Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; Verfahrensmangel
Leitsatz (NV)
1. Der Zulassungsgrund der "grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache" zielt auf die Klärung einer für die Entscheidung des Streitfalls erheblichen abstrakten Rechtsfrage ab; zur Klärung von Tatsachenfragen ist er weder bestimmt noch geeignet.
2. Auf die Rüge eines übergangenen Beweisantrags ist auch dann wirksam verzichtet, wenn der ordnungsgemäß geladene Prozessbevollmächtigte des Klägers den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrnimmt und der Kläger persönlich rügelos zur Sache verhandelt hat.
3. Mit Angriffen auf die Beweiswürdigung des FG wird kein Verfahrensmangel geltend gemacht.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Hamburg (Urteil vom 29.10.2004; Aktenzeichen IV 48/04) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein polnischer Staatsbürger, der seit Dezember 2001 in der Bundesrepublik Deutschland lebt, wurde am 13. Februar 2003 in H als Fahrer eines PKW mit polnischem Kennzeichen von Beamten des Zollkommissariats angehalten. Aufgrund der Einlassung des Klägers erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) am 22. April 2003 einen Einfuhrabgabenbescheid (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) wegen vorschriftswidrigen Verbringens des PKW in das Zollgebiet der Gemeinschaft. Einspruch und Klage des Klägers hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) kam im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass die in einem Vermerk des Zollkommissariats dokumentierte Einlassung des Klägers, wonach er den in Polen auf seine Mutter zugelassenen PKW nach Deutschland verbracht habe und ihn hier zum persönlichen Gebrauch nutze, tatsächlich in dieser Weise erfolgt sei und auch den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche. Die später im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren getätigte Einlassung des Klägers, er sei erst am 7. Februar 2003 zusammen mit seinem Bruder und seiner Mutter in dem PKW aus Polen eingereist, wobei ihm die Mutter den PKW lediglich für die Dauer seines Umzugs leihweise zur Verfügung gestellt habe, erachtete das FG als bloße Schutzbehauptung.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, die er auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Denn der Kläger hat einen Grund, der zur Zulassung der Revision führen könnte (§ 115 Abs. 2 FGO), nicht in der gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.
1. Soweit der Kläger vorbringt, das FG habe die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zulassen müssen, verkennt er die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Hierfür ist nämlich erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Fortentwicklung des Rechts im allgemeinen Interesse liegt, mithin von grundsätzlicher Bedeutung ist. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).
Wenn der Kläger die "banale Frage" für entscheidungserheblich hält, ob die Mutter des Klägers als Halterin des PKW am 7. Februar 2003 aus Polen kommend nach Deutschland eingereist ist und sich darüber hinaus zum Zeitpunkt der Sicherstellung des Fahrzeugs (13. Februar 2003) noch im Bundesgebiet aufgehalten hat, so formuliert er nicht, wie erforderlich, eine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage. Zur Klärung von Tatsachen, was dem Revisionsgericht ohnehin verwehrt ist, ist der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aber weder bestimmt noch geeignet.
2. Will der Beschwerdeführer die Tatsachenfeststellung durch das FG angreifen, steht ihm der Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zur Seite. In diesem Zusammenhang beanstandet der Kläger mangelhafte Sachaufklärung durch das FG (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), weil das Gericht trotz eines entsprechenden Antrags des früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 28. Juni 2004 die Mutter des Klägers als Halterin des Fahrzeugs nicht als Zeugin zum entlastenden Vorbringen des Klägers (oben 1.) gehört habe.
Mit diesem Vortrag wird indes der Verfahrensmangel eines vom FG übergangenen Beweisantrags nicht schlüssig dargelegt. Denn nach ständiger Rechtsprechung gehört dazu auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge unter den konkreten Umständen nicht möglich war (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge (Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597). An entsprechenden Darlegungen fehlt es im Streitfall; auch aus dem Protokoll der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG vom 29. Oktober 2004 ergibt sich eine solche Rüge nicht. Der Prozessvertreter des Klägers hat diesen Termin gar nicht wahrgenommen, obwohl er rechtzeitig geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass bei seinem Ausbleiben auch ohne ihn verhandelt werden kann. Der persönlich anwesende Kläger hat das Übergehen des zuvor im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 1. September 2004 wiederholten Beweisantrags auf Zeugenvernehmung seiner Mutter nicht beanstandet, sondern rügelos zur Sache verhandelt und den Klageantrag gestellt. Auf die Rüge ist damit wirksam verzichtet worden.
3. Soweit der Kläger vorbringt, das FG habe die Sprachkenntnisse seiner Ehefrau nicht hinreichend aufgeklärt und die Bedeutung der Tatsache, dass auf ihn selbst eine grüne Versicherungskarte ausgestellt worden sei, nicht näher untersucht, rügt der Kläger in Wirklichkeit eine unzureichende Beweiswürdigung durch das FG. Denn das FG hat sich in seinem Urteil mit diesen Punkten eingehend auseinander gesetzt. Hinsichtlich der Sprachkenntnisse der Ehefrau des Klägers ist es u.a. nach Einvernahme des Zeugen X, der beim Bezirksamt für die sozialhilferechtlichen Angelegenheiten des Klägers und seiner Frau zuständig war, zu der Überzeugung gelangt, dass die Ehefrau des Klägers sehr wohl in der Lage gewesen sei, sich in der deutschen Sprache zu verständigen. Zur grünen Versicherungskarte hat das FG ausgeführt, dass der Kläger im Klageverfahren keine sinnvolle, plausible Erklärung dazu geben konnte, weshalb die unter dem 28. November 2002 ausgestellte Versicherungskarte auch auf seinen Namen, und nicht lediglich auf den seiner Mutter, ausgestellt war. Da die Grundsätze der Beweiswürdigung indessen dem materiellen Recht zuzuordnen sind (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 82 f.), legt der Kläger mit diesem Vorbringen keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar. Er wendet sich damit vielmehr gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).
4. Wenn der Kläger schließlich beanstandet, das FG habe die vorgelegte Meldung zur Sozialversicherung, aus der sich ergebe, dass er seit dem 31. Dezember 2002 arbeitslos gewesen sei, vollständig außer Acht gelassen, so dass es wenig wahrscheinlich sei, dass er --wie von der Gegenseite behauptet-- noch im Februar 2003 das Fahrzeug seiner Mutter zu täglichen Fahrten zu seiner Arbeitsstätte benutzt haben soll, trifft es zwar zu, dass das FG hierauf nicht eingegangen ist. Das war aber auch nicht erforderlich, da dem Kläger allgemein der persönliche Gebrauch des auf seine Mutter in Polen zugelassenen PKW im Zollgebiet der Gemeinschaft vorgehalten wird, und dieser persönliche Gebrauch erschöpft sich nicht nur in Fahrten zur Arbeitsstätte.
Fundstellen
Haufe-Index 1455535 |
BFH/NV 2006, 341 |