Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch
Leitsatz (NV)
1. An die Stelle abgelehnter Richter eines Senats des Finanzgerichts treten deren geschäftsplanmäßige Vertreter. Solange dies möglich ist, wird das Finanzgericht nicht beschlußunfähig.
2. Die an die Stelle abgelehnter Richter geschäftsplanmäßig tretenden Richter haben nur über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 45
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) machte in dem Verfahren .../91 vor dem Finanzgericht (FG) geltend, der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 1982 sei rechtswidrig, weil Vorsteuerbeträge von insgesamt ... DM aus Rechnungen über die Zahlung eines Vertrauensschadens nach der Anfechtung eines Grundstückskaufvertrages und wegen der Zahlung von Anwaltskosten von dem Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) nicht berücksichtigt worden seien. Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer legte die Klägerin jedoch nicht vor. Ferner rügte sie, daß die Einspruchsentscheidung nichtig sei, weil die Bearbeitung abweichend von Grundsätzen zur Neuorganisation der Finanzämter und zur Neuordnung des Besteuerungsverfahrens - GNOFÄ - (BStBl I 1981, 270) durchgeführt worden sei.
Die Klägerin erhob in diesem Zusammenhang Dienstaufsichtsbeschwerde. Das FG lehnte den Antrag der Klägerin ab, die sich hierauf beziehenden Akten der Oberfinanzdirektion (OFD) und des ...Minsters der Finanzen sowie die Akten des FA D wegen Steuerhinterziehung gegen den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin beizuziehen. Außerdem beantragte die Klägerin bei dem FG im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. März 1992, ihr Akteneinsicht in die nicht beigezogenen Akten zu gewähren. Das FG lehnte diesen Antrag ab. Darauf lehnte die Klägerin die Vorsitzende Richterin am FG A und den Richter am FG B wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung machte sie geltend, es könne neben der Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör auch der Tatbestand der Aktenunterdrückung vorliegen. Nachdem die Klägerin die Ablehnung der Richter A und B beantragt hatte, ist die mündliche Verhandlung zur Entscheidung über die Ablehnungsanträge fortgesetzt worden. Für diese Entscheidung war der Senat mit dem Vorsitzenden Richter am FG C, der Richterin am FG E, dem Richter am Landgericht F sowie mit den ehrenamtlichen Richtern G und H besetzt. Die Klägerin lehnte die Berufsrichter ab, weil nicht sie, sondern das im Rechtszug nächsthöhere Gericht über die Befangenheitsanträge gegen die Richter A und B hätte entscheiden müssen und weil die (abgelehnten) Berufsrichter zunächst über den Antrag auf Akteneinsicht hätten entscheiden müssen.
Der Senat lehnte das Gesuch der Klägerin auf Ablehnung der Richter C, E und F als unzulässig ab, weil die Klägerin keine Gründe vorgetragen habe, die geeignet wären, Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter aufkommen zu lassen.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Gesuchs auf Ablehnung der Richter C, E und F begründet die Klägerin mit der fehlenden Zuständigkeit dieser Richter, über die Ablehnung der Richter A und B zu entscheiden und mit einem Verstoß der abgelehnten Richter gegen die Grundordnung des Verfahrens. Sie hätten dem Antrag auf Akteneinsicht stattgeben und das Verfahren solange aussetzen müssen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat die Ablehnungsanträge rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.
Eine Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn ein Anlaß vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Gründe für ein derartiges Mißtrauen sind vorhanden, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555 m.w.N.).
Die Ablehnung der Berufsrichter C, E und F war, wie das FG zu Recht entschieden hat, unzulässig. Ein glaubhaft gemachter Ablehnungsgrund (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO) lag nicht vor. Das Ablehnungsgesuch war unschlüssig. Die abgelehnten Berufsrichter waren nicht gehindert, über die Ablehnung der zuvor von der Klägerin abgelehnten Richter, die dem ...Senat des FG planmäßig angehörten, zu entscheiden. Die Klägerin geht unzutreffend davon aus, daß durch das Ausscheiden der abgelehnten Richter, die dem ...Senat des FG planmäßig angehörten, Beschlußunfähgikeit i.S. von § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO eingetreten sei. Die Regelung über die Beschlußunfähigkeit setzt voraus, daß das Gericht, somit das FG, durch die Ablehnung mehrerer Richter beschlußunfähig wird (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 51 FGO Tz. 11). Dies war jedoch offensichtlich nicht der Fall. An die Stelle der abgelehnten Richter, die dem ...Senat planmäßig angehörten, traten die geschäftsplanmäßigen Vertreter (vgl. zur Zuständigkeit für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch Vollkommer in Zöller, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., § 45 Rdnr. 2 m.w.N.). Unschlüssig ist auch der weiter von der Klägerin vorgetragene Ablehnungsgrund, die abgelehnten Richter hätten durch die Weigerung, über ihre Anträge auf Akteneinsicht positiv zu entscheiden und das Verfahren auszusetzen, die Grundordnung des Verfahrens verletzt. Die an die Stelle der abgelehnten Richter A und B entscheidenden Richter waren nach § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO nur zur Entscheidung über das gegen diese gerichtete Ablehnungsgesuch befugt. Über Anträge der Klägerin auf Akteneinsicht durften sie nicht entscheiden.
Weitere schlüssige Gründe, die eine Ablehnung der bezeichneten Richter hätten rechtfertigen können, sind nicht glaubhaft gemacht worden.
Fundstellen