem Grunde unbegründet (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. September 1988 X S 10/88, nicht veröffentlich - NV -, und vom 26. April 1989 I S 10/88, NV, sowie BFH-Urteil vom 11. Februar 1987 II R 176/84, BFHE 148, 491, BStBl II 1987, 320).
Nach dem Sachverhalt hatte das FG auch keine Veranlassung, den ablehnenden Beschluß des FG vom 24. November 1988 von Amts wegen zu ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 417246 |
BFH/NV 1991, 699 |