Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers einer GmbH
Leitsatz (NV)
Die Frage, ob der Geschäftsführer grob fahrlässig handelt, wenn er nach vorübergehendem unverschuldeten Liquiditätsengpaß der GmbH die Steuerzahlungen nur für die Zukunft wieder aufnimmt und Teilbeträge für die Vergangenheit mit Duldung des FA nicht ausgleicht, hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung; sie ist durch die Rechtsprechung des Senats zum Mitverschulden des Finanzamts bereits beantwortet.
Normenkette
AO §§ 69, 34; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) hat den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) u.a. für Lohnsteuerrückstände der GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer er war, für April, Mai und Juni 1988 zuzüglich Säumniszuschläge in Haftung genommen. Nach erfolglosem Einspruch bestätigte das Finanzgericht (FG) den Haftungsbescheid unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach der Geschäftsführer einer GmbH, deren Mittel zur vollständigen Begleichung der Löhne und der darauf entfallenden Lohnsteuer nicht ausreichen, die Löhne in einem Umfang zu kürzen habe, der eine gleichmäßige Befriedigung der Arbeitnehmer und des FA sicherstellt (ständige Rechtsprechung vgl. Senatsbeschluß vom 9. Januar 1996 VII B 189/95, BFH/NV 1996, 589). Grobe Fahrlässigkeit sei zu bejahen, da der Kläger den Zahlungsverkehr nicht entsprechend eingerichtet und darauf vertraut habe, er werde die Rückstände später nach Behebung der Liquiditätsschwierigkeiten ausgleichen können. Die Ermessensausübung des FA sei nicht zu beanstanden. Ein Mitverschulden des FA liege auch nicht darin, daß es eine Ratenvereinbarung bezüglich der rückständigen Steuern eingegangen sei und Vollstreckungsaufschub gewährt habe. Der Umstand, daß das FA die Nichtabführung der geschuldeten Lohnsteuerrückstände und Säumniszuschläge hingenommen habe, schließe die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners nicht aus. Die Säumniszuschläge seien bereits vom FA im Billigkeitswege um 50 v.H. gekürzt worden. Eine weitere Reduzierung sei nicht veranlaßt.
Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde stützt der Kläger auf grundsätzliche Bedeutung und eine Abweichung von der Senatsentscheidung vom 26. Juli 1988 VII R 83/87 (BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859).
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Kläger weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) noch eine Divergenz i.S. des §115 Abs. 2 Nr. 2 FGO schlüssig dargelegt hat (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist bereits zweifelhaft, ob die Beschwerdeschrift eine konkrete Rechtsfrage, die in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt werden soll, ausreichend deutlich bezeichnet hat (zu diesem Erfordernis vgl. BFH-Beschluß vom 16. März 1994 II B 102/93, BFH/NV 1995, 34; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Rz. 8, 61).
Jedenfalls hat der Kläger keine Rechtsfrage aufgeworfen, deren Beantwortung im allgemeinen Interesse im Sinne der Rechtsprechung des BFH zu §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO klärungsbedürftig wäre (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Juli 1996 I B 44/95, BFH/NV 1997, 124, und vom 2. August 1996 VIII B 74/95, BFH/NV 1997, 133; Gräber/Ruban, a.a.O., §115 Rz. 7, m.w.N.). Die vom Kläger angesprochene Frage, ob ein Geschäftsführer, der nach einem vorübergehenden von ihm nicht verschuldeten Liquiditätsengpaß des Unternehmens die Steuerzahlungen für die Zukunft wieder aufnimmt, dabei aber einen Teilbetrag aus der Vergangenheit mit Duldung des FA noch nicht ausgleicht, für diesen in Haftung genommen werden kann, wenn er nach einem weiteren unverschuldeten Ereignis Steuerzahlungen wieder einstellen muß, läßt eine über den vom FG entschiedenen Einzelfall hinausgehende Bedeutung nicht erkennen. Der Kläger beharrt vielmehr darauf, daß ihm als Geschäftsführer angesichts der mit dem FA abgesprochenen Handhabung der Tilgung der Steuerrückstände und der getroffenen Ratenvereinbarung nicht unterstellt werden könne, die Nichtabführung der Altrückstände sei ausschließlich von ihm zu verantworten oder gar grob fahrlässig gewesen.
Darüber hinaus fehlt jede Auseinandersetzung mit der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage. Der BFH hat zu dieser Frage bereits mehrfach Stellung genommen und entschieden, daß ein bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigendes Mitverschulden des FA nicht anzunehmen sei, wenn dieses für einen längeren Zeitraum von seinen Befugnissen zur Überwachung und Beitreibung der Lohnabzugsbeträge keinen Gebrauch macht (BFH-Urteile vom 11. August 1978 VI R 169/75, BFHE 125, 508, BStBl II 1978, 683, und vom 19. März 1985 VII R 22/84, BFH/NV 1987, 227) oder wenn das FA trotz schlechter finanzieller Lage des Steuerpflichtigen nicht sofort vollstreckt, sondern sich auf ein Stillhalteabkommen einläßt (BFH-Urteil vom 12. Juni 1986 VII R 135/80, BFH/NV 1988, 76, 78).
2. Soweit der Kläger die Zulässigkeit der Revision wegen Divergenz zu dem Urteil des erkennenden Senats in BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859 begehrt, wird in der Beschwerdeschrift eine die Zulassung rechtfertigende Abweichung nicht dargelegt. Nach §115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß der Beschwerdeführer einen oder mehrere abstrakte Rechtssätze aus der angefochtenen Entscheidung des FG einem oder mehreren ebenfalls abstrakten Rechtssätzen der divergierenden Entscheidung des BFH so genau gegenüberstellen, daß eine Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 12. April 1994 VII S 31/93, BFH/NV 1995, 57).
Der Kläger hat derartige, voneinander abweichende Rechtssätze im FG-Urteil und der angeblichen Divergenzentscheidung nicht dargelegt. Er macht -- ohne auf die Rechtsausführungen in der Entscheidung der Vorinstanz einzugehen -- lediglich geltend, der BFH beschränke in seiner Entscheidung BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859 die Haftung dem Umfang nach auf den Betrag, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet wurde. Dem Kläger hätten aber außer den in voller Höhe ausgezahlten Nettolöhnen zur Begleichung der rückständigen Steuerverbindlichkeiten keine sonstigen Mittel zur Verfügung gestanden.
Fundstellen
Haufe-Index 302947 |
BFH/NV 1998, 1450 |