Leitsatz (amtlich)
Führt ein Steuerpflichtiger mit seinem nichtehelichen Kind und dessen Mutter einen gemeinsamen Haushalt, so wird das Kind ihm (dem Vater) zugeordnet, wenn er durch eine Bescheinigung des Jugendamtes (der zuständigen Behörde) nachweist, daß das Kind zu seinem Haushalt gehört hat.
Normenkette
EStG 1975 (1979) § 32 Abs. 4 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Vater eines nichtehelichen Kindes, das ständig pflegebedürftig ist. Er führte im Streitjahr 1975 mit der Mutter des Kindes (M) einen gemeinsamen Haushalt, in dem auch das Kind lebte. M, eine Kriegerwitwe, bezog im Streitjahr eine Witwenrente in Höhe von 6 597 DM; es ergab sich bei ihr kein zu versteuerndes Einkommen. Der Kläger begehrte in seinem Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für 1975, daß das (gemeinsame) Kind steuerlich ihm zugerechnet würde. Eine Bescheinigung des Jugendamtes, daß das Kind zu seinem Haushalt gehört habe (§ 32 Abs. 4 Satz 3, zweiter Halbsatz des Einkommensteuergesetzes 1975 - EStG 1975 - i. d. F. vom 5. September 1974, BGBl I, 2165, BStBl I, 733), legte er nicht vor. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) entsprach dem Begehren des Klägers nicht, sondern berücksichtigte lediglich einen Betrag in Höhe von 5 419 DM als außergewöhnliche Belastung; es waren angenommene Aufwendungen in Höhe von 7 200 DM um die zumutbare Belastung (nach § 33 Abs. 3 EStG 1975) gekürzt worden.
Während des Verfahrens beim Finanzgericht (FG) änderte das FA den angefochtenen Bescheid teilweise zugunsten des Klägers. Es trug dabei den Vorschriften des Steueränderungsgesetzes 1979 vom 30. November 1978 - StÄndG 1979 - (BGBl I 1978, 1849, BStBl I 1978, 479) Rechnung. Der Kläger beantragte, den Änderungsbescheid zum Gegenstand des FG-Verfahrens zu machen und begehrte nunmehr den Abzug einer (weiteren) außergewöhnlichen Belastung in Höhe von 1 018 DM und eines Haushaltsfreibetrages in Höhe von 3 000 DM.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Es ist in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 505 (EFG 1980, 505) veröffentlichten Urteil davon ausgegangen, daß das Kind im Streitjahr seiner Mutter zuzuordnen gewesen sei und nicht seinem Vater, dem Kläger. Dieser habe nicht durch eine Bescheinigung des Jugendamtes nachgewiesen, daß das Kind zu seinem Haushalt gehöre. Danach hätten die Aufwendungen des Klägers nur im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 1979 berücksichtigt werden können. Weitere Vergünstigungen könnten auch nicht "von Verfassungs wegen" gewährt werden. Die Vorschriften des Steueränderungsgesetzes 1979 trügen dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seinem Beschluß vom 8. Juni 1977 1 BvR 265/75 (BVerfGE 45, 104, BStBl II 1977, 526) an den Gesetzgeber voll Rechnung.
Der Kläger hat gegen das FG-Urteil Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt. Mit seiner Beschwerde macht er grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Er führt aus, es sei noch nicht hinreichend geklärt, ob § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar sei. Die Zuordnungsregelungen in § 32 Abs. 4 EStG stünden nicht in Einklang mit den Grundsätzen des mit dem BVerfG-Beschluß vom 17. Oktober 1973 1 BvL 20/72 (BVerfGE 36, 126, BStBl II 1974, 92) übereinstimmenden Beschlusses des BVerfG vom 3. Juli 1974 1 BvR 262/73, nach dem in bestimmten Fällen auch dem Vater eines nichtehelichen Kindes ein Kinderfreibetrag zuzuerkennen sei.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, daß die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestande zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Juni 1969 II B 2/68, BFHE 96, 155, BStBl II 1969, 663). Grundsätzliche Bedeutung liegt danach nicht schon deshalb vor, weil die Rechtsfrage - wie im Streitfall - bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist (BFH-Beschluß vom 15. Juli 1966 VI B 2/66, BFHE 86, 708, BStBl III 1966, 628). An der grundsätzlichen Bedeutung fehlt es, wenn die Behandlung der Rechtsfrage durch das FG der eindeutigen Rechtslage und der allgemeinen Auffassung im Schrifttum entspricht (vgl. den BFH-Beschluß vom 23. Februar 1973 VI B 26/72, BFHE 108, 538, BStBl II 1973, 446). So verhält es sich im Streitfall.
Der Kläger übersieht, daß seinem Anliegen bereits im Einkommensteuergesetz 1975 Rechnung getragen worden ist. Offenbar in Kenntnis des Beschlusses in BVerfGE 36, 126, BStBl II 1974, 92 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 4 Satz 3 zweiter Halbsatz EStG 1975 - ausdrücklich - die Möglichkeit geschaffen, ein nichteheliches Kind, das mit seinen Eltern - wie im Streitfall - in einer gemeinsamen Wohnung lebt, auch dem Vater zuzuordnen. Nach Absatz 4 der Begründung zu Art. 1 § 99 des Entwurfs eines Dritten Steuerreformgesetzes vom 9. Januar 1974 (dem späteren § 32 EStG 1975) enthält diese Vorschrift für den Fall, daß sowohl der Vater als auch die Mutter kinderentlastungsberechtigt sind, lediglich die "widerlegbare Vermutung", daß das Kind zum Haushalt der Mutter gehört (Drucksache des Deutschen Bundestags VII/1470 S. 292). Es wird nach § 32 Abs. 4 Satz 3 zweiter Halbsatz EStG 1975 dem Vater zugeordnet, wenn dieser durch eine Bescheinigung des Jugendamtes nachweist, daß es (das Kind) zu seinem Haushalt gehört hat. Dies ist nach allgemeiner Meinung dann der Fall, wenn das Kind bei einheitlicher Wirtschaftsführung unter Leitung des Vaters dessen Wohnung teilt oder sich mit seiner Einwilligung vorübergehend außerhalb seiner Wohnung aufhält (Abschn. 60 Abs. 2 Nr. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1975; vgl. auch Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: Kinderermäßigung - Kinderfreibeträge-, Anm. C II 1 S. 144 e; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 32 Anm. 141). Durch die Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 3 zweiter Halbsatz EStG 1975 (und folgende Jahre) wird erreicht, daß in Fällen der vorliegenden Art ein Kind nicht deswegen steuerlich unberücksichtigt bleibt oder nur unzureichend berücksichtigt wird, weil die Mutter unter Umständen kein zu versteuerndes Einkommen bezieht (vgl. auch Wismeth, Neue Wirtschafts-Briefe Fach 3 S. 3969, 3973).
Diese Auslegung der eindeutigen Vorschrift ist bisher - soweit ersichtlich - noch nicht bezweifelt worden. § 32 Abs. 4 Satz 3 zweiter Halbsatz EStG 1975 war auch nicht Gegenstand des Beschlusses in BVerfGE 45, 104, BStBl II 1977, 526. In jener Entscheidung hatte sich das BVerfG nur mit der steuerrechtlichen Behandlung von Unterhaltsleistungen für Kinder zu befassen, die nicht in der Obhut des Leistenden standen. Nur insoweit könnte auch das darauf erlassene Steueränderungsgesetz 1979 einschlägig sein.
Der Kläger hat es verabsäumt, durch ein ihm von Gesetzes wegen auferlegtes Handeln (Beschaffen einer Bescheinigung des Jugendamtes) für das Streitjahr 1975 eine ihm günstigere Besteuerung zu erreichen. Dieses - persönliche - Versäumnis kann er mit der vorliegenden Beschwerde nicht mehr ungeschehen machen. Es besteht kein Interesse der Allgemeinheit an einer oberstgerichtlichen Entscheidung dieser lediglich für den Einzelfall des Klägers bedeutsamen Frage (vgl. BFHE 96, 155, BStBl II 1969, 663).
Fundstellen
Haufe-Index 413464 |
BStBl II 1981, 54 |
BFHE 1981, 514 |