Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Vorabentscheidung vom 26.05.1988 - VII R 87/86

 

Leitsatz (amtlich)

Zollwertrechtliche Behandlung von Aufwendungen für sog. Echtheitsbescheinigungen, die für die abschöpfungsfreie Einfuhr von Fleisch erforderlich sind.

 

Orientierungssatz

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen vorgelegt:

1. Ist die Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 134/1), insbesondere Art. 3 Abs. 1 und 3 Buchst. a, dahin auszulegen, daß bei der Bewertung von argentinischem Rindfleisch, das 1981 im Rahmen eines Gemeinschaftszollkontingents abschöpfungsfrei in den freien Verkehr übergeführt worden ist, die an den Verkäufer neben dem Warenpreis gezahlten Beträge für die zur Inanspruchnahme der Kontingentsregelung erforderlichen Echtheitsbescheinigungen zum tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis (Transaktionswert) zu rechnen sind?

2. Bei Bejahung der Frage 1:

Ist die vorstehend bezeichnete Verordnung, insbesondere Art. 3 Abs. 4 Buchst. b, dahin auszulegen, daß die für die Bescheinigungen gezahlten Beträge zollwertrechtlich wie in der Gemeinschaft wegen der Einfuhr zu zahlende Abgaben zu behandeln sind?

3. Bei Bejahung der Frage 2:

Ist die vorstehend bezeichnete Verordnung, insbesondere Art. 3 Abs. 4, dahin auszulegen, daß dem Erfordernis getrennten Ausweises von dem für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis auch genügt wird, wenn die Rechnung einen Gesamtbetrag für die Ware und die Beträge für die Bescheinigungen (Nr. 1) ausweist, aber auch die Höhe dieser Beträge deutlich macht?

 

Normenkette

EWGV 1224/80 Art. 3 Abs. 1, 3 Buchst. a, Abs. 4 Buchst. b

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 28.03.1990; Aktenzeichen C-219/88)

 

Tatbestand

Die Klägerin führte im Herbst 1981 argentinisches Rindfleisch zum freien Verkehr ein. Das Fleisch blieb abschöpfungsfrei im Rahmen eines Gemeinschaftszollkontingents, weil die dafür erforderlichen Echtheitsbescheinigungen vorgelegt wurden. Die für diese Bescheinigungen zusätzlich aufgewandten Beträge ("additional price for the EEC-High-Quality-Quota-Certificate") bezog das HZA in den Zollwert ein. Die dagegen erhobene Klage war erfolglos. Im Verfahren über die von der Klägerin eingelegte Revision hat der Bundesfinanzhof beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art.177 Abs.1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft folgende Fragen vorzulegen:

1. Ist die Verordnung (EWG) Nr.1224/80 des Rates vom 28.Mai 1980 über den Zollwert der Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 134/1), insbesondere Art.3 Abs.1 und 3 Buchst.a, dahin auszulegen, daß bei der Bewertung von argentinischem Rindfleisch, das 1981 im Rahmen eines Gemeinschaftszollkontingents abschöpfungsfrei in den freien Verkehr übergeführt worden ist, die an den Verkäufer neben dem Warenpreis gezahlten Beträge für die zur Inanspruchnahme der Kontingentsregelung erforderlichen Echtheitsbescheinigungen zum tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis (Transaktionswert) zu rechnen sind?

2. Bei Bejahung der Frage 1:

Ist die vorstehend bezeichnete Verordnung, insbesondere Art.3 Abs.4 Buchst.b, dahin auszulegen, daß die für die Bescheinigungen gezahlten Beträge zollwertrechtlich wie in der Gemeinschaft wegen der Einfuhr zu zahlende Abgaben zu behandeln sind?

3. Bei Bejahung der Frage 2:

Ist die vorstehend bezeichnete Verordnung, insbesondere Art.3 Abs.4, dahin auszulegen, daß dem Erfordernis getrennten Ausweises von dem für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis auch genügt wird, wenn die Rechnung einen Gesamtbetrag für die Ware und die Beträge für die Bescheinigungen (Nr.1) ausweist, aber auch die Höhe dieser Beträge deutlich macht?

Der Senat hat dazu ausgeführt:

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung über die Revision hängt von der Auslegung von Vorschriften der Verordnung Nr.1224/80 ab.

Es fragt sich zunächst, ob die "Bescheinigungskosten", wie die Verwaltung und die Vorinstanz annehmen, zum Transaktionswert der eingeführten Waren gehören. Der für die Zollwertermittlung insoweit maßgebende tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis --Art.3 Abs.1 der Verordnung Nr.1224/80-- ist die vollständige, vom Käufer an den Verkäufer oder zu dessen Gunsten entrichtete oder zu entrichtende Zahlung für die eingeführten Waren; er schließt alle Zahlungen ein, die als Bedingung für das Kaufgeschäft über die eingeführten Waren vom Käufer an den Verkäufer tatsächlich entrichtet werden oder zu entrichten sind (Art.3 Abs.3 Buchst.a Satz 1 der Verordnung Nr.1224/80). Die streitigen Beträge entfallen auf Echtheitsbescheinigungen für das eingeführte Fleisch, die bei Inanspruchnahme der Kontingentsregelung nach der Verordnung (EWG) Nr.217/81 des Rates vom 20.Januar 1981 (ABlEG L 38/1) gemäß der Verordnung (EWG) Nr.263/81 der Kommission vom 21.Januar 1981 (ABlEG L 27/52) vorzulegen waren. In seinem Urteil vom 9.Februar 1984 Rs.7/83 hat der Gerichtshof entschieden, Quotakosten für den Erwerb von Exportkontingenten gehörten nicht zum Zollwert eingeführter Waren; da die Gemeinschaftsregelung über das System der Export- und Importlizenzen ein anderes Ziel als die Verordnung Nr.1224/80 verfolge --nämlich die Mengenkontrolle aus Drittländern eingeführter Textilien--, sei diese Verordnung ohne Bezugnahme auf die Lizenzregelung anzuwenden.

Im Streitfalle beruft sich das HZA auf die von dem gemäß Titel II der Verordnung Nr.1224/80 eingesetzten Ausschuß für den Zollwert verabschiedete Schlußfolgerung Nr.15 über "Quotakosten, die in bezug auf Echtheitsbescheinigungen angefordert werden". Nach dieser Schlußfolgerung ist der für Echtheitsbescheinigungen (für Fleisch) berechnete Betrag als Teil des vollständigen gezahlten oder zu zahlenden Preises für die eingeführten Waren anzusehen. Der Ausschuß hat darauf verwiesen, daß die Echtheitsbescheinigung im Gegensatz zu dem vom Gerichtshof in der Rechtssache 7/83 beurteilten Fall nicht getrennt gehandelt werden könne und daß der Käufer des Fleischs dem ausländischen Verkäufer keine Auslagen für den Erhalt der Bescheinigung erstattet. Der Senat hat unter Berücksichtigung der vorbezeichneten Entscheidung des Gerichtshofs Zweifel, ob die Schlußfolgerung, die rechtlich nicht verbindlich ist, das maßgebende Gemeinschaftsrecht zutreffend auslegt.

Die Verordnungen Nr.217/81 und 263/81 regeln den Zugang zu dem aufgrund einer Verpflichtung im Rahmen des GATT eingeführten Gemeinschaftszollkontingent; sie verfolgen ein anderes Ziel als das der Bewertung der Waren für Zollzwecke, das der Verordnung Nr.1224/80 zugrunde liegt (vgl. auch den sechsten Erwägungsgrund dieser Verordnung). Nach den vom Gerichtshof entwickelten Grundsätzen könnte es mithin naheliegen, bei der Bewertung die Kontingentsregelung außer Betracht zu lassen und die für die Erlangung von Echtheitsbescheinigungen aufgewandten Beträge nicht zum gezahlten oder zu zahlenden Preis zu rechnen, obwohl sich die Echtheitsbescheinigungen auf die eingeführten Waren beziehen, sie im Streitfall nicht getrennt gehandelt werden und die Beträge für sie jedenfalls hier keinen bloßen Auslagenersatz darstellen.

Es wird auch zu berücksichtigen sein, daß die hier aufgeworfene Frage sich nicht stellen würde, wenn für die Echtheitsbescheinigungen keine "Kosten" gefordert worden wären. In der Berücksichtigung tatsächlich verlangter Kosten bei der Bewertung könnte somit die Anwendung eines willkürlichen oder fiktiven Zollwerts liegen. Ferner wird die zollwertrechtliche Lage zu erwägen sein, die sich ergibt, wenn die Bescheinigungen von einem über sie verfügenden dritten Schlachtbetrieb erworben werden, sei es unmittelbar durch den Käufer oder durch den Verkäufer, der die dafür aufgewandten Beträge weiterberechnet. Wenn in einem solchen Falle diese Beträge nicht zum gezahlten oder zu zahlenden Preis gehören sollten, könnten sie beim Direkterwerb der Bescheinigungen vom Verkäufer kaum als Element des Preises für die Waren behandelt werden.

Sollten die Beträge indessen zum Transaktionswert der eingeführten Waren gehören, so können sich weitere Fragen der Auslegung von Gemeinschaftsrecht stellen, die der Senat allerdings für weniger zweifelhaft hält als die Hauptfrage zu 1. Zu den nach Art.3 Abs.4 Buchst.b der Verordnung Nr.1224/80 ggf. nicht in den Zollwert einzubeziehenden, in der Gemeinschaft zu zahlenden Abgaben gehören die Zusatzbeträge, die die Klägerin für "verlagerte Abschöpfungen" hält, schon ihrer Natur nach nicht. Sie dürften auch nicht wie solche Abgaben zu behandeln sein, zumal sie nicht zwangsläufig anfallen und kein einheitlicher Maßstab ersichtlich ist, nach dem sich ihre Höhe bestimmt.

Sollte Art.3 Abs.4 Buchst.b der Verordnung Nr.1224/80 jedoch anwendbar sein, so würde sich schließlich fragen, ob das Erfordernis eines getrennten Ausweises vom Preis auch dadurch erfüllt werden kann, wenn --wie im Streitfalle-- die Rechnungen über Preis und Zusatzbeträge insgesamt, jedoch mit gesonderter Angabe der Zusatzbeträge erteilt worden sind. Der Senat neigt dazu, diese Frage in Übereinstimmung mit seiner Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung innergemeinschaftlicher Beförderungskosten zu bejahen. Es ist darauf hinzuweisen, daß hinsichtlich der Zölle und anderen Abgaben im Sinne von Art.3 Abs.4 Buchst.b der Verordnung Nr.1224/80 es auch nach Auffassung des Ausschusses für den Zollwert (Kommentar zu der Bedeutung des Begriffs "getrennt ausgewiesen", Nr.9) genügt, daß diese Elemente "getrennt ausweisbar" sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62225

BFHE 153, 469

BFHE 1989, 469

BB 1988, 1661-1661 (L1)

HFR 1988, 581 (LT)

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge