Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahren bei Beschwerde wegen unwirksamer Klagerücknahme
Leitsatz (NV)
Auf die -- statthafte -- Beschwerde hebt der BFH den Beschluß des FG über die Einstellung des Klageverfahrens auf. Dieses hat das Verfahren fortzusetzen und entweder die Rücknahme der Klage auszusprechen oder aber in der Sache zu entscheiden.
Normenkette
FGO § 72 Abs. 2 Sätze 2-3, § 128 Abs. 1
Tatbestand
Mit der gegen den im Schätzungsweg ergangenen einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid für 1990 erhobenen Klage machten die Kläger (A und B) und Beschwerdeführer (Kläger) u. a. geltend, es bestehe keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), vielmehr habe nur A die Bar betrieben. Entsprechend der nachzureichenden Steuererklärung für 1990 ergäbe sich zudem kein Gewinn, sondern ein Verlust.
Mit Beschluß vom 21. Februar 1995 stellte der Einzelrichter das Klageverfahren nach § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ein, nachdem der Prozeßbevollmächtigte der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 10. Februar 1995 zurückgenommen hatte. Der Beschluß wurde dem Prozeßbevollmächtigten gemäß Verfügung des Berichterstatters am 7. März 1995 mit einfachem Brief zugestellt. Mit Schreiben vom gleichen Tage, beim Finanzgericht (FG) eingegangen am 9. März 1995, stellte der Prozeßbevollmächtigte klar, die Klagerücknahme sei nur für den Kläger A erfolgt und im übrigen auch nur insoweit, als die alleinige Zurechnung der Einkünfte auf diesen streitig sei.
Mit Schriftsatz vom 15. März 1995, beim FG eingegangen am 16. März 1995, legte der Prozeßbevollmächtigte unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 7. März 1995 namens der Kläger Beschwerde ein. Er führt u. a. aus, bei Fortsetzung des Klageverfahrens sei der Beklagte bereit, den erklärten Verlust anzusetzen.
Der Einzelrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist statthaft (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 28. März 1990 II B 163/89, BFHE 159, 486, BStBl II 1990, 503, 504) sowie frist- als auch formgerecht erhoben worden. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses des FG über die Einstellung des Klageverfahrens. Dieses hat das Verfahren fortzusetzen und entweder die Rücknahme der Klage auszusprechen oder aber in der Sache zu entscheiden (arg. § 72 Abs. 2 Satz 3 FGO).
1. Die Klagerücknahme führt zur rückwirkenden Beseitigung der Rechtshängigkeit der Sache und (damit) zur Beendigung des Verfahrens, ohne daß dazu eine Entscheidung über das geltend gemachte Recht ergeht. Der Beschluß nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO stellt diese Rechtsfolge zwar (deklaratorisch) fest, entscheidet jedoch nicht konstitutiv über das Vorliegen, die Wirksamkeit und den Bestand der Klagerücknahme. Entsteht (nachträglich) Streit über das Vorliegen, die Wirksamkeit oder den Bestand der Klagerücknahme, so hat das mit der Sache befaßte Gericht (das das Verfahren wegen Klagerücknahme eingestellt hat) darüber zu entscheiden. Es hat in dem (dann fortzusetzenden) Urteilsverfahren entweder in der Sache zu entscheiden oder aber auszusprechen, daß die Klage zurückgenommen worden ist (vgl. BFHE 159, 486, BStBl II 1990, 503, 504; BFH-Beschlüsse vom 26. August 1992 II B 115/92, BFH/NV 1993, 481; vom 23. Januar 1991 IV B 84/90, BFH/NV 1992, 472).
2. Im Streitfall haben die Kläger eindeutig Beschwerde eingelegt und nicht lediglich die Fortsetzung des Klageverfahrens beantragt (vgl. auch BFH-Beschluß vom 6. Februar 1991 IV B 29/90, BFH/NV 1993, 299). Sie machen der Sache nach die Unwirksamkeit der Klagerücknahme insoweit geltend, als sie unter Bezugnahme auf das Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 7. März 1995 eine lediglich eingeschränkte Klagerücknahme hinsichtlich des Gesellschafters A insoweit behaupten, als es um die Zurechnung der Einkünfte geht, nicht hingegen der Höhe dieser Einkünfte. Die Kläger sind damit der Auffassung, aufgrund der nachträglichen "Klarstellung" im Schriftsatz vom 7. März 1995 sei das ursprüngliche Klageverfahren fortzusetzen. Der erkennende Senat hat aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht darüber zu entscheiden, ob die von dem Prozeßbevollmächtigten unter Angabe des Aktenzeichens des Klageverfahrens vorbehaltlos abgegebene Rücknahmeerklärung im Schriftsatz vom 10. Februar 1995 eindeutig und bindend ist.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt entsprechend § 143 Abs. 2 FGO der Entscheidung des FG im Hauptsacheverfahren vorbehalten (vgl. BFH/NV 1993, 299, m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 421136 |
BFH/NV 1996, 348 |