Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verweisung an FG bei unwirksamem Antrag
Leitsatz (NV)
- Vertretungszwang nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG besteht auch im ersten Rechtszug.
- Es macht den BFH nicht zum Gericht der Hauptsache im Hinblick auf einen Steuerbescheid, dass der Antragsteller in einem Parallelverfahren vor dem BFH um die gleichen materiell-rechtlichen Fragen gestritten hat wie sie sich hinsichtlich dieses Bescheides stellen.
- Eine Verweisung des Rechtsstreits an das FG kommt nicht in Betracht, wenn ein zu Unrecht beim BFH angebrachter AdV-Antrag nicht wirksam gestellt worden ist.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, § 70; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; GVG § 17a Abs. 2 S. 1
Tatbestand
Der Antragsteller wird von dem Antragsgegner (Finanzamt ―FA―) auf die infolge des Kraftfahrzeugsteuer-Änderungsgesetzes (KraftStÄndG) 1997 erhöhte Kraftfahrzeugsteuer für seinen PKW in Anspruch genommen. Er beantragt gerichtliche Vollziehungsaussetzung nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Auf Anfrage der Geschäftsstelle des beschließenden Senats hat er den Streitgegenstand durch Vorlage einer Einspruchsentscheidung des FA konkretisiert; diese Entscheidung betrifft die Ablehnung des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Kraftfahrzeugsteuerbescheides vom 23. Dezember 1999, der für die Zeit vom 14. Dezember 1999 bis 30. April 2000 sowie für die nachfolgenden Monate November bis April ergangen ist.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist unzulässig. Nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) muss sich vor dem Bundesfinanzhof (BFH) jeder Beteiligte ―sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine Behörde handelt― durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen; dies gilt auch für Verfahren im ersten Rechtszug. Dieser Vertretungszwang besteht folglich auch in einem Verfahren wegen AdV nach § 69 Abs. 3 FGO (BFH-Beschluss vom 24. Mai 1976 VIII S 3/76, BFHE 118, 552, BStBl II 1976, 504). Der Antragsteller nimmt nicht in Anspruch, zu einer der vorgenannten Berufsgruppen zu gehören. Sein Antrag ist deshalb als unzulässig zu verwerfen, da er von dem Antragsteller selbst nicht wirksam gestellt werden konnte (vgl. schon den Beschluss des Senats vom 24. November 1998 VII S 25/98, BFH/NV 1999, 654).
Im Übrigen hätte vom BFH über den Antrag zur Sache nicht entschieden werden können, weil dazu nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO das Gericht der Hauptsache berufen ist. Der BFH ist jedoch nicht Gericht der Hauptsache. Denn ein Rechtsstreit wegen des Kraftfahrzeugsteuerbescheides vom 23. Dezember 1999 ist bei ihm nicht anhängig. Allerdings ist gegen den Antragsteller neben dem vorgenannten Bescheid ein Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 27. November 1997 und ein Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 7. Januar 1999 ―dieser betreffend die Zeit vom 19. Dezember 1997 bis zur Abmeldung des Fahrzeuges des Antragstellers am 16. Dezember 1998― ergangen, gegen welche Bescheide der Antragsteller ―erfolglos― Klage erhoben und den BFH mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision in dem betreffenden Urteil des Finanzgerichts (FG) angerufen hatte. Der beschließende Senat hat diese Beschwerde durch Beschluss vom 31. März 2000 als unzulässig verworfen. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen. Es betraf einen anderen Steuerbescheid. Dass in jenem Verfahren um die gleichen materiell-rechtlichen Fragen gestritten wurde, die sich dem Antragsteller auch hinsichtlich des Steuerbescheides vom 23. Dezember 1999 stellen, macht den BFH nicht zum Gericht der Hauptsache im Hinblick auf diesen Steuerbescheid.
Wegen des Bescheides vom 23. Dezember 1999 ist im Übrigen offenbar ein gerichtliches Verfahren noch nicht anhängig. Zwar kann ein Antrag auf AdV nach § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO schon vor der Erhebung der Klage gestellt werden (sofern die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO erfüllt sind, was hier offenbar der Fall ist), so dass wegen des Steuerbescheides vom 23. Dezember 1999 unter Umständen ein Antrag auf AdV bei dem örtlich zuständigen FG gestellt werden könnte, das insoweit Gericht der Hauptsache i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO wäre. Eine Verweisung des Rechtsstreits an das FG nach § 70 FGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG), die grundsätzlich bei Anrufung des BFH trotz Zuständigkeit des FG für einen AdV-Antrag von Amts wegen vorzunehmen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1994 VIII S 4/94, BFH/NV 1995, 800), kommt indes gleichwohl nicht in Betracht, weil eine solche Entscheidung einen beim BFH wirksam gestellten AdV-Antrag voraussetzte. Ein von einem Antragsteller unter Verstoß gegen den Vertretungszwang des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG gestellter Antrag ist jedoch, wie ausgeführt, nicht wirksam und kann deshalb zu einer Verweisungsentscheidung nach den vorgenannten Vorschriften nicht führen.
Fundstellen
Haufe-Index 510059 |
BFH/NV 2001, 56 |