Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung der Revision wegen Divergenz
Leitsatz (NV)
Die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts ist wegen Abweichens von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs zuzulassen, wenn mindestens die Möglichkeit besteht, daß das Finanzgericht, wäre es der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs gefolgt, in dem von ihm entschiedenen Rechtsstreit zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Steuerberater, die in der Zeit vom 10. bis 13. März 1983 an einem Steuerberater-Symposium auf der Fähre ,,Finnjet" teilnahmen. Es handelt sich bei dieser Fähre um ein komfortables Passagierfährschiff, das regelmäßig zwischen Travemünde und Helsinki verkehrt. Nach Auskunft des Reiseveranstalters lief die ,,Finnjet" am Donnerstag, den 10. März 1983, um 20.00 Uhr aus Travemünde aus. Am Freitag, den 11. März 1983, begann das Seminar um 9.00 Uhr; es dauerte - von Kaffeepausen und einem Mittagessen unterbrochen - bis 17.00 Uhr. Am Samstag, den 12. März 1983, fand vormittags eine Stadtrundfahrt durch Helsinki statt; von 15.00 Uhr bis 17.30 Uhr folgte wiederum ein Seminar. Am Sonntag, den 13. März 1983, fanden Seminarveranstaltungen - unterbrochen durch eine Kaffeepause und ein Mittagessen - zwischen 9.00 Uhr und 15.30 Uhr statt; um 17.00 Uhr kam die ,,Finnjet" in Travemünde an. Themen der Seminarveranstaltungen waren ,,Aktuelle Entwicklungen im Körperschaftsteuerrecht", ,,Die neue Rechtsprechung und Gesetzgebung zur Einkommensteuer", ,,Steuerfragen aus dem Arbeitnehmerbereich", ,,Familienrechtliche Vorgänge im Steuerrecht" und ,,Diskussion zu Einzelthemen, Hörerfragen".
Die Teilnahme der Kläger an diesen Veranstaltungen wurde bescheinigt; sie ist außerdem durch die Zeugenaussage des . . . bestätigt worden.
Mit ihrer Erklärung zur einheitlichen Gewinnfeststellung 1983 machten die Kläger die Aufwendungen für das Steuerseminar (je Person 300 DM Seminargebühr und 619 DM für Verpflegung und Unterkunft) als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) ließ dagegen nach einer Außenprüfung nur die Seminargebühr zum Abzug zu.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt (Urteil vom 17. März 1986 X 379/85, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 483). Es ging davon aus, daß die Teilnahme an einer Gruppenreise zu Informationszwecken dann keine Betriebsausgaben sind, wenn sie nicht objektiv durch den Betrieb oder die Tätigkeit veranlaßt sind, insbesondere wenn nach dem Programm der Reise ein allgemein-touristisches Interesse befriedigt wird, das nicht von untergeordneter Bedeutung ist (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Das FA habe die Reise im Ergebnis nicht zutreffend beurteilt. Hierzu führte das FG u. a. im einzelnen aus: ,,Die Auffassung, die fragliche Reise sei weitaus überwiegend aus privaten Interessen unternommen worden, läßt sich nach Ansicht des Senats nicht halten." An anderer Stelle heißt es: ,,Hinsichtlich des Reiseziels, der Reiseroute und der Reisezeit vermag der Senat keine Anhaltspunkte dafür zu finden, daß die Reise überwiegend aus privaten Gründen unternommen wurde." Schließlich wird ausgeführt: ,,Da nach alledem keine Anhaltspunkte dafür zu finden waren, daß die Seminarreise aus überwiegend privaten Gründen unternommen wurde, waren die gesamten Aufwendungen als beruflich veranlaßt anzusehen." - Die Revision ließ das FG nicht zu.
Gegen die Nichtzulassung der Revision legte das FA Beschwerde ein. Die Revision sei zuzulassen, weil das FG von der Rechtsprechung des BFH, insbesondere von dem Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, abgewichen sei.
Die Kläger haben sich hierzu nicht geäußert.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil des FG von einer Entscheidung des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diese Voraussetzungen haben im Streitfall vorgelegen.
1. Eine Abweichung von einer Entscheidung des BFH liegt vor.
Zur Beurteilung der hier entscheidungserheblichen Frage, ob eine Auslandsreise betrieblich oder privat veranlaßt ist, hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 unter Bezugnahme auf das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeführt, daß eine Reise nur dann betrieblich veranlaßt sei, wenn die Verfolgung privater Interessen sowohl nach dem Programm als auch nach der tatsächlichen Gestaltung der Reise nahezu ausgeschlossen ist; lediglich ein unbedeutendes und nicht ins Gewicht fallendes Mithereinspielen der Lebensführung könne unbeachtet bleiben. Demnach ist der betriebliche (berufliche) Charakter einer Reise schon dann zu verneinen, wenn die privaten Gründe für die Reise mehr als nur unbedeutend sind.
Dieser Rechtsauffassung widerspricht es, wenn das FG in seinem Urteil an mehreren Stellen - insbesondere im Zusammenhang mit den rechtlichen Schlußfolgerungen am Ende der Entscheidung - zu erkennen gibt, daß nach seiner Ansicht eine Auslandsgruppenreise zu Informationszwecken erst dann privaten Charakter haben soll, wenn die ,,privaten Interessen" (bzw. die ,,privaten Gründe") überwiegen. Das FG ist mit dieser Auffassung von dem Beschluß des BFH in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 abgewichen.
2. Das Urteil des FG beruht auch auf dieser Abweichung.
Ein Urteil beruht auf einer Abweichung, wenn mindestens die Möglichkeit besteht, daß das FG, wäre es der anderen Rechtsauffassung des BFH gefolgt, in dem von ihm entschiedenen Rechtsstreit zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 115 FGO Tz. 63, m. w. N.; Klein / Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, S. 44 f.; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, S. 77 ff.), d. h., wenn sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Abweichung und dem Ergebnis der Entscheidung nicht ausschließen läßt.
Im Streitfall ist anzunehmen, daß das FG möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn es seiner Entscheidung in folgerichtiger Weise die Auffassung des BFH im Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 zugrunde gelegt hätte. Wäre es nämlich durchgehend davon ausgegangen, daß eine Reise in vollem Umfang dem privaten Bereich zuzurechnen ist, wenn private Beweggründe in nur mehr als unbedeutendem Umfang die Reise mitveranlaßt haben, so hätte es den betrieblichen Charakter der Reise möglicherweise verneint. Obwohl die auf dem Schiff ,,Finnjet" gebotenen Seminarveranstaltungen einen erheblichen beruflichen Anreiz für die Reise geboten haben mochten, hätte sich bei folgerichtiger Zugrundelegung der Rechtsauffassung des BFH dennoch ergeben können, daß die von den Klägern an einem Wochenende unternommene Reise in nicht ganz unwesentlichem Umfang auch von privaten Motiven (Seefahrt auf einem Luxusschiff, Landausflug nach Helsinki) mitbeeinflußt gewesen und der Abzug der Reisekosten deshalb zu versagen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 415163 |
BFH/NV 1988, 161 |